Lost Chronicles

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Die ganze, zugegebener Massen recht schöne und in gewisser Weise amüsante, Prügelei verlagerte sich zusehends in jene Richtung, in die Scimitar gerade unterwegs war. Immer mitten rein ins Zentrum des Ärgers! Dachte der Waschbär bei sich. Das Zentrum, das war im Moment nämlich direkt vor ihm bei seinen beiden Tischgefährten. Der Weißblonde mit der seltsamen Augenbinde – was zum Geier fanden die felllosen Zweibeiner eigentlich nur daran, sich diverse Stofffetzen um die verschiedenen Körperteile zu wickeln, wie man hier sah anscheinend nun auch um die Augen – war schon zu seinem jüngeren Kompagnon geeilt, oder eher gesprungen und schwang sein Schwert nun wider die Angreifer. Zu diesen hatte sich ein Koloss von einem Kerl gesellt, der leicht doppelt so groß und mindestens dreimal so breit war wie Scimitar. Was aber dann passierte konnte dieser zuerst gar nicht glauben: einer der anderen Schläger begann auf den Riesen loszugehen. Prügelei in den eigenen Reihen! Hatte wohl einer die Schläge auf den Kopf nicht vertragen! Ein hämisches Grinsen schlich sich auf die Lippen des Waschbären. Was gab es schöneres als den Idioten zuzusehen, wie sie sich gegenseitig fertig machten. Zu Krönung rammte der Angreifer dem Koloss auch noch die Faust auf die Nase. Dabei machte er allerdings ein Gesicht, als wüsste er selbst nicht, was er da eigentlich tat. Der Riese grunzte nur und schüttelte sich wie ein nasser Hund, sodass das Blut, das ihm als Folge des Schlages aus der Nase schoss, in alle Richtungen spritzte. Der mehr oder minder lebensmüde Angreifer aus den eigenen Reihen, der mittlerweile weiß wie die Wand war, stammelte irgendwas von >Weiß nicht wieso, nicht so gemeint, kann nicht kontrollieren, Eigenleben,…< und setzte dabei zum nächsten Schlag an. >Ich helf‘ dir Vollidot dabei, dich zu kontrollieren!< brüllte der Koloss und schlug den - mehr oder weniger bemitleidenswerten Kerl – mit der Faust auf den Kopf, sodass dieser bewusstlos zu Boden ging.

Unglücklicherweise hatte der Riese sich dabei aber in Scimitars Richtung gedreht. >Dich kenn ich!! Du bist mit dem fetten Händler gekommen! Du … du … du warst es, du hast …< Der Waschbär hatte keine Lust, dass dieser Schläger, dessen Stimme seinem Gefühl nach in ganz Acceptis zu hören war, herum posaunte, dass er den Trupp, der die Wagen des Kaufmanns überfallen hatte, mehr oder weniger im Alleingang um ihr Dasein erleichtert hatte. Das war in einer Stadt schlecht für den Ruf, schnell war man vom Söldner zum Mörder mutiert. Denn eines war sicher: Der Kaufmann würde einiges verdrehen und ziemlich sicher nicht zugeben, dass er mehr als nur Kurzwaren und solch Tand transportiert hatte. Mit einem Fauchen sprang er den Koloss wider jeder Vernunft an und versuchte ihm Askartons Knauf in die schiefen, gelben Zähne zu schlagen und ihm im wahrsten Sinne des Wortes das Maul zu stopfen. Dabei zerrissen Scimitars Krallen die Seite des Gewands des Schlägers und aus einer zerfetzten Tasche segelte, beinahe unbemerkt, ein Brief zu Boden. Leider traf der Knaufstoss auch nicht, wie beabsichtigt, das Schandmaul des Gegners sondern dessen ohnehin schon malträtierte Nase.

Mit einem Laut, der irgendwo zwischen Grunzen, Jaulen und Fluchen gelegen schien, stieß der Riese Scimitar von sich und da der Waschbär sich mit den Pfoten gut einen halben Schritt über dem Boden befand, flog er in hohem Bogen rückwärts durch den Raum und knallte ungebremst gegen einen der Stützpfeiler, der die Decke des Schankraums hielt. Mit einem Pfeifen wich ihm die Luft aus den Lungen und während er nach unten Richtung Boden rutschte, wo er auf seinem pelzigen Hinterteil landete, sah er Sternchen um sich herum. In seinem Kopf dröhnte eine gigantische Glocke, die allerdings einen seltsamen schrillen Ton hatte. >Scimitar, Scimitar, nicht ohnmächtig werden. Los bleib da oder dein Pelz ist ein Bettvorleger und ich ende als Küchenmesser. Sccciiimmmmiiitaaarrrr!!!!< Askarton kreischte wie eine Jungfrau im Angesicht eines ungebetenen Freiers.
Irgendwie entstand gerade Tumult in den Reihen der Gegner. Über das Klirren von Stahl auf Stahl, Kampfgebrüll und sonstigen Lärm hinweg hörte er ein schmerzerfülltes Grunzen, gefolgt von einer gestammelten... Entschuldigung? Es brachte den Drachenreiter für einen Moment aus dem Konzept, sodass er seine Deckung vernachlässigte und prompt ein feindlicher Schwerthieb durchkam. Er zerfetzte den Stoff des Hemdes auf Höhe der Schulter, gefolgt von einem heißen, sengenden Schmerz. Er spürte wie etwas Warmes den Oberarm hinunter lief und vom übrigen Stoff aufgesogen wurde. "Autsch", knurrte er und drosch sein Schwert in Richtung des prompt ertönenden trumphierenden Ausrufs, der sich daraufhin in einen gurgelnden Laut verwandelte. Wie und wo er getroffen hatte wusste Athaín nicht, aber anschließend war es wuchtig genug gewesen dass der Angreifer zurücktaumelte und beim Zubodengehen irgendetwas Schepperndes mit sich riss. Einer weniger! Zumindest für den Moment.

Einigermaßen überrascht stellte der Schwertkämpfer fest, dass es nurmehr ein einziger Gegner war, der auf ihn eindrang. Einer kauerte stöhend am Boden und jammerte über sein Knie. Athaín grinste unwillkürlich. Diese nicht ganz saubere, aber effektive Kampftechnik kannte er gut. Caius hatte kein Problem damit auch schmutzige Tricks anzuwenden, wenn es die Situation erforderte. Sehr vernünftig, denn der Feind kämpfte selten nach dem Lehrbuch. Dieses Gefasel von Ritterlichkeit und ehrenhaftem Kampf war etwas für Turniere, auf dem Schlachtfeld ging es darum sich einen Vorteil zu verschaffen. Das unterschied adlige Söhnchen, die ein bisschen mit dem Schwert herumfuchtelten, von Männern die kämpfen konnten. Allmählich schien sich das Blatt zugunsten der unfreiwilligen Tischgemeinschaft zu wenden, denn soweit Athaín die Lage überblicken konnte, waren die meisten Gegner inzwischen ausgeschaltet oder hatten keine Lust mehr. Vermutlich gerieten sie nicht jeden Tag an Leute, die sich nicht durch bloße Präsenz einschüchtern ließen.

Allerdings war da noch dieser Kerl, anscheinend der Anführer, welcher der Stimmlage nach mindestens so groß sein musste wie er selbst und wahrscheinlich doppelt so breit. Von ihm stammte wahrscheinlich auch der wuchtige Hieb, den er eben nur mit Mühe hatte abfangen können. Allerdings schien das Riesenbaby gerade beschäftigt zu sein, denn zwar brachen plötzlich die Beteuerungen ab und etwas fiel dumpf zu Boden - wahrscheinlich der dazugehörige Körper - aber dafür ertönte gleich neues Gebrüll.

>Dich kenn ich!! Du bist mit dem fetten Händler gekommen! Du … du … du warst es, du hast …<

Interessant, dachte der Halbdrache bei sich, während er dem letzten lästigen Typen den Schwertknauf ins Gesicht rammte und sich so erst einmal Luft verschafft. Da Caius und er selbst nicht gemeint sein konnten, und die Magierin wahrscheinlich auch nicht, blieb nur der angebliche Waschbär übrig. Es bestätigte sich der Verdacht, dass der nach Pelz riechende irgendetwas mit diesen Kerlen zu schaffen hatte, und vermutlich auch - mehr oder weniger freiwillig - der Auslöser für die Prügelei gewesen war. Irgendetwas hatte er also angestellt. Was genau erfuhr jedoch niemand, denn etwas - oder jemand - stürzte sich anscheinend auf den Kerl, und das Geschrei endete in einem erstickten Gurgeln, gefolgt von dem Geräusch zerreißenden Stoffs und einem wütenden Schnauben. Athaín machte geistesgegenwärtig einen Schritt zur Seite, denn da flog auch schon etwas an ihm vorbei und wurde irgendwo weiter hinten mit einem "Uhhnnngg!" gestoppt. Der Drachenreiter fackelte nicht lange. Mit einem Kampfschrei stürzte er sich auf den angeschlagenen Koloß und deckte ihn mit einer Serie wuchtiger Hiebe ein, die ihn zurück trieben und gegen die Wand drängten, sodass er keine Gelegenheit mehr hatte seine Waffe in Postion zu bringen.

"HAAAAALT!" Eine laute, schneidende und verdammt autoritär klingende Stimme gellte plötzlich vom Eingang her durch den Raum. "Im Namen des Gesetzes und der Bürger von Accipetris! Hier spricht die Stadtwache! Legt die Waffen nieder und ergebt euch! SOFORT!"
Es war wirklich schon eine Weile her, dass er in einen solch wirren und gleichzeitig wirren Kampf verwickelt gewesen war. Die ganze Schankstube hatte sich mittlerweile geleert und Lisbeth hatte gemeinsam mit dem Koch die letzten Gaffer hinaus gescheucht. Sie standen nun am Eingang und sahen besorgt und furchtsam und vorsichtig in die Schankstube zurück, die mehr und mehr in Chaos versank, wahrscheinlich mehr um die Inneneinrichtung als als um die Kämpfer besorgt. Was man ja auch irgendwie sehr gut verstehen konnte…
Scimitar und sein sprechendes Schwert schwangen sich wirklich zu ungeahnten Höhen auf, man musste es ihnen lassen dass die Zwei ein wirklich eingespieltes Team waren, dass es auch locker mit Gegner normaler Größe aufnehmen konnten, welche ja nicht selten mehr als doppelt so groß waren wie der aufrecht stehende Waschbär. Cai musste ehrlich zugeben, er war beeindruckt.
Atevora dagegen war zwar auch beeindruckend, aber irgendwie auch ein wenig gruselig, denn mit nur wenigen Worten hatte sie einen der Schläger in ihre willige Marionette verwandelt die jetzt ohne zu zögern auf die eigenen Verbündeten los ging. Den jungen Drachenreiter überlief ein unangenehmer Schauer bei dem Gedanken, wie es wohl wäre selbst unter so einem Zauber zu stehen und keine Kontrolle mehr über den eigenen Körper zu haben.Keine sehr angenehme Vorstellung.
Und Athaín… ja sein Schwingenbruder drosch äußerst eindrucksvoll auf alles ein was dumm genug war sich in seiner Gegenwart zu laut bemerkbar zu machen. Und Cai gab sich alle Mühe den Rest von ihm fern zu halten.
Aber wenn er ganz ehrlich war, mittlerweile machte ihm die Sache fast Spaß. Die vorher so großkotzigen Schläger lagen mehr und mehr winselnd oder ausgeknockt am Boden und irgendwie passte der schräg zusammengestellte Trupp aus einer Magierin, einem Waschbären und zwei Drachenreitern, doch erstaunlich gut zusammen.
Dann stürzte Scimitar sich mit einem wilden Kampfschrei mitten auf den Riesen und versuchte ihn mit dem Schwertknauf niederzuschlagen, während seine scharfen Krallen seinen Gegner bis aufs Blut aufrissen und kratzen. Was eine sehr mutige, aber auch eine sehr dumme Idee war, denn schon wenige Sekunden später segelte der kleine Waschbär quer durch den Raum und klatschte wie eine Stoffpuppe gegen einen Stützpfeiler, wo er erst einmal Sitzen blieb.
Athaín stürzte sich schon mit einem lauten Schrei auf den letzten verbleibenden Gegner, und Cai wollte ihm eigentlich helfen, aber etwas anderes hatte seine Aufmerksamkeit erregt: da war ein Brief ganz still und leise zu Boden gesegelt und den leichten Kratzern und Blutspuren die das Papier vorwies, musste er wohl aus der zerfetzten Brusttasche des Riesen gesegelt sein.

"HAAAAALT!" Im Namen des Gesetzes und so weiter und so fort… Cai fluchte leise aber derb, während er Richtung Türe blickte, wo mittlerweile sich breitschultrig die Stadtwache aufgebaut hatte. Die Kämpfe verebbten, wer sich von den Schlägern noch bewegen konnte versuchte sich davon zu stehlen, aber die kamen nicht weit. Die Wachen fingen jeden ab denn mittlerweile hatten sie alle Ausgänge versperrt.
Das lief ja wirklich unbeschreiblich gut… Ausgeschickt im Strafdienst um das eine Fehlverhalten wieder gut zu machen, standen die Chancen gerade sehr hoch dafür, dass man die alle verhaften würde. „Gavron wird Luftsprünge vor Freude machen, wenn er davon erfährt.“ sagte er leise zu Athaín „Und sich sicher Zeit lassen bis er wen schickt um uns da wieder raus zu holen.“
Aber so war es nun mal, wenn man nicht an die Konsequenzen dachte die das eigene Handeln haben konnte. Eine Eigenheit die bei Caius leider viel zu oft vorkam, auch wenn er es heute sicher wieder schönreden würde mit der Ausrede, dass sie ja doch keine Wahl gehabt hätten. Was hätten sie denn tun sollen? Einfach zusehen?

„Legt die Waffen nieder und ergebt euch! SOFORT!" Cai wusste dass es wenig Sinn haben würde da zu widersprechen, selbst das Argument dass sie ja eigentlich Drachenreiter waren, zählte hier nicht. Der Ordo Draconis war neutral und deswegen gab es auch keine Sonderbehandlung für seine Mitglieder wenn sie etwas ausgefressen hatten. Vor dem Gesetz mussten ja schließlich alle gleich sein…
Leise seufzend legte Cai also die beiden Kurzschwerter auf den Boden, nutze allerdings die Gelegenheit gleich um sich den verlorenen Brief zu angeln und ihn sich unauffällig unters Hemd zu stecken.
In der einkehrenden Ruhe war nicht mehr viel zu hören als das leise stöhnen der Verletzten und das besorgte und aufgeregte Raunen der Menschen von draußen welche sich mittlerweile an den großen Fenstern aus Neugierde die Nasen platt drückten.
„Ihr seid alle im Namen der Stadt verhaftet! Los, nehmt die Gefangenen fest!“ der Hauptmann des Trupps hatte wohl den Befehlston schon mit der Muttermilch aufgenommen und die Stadtwachen machten sich unverzüglich ans Werk, alle aufzusammeln die an der Schlägerei beteiligt waren. Was Cai bei ihren Gegnern auch nur gutheißen konnte, aber sie selbst hatten doch nur versucht zu helfen!
Obwohl… wenn er sich die Zerstörte Schankstube so ansah… dann konnte er es doch nachvollziehen. Sehr gut sogar…

Anscheinend schien man sie doch für recht gefährlich zu halten oder hatten Angst das irgendwer das Weite suchen könnte, denn die Wachen rückten dann doch tatsächlich mit Fesseln und Ketten an.
„Muss das wirklich sein? Wir haben uns doch schon ergeben!“ beschwerte Cai sich während ein Wachmann ihm die Eisen anlegte. Alles was er erntete war ein grober Stoß richtung Türe „Los beweg dich, du Rotzlöffel!“
Cai schluckte eine aufmüpfige Erwiderung herunter und sah stattdessen zu Athaín, sein Schwingenbruder neigte eher dazu solche Sachen äußerst schlecht zu verarbeiten.

Atevora

Zunehmend begann sich der Schankraum zu leeren. Bis auf das ramponierte Mobiliar, die Angreifer, die Bediensteten und natürlich die eigenwillige Kampfgemeinschaft aus zwei Drachenreitern, einem zu groß geratenem Waschbär und einer Magierin, befand sich fast niemand mehr in der zuvor überfüllten Schenke.

Gleich der Tavernengesellschaft wäre auch Atevoras unfreiwilliger Kämpfer für ihre Sache nun vermutlich auch lieber ausgebrochen, aber dieser hatte diese Gelegenheit und seine Wahlmöglichkeit verpasst. Wie wundervoll es doch krachte als der Sessel sich mit Wucht am Rücken seiner eigenen Landsleute zerlegte und die Reihen der schmierigen Gesellen damit gelüftet wurden. Athain und Caius blieben auch nicht untätig, und Scimitar erst recht nicht. Als wären sie ein eingeübtes Team, gingen sie auf die nächst gelegene Bedrohung über um sie auszuschalten. Ein Hieb mit Athains der stumpfen Schwertschneide fegte einen Kerl von den Füßen während Atevoras Helferlein unbeirrt auf den wandelnden Schrank zuhielt. Dessen Verwirrung ausnutzend holte ihre Marionette nicht nur zum schlag aus, sondern traf das Ziel tatsächlich mitten ins Gesicht! Der Schmerz der die Menschenpuppe durchzuckte riss jedoch eine Furche ins magische Band. Sie fühlte wie ihr Spielzeug ihr zu entgleiten drohte, sodass der Mann doch tatsächlich eine Entschuldigung stammeln konnte. Doch die weißhaarige reagierte sofort. Präzise formten ihre Finger die Geste zur Übernahme erneut, und packten ihr Opfer wieder Fester in ihren magischen Bann. Eine kurze Bewegung mit der Hand des Puppenspielers und nochmals sollte die Faust niedersausen. Wehe! Da wagte sich der Koloss doch glatt gegen den eigenen Mann zu verteidigen! Mit einem großen Rumms schlug er ihn nieder und weg war sie, ihre schöne Spielfigur. Das kleine Mädchen in ihr schob beleidigt die Unterlippe vor, doch dies war nur ein kurzer innerer Impuls eher die nüchterne Sichtweise gewann. Sei es drum, sprach ihr Verstand, ein Gegner weniger und zu ihrem Glück starrte der große Grobian auch nicht in ihre Richtung sondern fixierte mit sprühendem Zorn in den Augen den magisch veränderten Nager.

In sich ruhend stand die weißhaarige Frau am Rande des Raumes mit gräflicher Haltung und innerer Ruhe. Vor ihr breitete sich die zerstörte Taverne aus, mit Möchtegernschlägern die wimmernd am Boden kauerten und jammerten, oder bewusstlos auf den Holzbrettern zwischen Geschirr und Scherben lagen. Auch zwei Gäste konnten als Kollateralschaden verbucht werden , wobei einer sich den Arm hielt und zu den Mägden geflüchtet war und der andere am Boden unweit des Bewusstlosen kauerte, sich den Schädel fasste und ungelenk vom brüllenden Koloss hinfort robbte. Denn jede Faser dessen Körpers sprühte Funkten von Aggression. Wutentbrannt donnerten die Worte des großen Schlägers, sodass selbst die Weißhaarige sie deutlich hören konnte. Scimitar aus dem Fokus holen? Einen Zauber weben und ihm zur Seite stehen um die Gefahr zu beseitigen beseitigen? All das tat Atevora nicht. Stattdessen spitzte sie neugierig die Ohren. Jemanden ausreden zu lassen, so viel Höflichkeit musste jemand mit guter Erziehung schon aufbringen, nicht wahr? Ach verdammt, da sprang ihn der Waschbär schon an!

Voll wilden Mutes, Dummheit, oder der bloßen Taktik den Mann zum Schweigen zu bringen, attackierte Scimitar den Grobian mit Askarton. Krallen zerfurchten die hässliche Visage, und der Stoff riss auf während sich der Waschbär am Gegner festklammerte und mit dem Schwert ausholte. Jedoch – wohl in der Absicht den Mann nicht umzubringen - nicht mit dem spitzen Ende sondern mit dem Schwertknauf. Was war denn das? Etwas glitt gerade zu Boden. Doch Atevoras Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, denn als Dank für den um Untötdlichkeit bemühen Angriff packte der Angreifer Scimitar und schleuderte ihn davon. Dicht segelte das Pelztier an der Magierin vorbei und mit einem dumpfen Geräusch prallte er direkt neben und leicht hinter ihr gegen einen Stützpfeiler um wie ein nasser Sack regungslos am Boden liegen zu bleiben. Schrill füllte sofort Askartons Stimme den Raum und Atevoras Ohren die plötzlich im direkten Blickfeld des wütenden Schlägers stand. Just hatte sie ganz andere Sorgen als das am Boden liegende Schriftstück, oder den kampfunfähigen Pelzhaufen leicht versetzt links hinter ihr. Instinktiv hob sie sofort die Hände, bereit sich zu verteidigen, da stürmte schon ein blinder Retter vor. Im wahrsten sinne des Wortes, und er trug den Namen Athain, der wild seinen Zweihänder wirbelte! Schlag um Schlag rauschten auf den Koloss nieder dem nichts anderes übrig blieb als rasch davor zurückzuweichen. Ein Hieb, noch ein Hieb, unfähig die eigene Waffe rechtzeitig zu heben und den Angriff zu parieren.
Plötzlich öffnete sich die Tür. Endlich. Dachte sich die Magierin bei sich, als die die gerufene Stadtwache in den Raum drang.

Rasch waren die Kampfhandlungen unterbunden und jeder der sich davon stehlen wollte rigoros abgefangen! Hervorragend. Jetzt konnte sie sich auch um den Brief kümmern der am... nanu wo war er denn hin? Hatte er nicht vorhin noch dort geleigen. Oh, Cai stand nun in der nähe. Hat er ihn vielleicht.. Moment, wie war das? Alle verhaftet? Da kam doch tatsächlich jemand mit Fesseln auf sie zu! Wie .. unerfreulich. >“Ihr habt den Kommandant gehört. Hände vor strecken.“< Bellte ihr einer der Gardisten im resoluten Befehlston entgegen, der keine Widerrede zuließ. Etwas das Atevora nicht einschüchterte. „Ich bin sehr froh, dass ihr hier seid!“ Ihr Gesicht war freundlich die Augen strahlte den Mann mitte Dreißig und Dreitagesbart direkt an und auf ihe Lippen schenkten ihm ein duftiges Lächeln, sodass die Worte nicht unglaubwürdig wirkten. „Ich hab sofort nach Euch, also der Garde schicken lassen als die Schlägerei los ging.“ Die Worte und die liebe Miene zum bösen Spiel verfehlte nicht ihre Wirkung, denn die Härte wich aus der Haltung des Gegenübers und er ließ schon deutlich die Fesseln sinken. Sie konnte auch erkennen wie seine Augen nun genauer die Kleidung und die Symbole darauf inspizierten. Dämmerte es ihm erst jetzt, dass er es mit einer Magierin zu tun hatte bei der es fraglich war wie nützlich die Fesseln wären? Der Gardist wollte eindeutig etwas sagen, und die Gräfin konnte sich nur zu gut denken was. „Ich begleite Euch natürlich gerne auf die Wache für eine Zeugenaussage! Es muss schließlich alles seine Rechtmäßigkeit haben!“
Von der Ankunft der Stadtwache bekam Scimitar nichts mit. Die Landung an der Stützsäule war von einem lauten Rums begleitet worden und Askarton war ihm in hohem Bogen aus der Hand geglitten. Im Gewühl hatte das Schwert einen Tritt abbekommen und war unter eine der Bänke geschlittert, die nahe der Schank standen … natürlich nicht ohne dabei ein lautstarke Schimpftriade loszulassen. >Unförmiger Höhlentroll<, >Minderbemittelter Orkstinker<, >Sabbernder Gobblinknutscher< oder >Rotärschiger Schattenpupser< waren noch die harmloseren Ausdrücke, mit denen die Umstehenden oder eher Trampelnden und Kämpfenden bedacht wurden. Eben betrat die Stadtwache den Wichtel und so schnell wie die Prügelei begonnen hatte, endete sie auch. >Hey ihr uniformtragenden Witzfiguren wir sin …< >Halt die Klappe, du dämliches Stück Stahl!< Lisbeth hatte das großmäulige Schwert im Kleinformat in einem unbeobachteten Moment unter der Bank hervor geholt und unter ihre Schürze gesteckt. >Wenn du so rumbrüllst, endest du in den Laboratorien der Magier und die zerlegen dich in deine Einzelteile. Also sei still wenn dir was an deinem Stahl liegt!< Unauffällig schob sich die Schankmagd hinter den Tresen, wo sie Askarton unter der Schank verschwinden ließ. Ihr Blick suchte seinen Besitzer aber der Waschbär war noch bewusstlos. Eben zogen zwei der Wachen ihr auf die Beine.

>Hey, wem gehört dieser wandelnde Flohteppich?<
>Keine Ahnung, wusste gar nicht, dass Haustiere hier erlaubt sind!<
>Du Trottel, das ist Scimitar Racoonis, der sprechende Söldnerwaschbär. War in der letzten Zeit erstaunlich friedlich der Kerl, dachte schon er hat seinen Pelz durch das Sternentor in eine andere Welt verfrachtet und mischt dort auf.<
>Tja, zu früh gefreut, der Zeckentransporter bleibt uns wohl noch erhalten.<
>Hört auf zu quatschen, stecken wir ihn und seine Kumpel in eine Zelle. Und den Rest der Bagage in eine andere, keine Lust dass die sich die ganze Nacht weiter anpöbeln und beflegeln. He du …<

Der Kommandant winkte einen der Wachbeamten zu sich. >Kümmer dich um die …. Lady!< Mit diesem Worten wies er auf die Magierin, die ihm eben zu verstehen gegeben hatte, dass sie gewillt war, eine Aussage zu machen.

Von all dem bekam Scimitar nichts mit und das war wohl auch gut so, denn bei Bezeichnungen wie ‚Flohteppich‘ oder ‚Zeckentransporter‘ stießen bei ihm in der Regel nicht auf besonders große Gegenliebe. Auch der Weg in die Kaserne, die neben den Amtsräumen der Wache auch das Gefängnis beheimatete, blieb in seeliger Dunkelheit. Scimitar hatte ja einen Dickschädel, aber eine Kollision mit einer massiven Holzsäule, die darauf ausgerichtet war, eine ebenso massive Decke zu stützen war dann doch etwas viel. Und so kam er erst wieder zu sich, als die Wache ihn und die anderen in eine Zelle verfrachtet hatten.

Das erste, was der Waschbär mitbekam, waren nicht etwa Geräusche, nein es war ein seltsam aufdringlicher Geruch, der in seine empfindsame Nase stieg. Seine Nase wackelte und nur zwei Augenblicke danach musste er niesen. Und nochmal. Und nochmal. Was zum verdammten Schattenarsch? Mit einem entnervten Stöhnen öffnete er die dunklen Knopfaugen und sah sich der weißen Magierlady gegenüber, die eben mit sanften, aber kalten Fingern irgendein Zeugs auf sein Ohr schmierte. Eben jenes Zeugs, was diesen seltsamen Geruch verströmte. Zu allem Überfluss ruhte sein Kopf in ihrem Schoß! Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte Scimitar nichts dagegen gehabt, in den Händen einer schönen Frau zu liegen und sich mit einfühlsamen Fingern verwöhnen zu lassen aber im Moment … Mit einem Geräusch, das zwischen Knurren, Quitschen und Fauchen lag, fuhr er in die Höhe und schnellte auf die Beine. Entgeistert sah er sich um. „Wo zum dreimal verfluchten Orkhintern sind wir hier?“ Hektisch sah er sich um. Die Magierin saß mit unterschlagenen Beinen am Boden und sah ihn mit einem Blick an, den er nicht deuten konnte. Die beiden anderen, die Drachenreiter, lümmelten im selben Raum herum. „Kann mir einer erklären, was hier los ist?“
Athaín zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen. Natürlich. Die Stadtwache. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis diese Institution auf den Plan treten würde, denn schließlich war man hier in Accipetris. Dennoch war der Moment irgendwie ungünstig. Es war ihm gerade gelungen den Kleiderschrank mit entschlossenen Hieben gegen die Wand zu drängen und ihn mittels Klinge an der Kehle dort festzunageln. Eigentlich eine gute Postition um Antworten zu erhalten, aber nicht wenn gerade unzählige genagelte Stiefel im Stechschritt in den Raum stürmten, um der energischen Forderung des Hauptmanns kettenrasselnd Nachdruck zu verleihen. Verdammt! Hätten die sich nicht noch ein bisschen Zeit lassen können? Die hatten es doch sonst nicht so eilig irgendwo mitzumischen...

Widerwillig ließ der Halbdrache von seinem Gegner ab und senkte das Schwert, als es ihm auch schon aus der Hand geschlagen und seine Arme unsanft auf den Rücken befördert wurden, um dort mit stabilen Ketten gesichert zu werden. Anscheinend wollte man kein Risiko eingehen. "He! Sachte, ich bin zartbesaitet", knurrte er mit deutlich ironischem Unterton, was die Wachen allerdings nicht sonderlich beeindruckte. Die machten Dienst nach Vorschrift. "Klappe halten", versetzte einer, während der andere das Schwert aufhob und hämisch durch die Zähne pfiff: "Eine Drachenklinge! Die Aufbewahrung wird teuer, das weißt du?" Athaín brummte leise. "Was sonst? Ihr Bürokratenärsche lasst euch ja sogar das Furzen extra bezah --- He!"

Ein kräftiger Stoß beförderte ihn in Richtung der Tavernentür, wo zufällig gerade eine Säule im Weg stand. Da der Dachenreiter ihr weder ausweichen, noch mit gefesselten Händen etwas dagegen unternehmen konnte, krachte er mit dem Gesicht dagegen, was wohl ein nettes Veilchen hinterlassen würde. "Hmpf! Welchen Teil von Zartbesaitet habt ihr Dumpfnasen nicht verstanden?" brummte Athaín und spuckte ein wenig Blut auf den Dielenboden, bevor er einen weiteren Stoß kassierte und scheinbar nun bei den anderen Festgenommenen stand, denn das Kettenrasseln wurde lauter und er hörte eine sehr bekannte Stimme sich lautstark beschweren.

"Alles in Ordnung, Kleiner?" erkundigte er sich bei seinem Schwingenbruder und grinste schief. Aus der Platzwunde an der Oberlippe sickerte ein wenig Blut. "Die Herrschaften hatten anscheinend einen schlechten Morgenschiss..." "KLAPPE!" kam es nochmal nachdrücklich von hinten, was das Grinsen allerdings nicht vollständig aus dem Gesicht des Drachenreiters wischen konnte. Sie hatten die Kerle ganz schön aufgemischt, er war zufrieden. Auch wenn das wahrscheinlich wieder eine Menge Ärger geben würde, womit er weniger zufrieden war. Aber daran ließ sich jetzt ohnehin nichts mehr ändern. "Weißt du was mit dem vorlauten Pelztier ist?" fragte er diesmal gedämpfter. "Hab nichts mehr von ihm gehört, seit er vorhin an mir vorbei geflogen ist. Die Landung klang ziemlich holprig."

Was er indes mitbekommen hatte, war die Unterhaltung der Wachen, denen der Waschbär anscheinend kein Unbekannter war. Außerdem hatte diese andere Stimme - das sprechende Schwert? Sachen gab es... - diverse unflätige Schimpftiraden von sich gelassen, bevor sie irgendwann verstummt war. Was damit geschehen war wusste Athaín nicht, aber wenn die Wachen seiner habhaft geworden wären, hätten sie sicher auch darüber blöde Bemerkungen gemacht. Wahrscheinlich hatte sich jemand anders erbarmt. Auch dass sich die Magierin einen schlanken Fuß machte und zur Zeugin avancierte, schnappten die feinen Ohren des Halbdrachen beiläufig auf. Nun, böse sein konnte er ihr deswegen nicht. Wäre er klein und zierlich gewesen, hätte ein liebliches Stimmchen und Brüste besessen, hätte er das ziemlich sicher auch versucht. Aber er war der baumlange Kerl mit dem Schwert, es bestanden wenig Chancen sich auf diese Weise rauszuzwitschern. Also würde es wohl wie immer laufen.

"Vorwärts! BEWEGUNG!" Gehorsam setzte sich die Prozession in Gang und wurde unter lautem Hallo, dem Bewerfen mit faulem Obst sowie auch Hurra-Schreien durch die Gassen der Stadt hinüber zum Bau gebracht. Hier und da lächelte aus der Menge ein junges Mädchen, denn junge Mädchen hatten zuweilen eine romantische Schwäche für böse Jungs. Vor allem Caius kam in den Genuss dieser Aufmerksamkeit. Junge Mädchen mochten nämlich vor allem süße böse Jungs. Der Bau. Die zweite Heimat von Schuldnern, Dieben, Huren, Falschspielern und sonstigen Ganoven, die hier einige Zeit in zugigen Zellen bei Wasser und Brot zubringen durften, um sich zu bessern - oder auch nicht.

Die Teilnehmer der Gasthaus-Schlägerei bekamen eine geräumige Gemeinschaftszelle, in der sich außer ihnen nur noch ein alter Säufer aufhielt, welcher in vollgepissten Hosen tief und fest seinen Rausch ausschlief und dabei zum Steinerweichen schnarchte. Ansonsten waren sie für sich. Immerhin die Fesseln wurden ihnen abgenommen, sodass sie sich relativ frei bewegen konnten. Sie waren ja vorerst nur... ehrenwerte Gäste.
Hätte er sich die ganze Szenerie als unbeteiligter Beobachter angesehen, hätte er wohl herzlichst über das ganze Schauspiel gelacht. Aber so waren es seine Hände die ihm auf den Rücken gekettet wurden und es waren seine Schwerter, welche die Wache mit einem breiten und vor allem gehässigen Grinsen vom Boden auflas ”Schau mal, da haben wir gleich noch zwei!”er hatte gerade den Mund aufgemacht, um eine pampige Antwort zurückzugeben, aber Athaín war schneller und zahlte natürlich auch gleich den Preis für seine aufmüpfigen Antworten. Cai verzog in Mitleid und Ärger das Gesicht, als sein Schwingenbruder ungebremst gegen die Säule krachte. “He! Sucht ihr euch immer die Gegner erst wenn sie schon in Ketten liegen?” immerhin waren diese ehrenwerten Hüter von Recht und Ordnung erst reichlich spät auf den Plan getreten, nämlich erst nachdem ein großteil des Kampfes schon wieder zum erliegen gekommen war und die meisten Schläger schon Stöhnend auf dem Boden lagen. Sowas war einfach nur bequem und feige.
Auch er wurde grob in Richtung Türe gestoßen, wo Lisbeth ihm einen kurzen aber besorgten Blick zuwarf, während sie das sprechende Schwert des Waschbären unter ihrer Schürze verschwinden ließ. Cai konnte auch nur leicht mit den Schultern zucken und ihr ein hoffentlich entschuldigendes Lächeln schenken.

Dann hatte man Athaín neben ihm aufgestellt und Cai ließ ein kurzes Lachen hören “Mir gehts gut, ich seh immer noch besser aus als du. Und das klingt mir eher nach akuter Verstopfung. Deswegen sind sie wahrscheinlich auch erst so spät hier aufgeschlagen.“
Er duckte sich rasch vor einem erneuten Stoß weg und taumelte stattdessen, wegen mangelnden Gleichgewichts gegen die Wand, bevor er sich wieder gefangen hatte. ”Klappe!” schnauzte ihnen die Wach dann dennoch hinterher.
“Scimitar liegt hinter dir.” auch er senkte unwillkürlich die Stimme ein wenig, während er die Frage seines Freundes beantwortete “Der wurde vorher glatt ausgeknockt und hat sich seitdem nicht mehr gerührt! Und… Lisbeth hat sich um Askarton gekümmert!” fügte er schließlich noch leiser hinzu, denn die Wachen sollten nicht auf den falschen Gedanken kommen, dass ihnen jemand durch die Lappen ging.

Es dauerte ohnehin seine liebe Weile, bis die Wachen es geschafft hatten alle wieder einigermaßen mobil zu machen und in Ketten zu legen und Cai musste mit einem zufriedenen Lächeln feststellen dass ihre Gegner wirklich deutlich schlechter aussahen als sie selbst. So war der ganze Ausgang der Situation zumindest noch mit einem hämischen Grinsen zu ertragen, auch wenn man sie alle mit Handschellen in die selbe Ecke neben der Türe getrieben hatte.
Er war jedoch trotzdem leise überrascht und auch irgendwie enttäuscht, als er bemerkte, dass sie Magierin sich gerade wieder aus der Sache herausredete und sich selbst lieber als Zeugin positionierte, die natürlich und sehr gerne mitkommen würde um Aussage zu machen. Geschickt gemacht, das musste man ihr lassen und ja, nagut… wer konnte es ihr denn verübeln?

Schon wenige Schritte aus der zerstörten Taverne hinaus, wurde im klar, dass er es hasste so vorgeführt zu werden. Dafür brauchte es nicht erst die überreife Quitte, welche ihm von links gegen den Kopf knallte und süßlich pickige Schlatze hinterließ. Denn es hatten sich doch ein beträchtlicher Haufen an Menschen gesammelt um jubelnd oder auch wüst schimpfend zuzusehen, wie man sie zum Gefängnis trieb. “Das… ist als hätten wir irgendwen wichtigen umgebracht! Haben wir doch nicht, oder?” rief er seinem Schwingebruder über das getobe der Menge zu, bevor er den Abstand wieder vergrößern musste um einem niedrig fliegenden Kohlkopf auszuweichen, der stattdessen seinen Hintermann traf.
Er musste jedoch auch überrascht feststellen, dass sich in der Menge auch das eine oder andere Mädchen drängelte, dass nicht mit Obst schmiss, sondern eher aufreizend Lächelte oder sogar etwas sehr viel Bein zeigte, während sie ihn anlächelten. Denn ja, sie lächelten ihn an! Und Cai grinste natürlich nur zu gerne zurück, weil winken gerade leider nicht drin war.
Nagut… vielleicht war es doch nicht ganz so schlimm…

Die Zelle war dafür alles andere als gut ausgestattet, wenn man einmal von dem besoffenen kerl mit den vollen Hosen absah…
Atevora kam dann sogar zu ihnen in die Zelle damit sie sich um den immer noch bewusstlosen Waschbären kümmern konnte. Dieser blieb jedoch unter ihrer fachkundigen Behandlung nicht lange im Reich der Träume, sondern schnellte wie von der Viper gebissen aus ihrem Schoß in die Höhe.
“Drei mal darfst du raten, mein Freund!” antworte Cai auf Scimitars Frage, welche wahrscheinlich ohnehin nur rhetorisch gemeint waren. “Nachdem du ausgenockt wurdest, hat es nicht mehr lang gedauert bis die Stadtwache auf dem Plan stand und uns höflich gebeten hat mitzukommen.” Sarkasmus tropfte aus jeder Silbe die er aussprach, während er bereits unruhig in der Zelle auf und ab schritt. “Und wir sind jetzt Gäste im städtischen Gefängnis bis wir uns entweder selber freikaufen können, oder uns wer auslöst…” und bis die Nachricht über dieses unrühmliche Ereignis sich bis zum Drachenfelsen verbreitet hatte konnte es seine Weile dauern. Vor allem weil Gavron sich sicher Zeit lassen würde, bis er sie hier raus holte.Seufzend verschränkte er die Arme vor der Brust und dabei knisterte Papier unter seinem Hemd. Achja richtig, da war ja noch was! “Ich hab hier übrigens noch was! Den Brief hier, hat unser riesiger Freund aus der Taverne verloren, nachdem Scimitar ihn so heldenhaft angesprungen hat!” und mit einer flinken Bewegung holte er den mittlerweile leicht zerknitterten Brief wieder unter seinem Hemd hervor.

Atevora

Als sie aus der Taverne heraustraten, wartete schon die sensationssüchtige gierige Meute. Sie hatte sich hervorragend positioniert um den Männern einen wundervollen Spießrutenlauf zu garantieren. Natürlich durfte dazu auch allerhand an Wurfgeschoßen nicht fehlen mit denen sie sich ebenfalls ausgerüstet hatten. Vorzugsweise bestanden diese aus fauliger Tand der sonst über den Inselrand geschmissen wurde.

Innerlich atmete die Magierin auf und war äußerst froh darüber, dass sie sich als Zeugin zu platzieren vermochte und nun frei neben den Gardisten gehen konnte. Dieser Art flankiert vom Kommandeur, ohne jeglichem unfreiwilligem Handgeschmeide, sah es eher so aus als würden ihr die Gardisten Geleitschutz geben, was womöglich auch zu einem gewissen Teil der Fall war, denn ihre Ausstrahlung hinderte die Menschenmenge maßgeblich daran eines der faulen Obst und Gemüsestücke in ihre Richtung zu schmeißen. Der Pferdefuß an der Geschichte: Sie trafen um so zielsicherer die Meute hinter ihr, also auch Athain und Caius. Wobei hier fairer Weise erwähnt werden musste, dass die Magierin weder die angeknackste Würde noch der bekleckste Stolz der Drachenreiter kümmerte. Stattdessen unterhielt sie sich mit dem Kommandanten. Nach ein paar ausgewählten honigsüßen Worten, die das Vorgehen der Garde und ihr effektives Einschreiten lobten, lenkte sie das Gespräch in eine etwas andere Richtung.

Der Kommandant hatte ihre Worte eindeutig zur Kenntnis genommen und ihre vormaligen Tischgenossen in einer Arrestzelle weit ab von den Tavernenschlägern untergebracht.
Als Atevora selbst die Zelle betrat, schlug ihr sogleich ein äußerst stechenden Odeur entgegen und das empfindliche adelige Näschen rümpfte sich sofort ob der Geruchsmarter. Ob es nur ihr so erging? Sie konnte keine entsprechende Regung bei Athain, oder Caius erkennen, die es sich bereits in der Zelle 'bequem' gemacht hatten. Jedenfalls so gut es den Beiden möglich war. Der hoch gewachsene Augenbindenträger blutete übel aus einer Schnittwunde und eine Platzwunde zierte die verführerisch blassen Lippen, die an diesem Tag so unanständig derbe Sprüche geklopft hatten, sodass die Erbgräfin heute bereits einmal das Bedürfnis überkam sie für immer zunähen zu wollen. Im Moment waren sie zum Glück geschlossen und der Mann erweckte insgesamt nicht den Eindruck, dass er jeden Moment aufgrund zu hohen Blutverlustes umkippen würde. Sein Freund, dieser Caius wirkte ihm entgegen einigermaßen unverletzt und Beide ignorierten offenbar geflissentlich den schnarchenden Besoffenen, der Zweifels ohne die Hauptquelle der hier vorherrschenden äußerst fraglichen Geruchsnuancen war.

Auch den Waschbären hatten sie in die Zelle verbracht, wo er weiterhin ohnmächtig mit dem Fellgesicht nach oben zeigend, lag. Wie nachlässig. Dachte sich die Magierin mit einem Kopfschütteln und seufzte dabei missmutig. Es musste sich nur Blut ob einer Wunde im Rachenraum sammeln, oder das Wesen brauchte sich nur wider Willen in seiner Besinnungslosigkeit erbrechen, und es würde in dieser Position daran ersticken. Der Blutende muss warten. Beschloss sie. Keinesfalls würde sie das Risiko eingehen und zulassen, dass ihr Objekt des Interesses hier in der Zelle verreckte!

Sie schenkte Caius ein grüßendes Nicken und hielt anschließend auf den Waschbären zu, legte ihre Tasche auf den Boden und kontrollierte ob sich etwas im Mundraum des Kopfgeldjägers angesammelt hatte. Nein, die Atemwege waren frei. Soweit sogut. Waren auffällige Verletzungen zu sehen? Nein. Keine offenen Brüche, und keine maßgeblichen Wunden außer der kleinen am Ohr waren zu erkennen. Die Magierin betastete nun den Kopf – und erfühlte eine sich klar ausbildende Beule. Wenig verwunderlich.. Wie gefährlich das stumpfe Trauma wohl war? Weiter befühlte sie die Arme, und Pfoten sowie den Brustkorb und konnte auch hier keine deutlich offensichtlich verschobenen gebrochenen Knochen bemerken. Was nicht viel bedeutete, denn die Knochen waren klein, lagen eng beieinander und waren durch die Kleidung und das Fell darunter schlecht zu ertasten. Mal ganz davon ab, dass sie nicht viel Erfahrung mit Wachbäranatomie besaß. Und wenn hier von nicht viel gesprochen wird, ist natürlich gemeint: Gar keine.

Gut möglich war obendrein, dass der Waschbär innere Verletzungen besaß die Lebensbedrohlich werden könnten. „Schaun wir mal ob Mister Flauschefell schwere innere Verletzungen hat.“ Zu wem sprach sie dies? Zu sich selbst? Den Drachenreitern? Freilich letzteres, und das natürlich zu dem Zwecke die Beiden zu informieren was sie hier trieb und vor hatte. Wer wusste schon auf welche Ideen dieser Heißblütige und von jugendlichen Hormonen getriebene Jungspund, oder der unhöfliche bleiche Flegel kommen könnten. Sie hatte weder Lust auf Schelte noch auf Prügel, und dem Waschbären war damit obendrein eben so wenig geholfen wie ihr. Glücklicher Weise zeigten die Beiden Herren keine Anzeichen sie ob ihrer Handlungen Lynchen zu wollen, und so holte sie einen Stift, ihr Notizbuch und ein in Leder eingebundenes Büchlein aus ihrer Tasche hervor. Wie gut, dass sie daran gedacht hatte ein paar Verbandsmaterialien, Wunden reinigende Flüssigkeit, Salben, Nadel und Gespinnstspinnenseide, und das kleine Büchlein mit einigen nützlichen Zaubern mitzunehmen. Auf letzterem stand mit prägend tief gerillten Lettern „Medicus enim ad minima” und darin begann die Gräfin auch gleich in gekonnter Strebermanier zu blättern. Ah, da ist die Formel.. oder doch lieber die? Sie musste den Zauber nur angleichen an.. nun, ein Tier? Er war schon sehr humanoid wirkend für ein Tier.. Nachdenklich kräuselte sich die weiße Stirn. Vielleicht nur geringfügig abwandeln? „Et corpus animalis..“ Hörte man sie grüblerisch murmeln, ehe der silberne Griffel beschwingte Striche zog und mit adretten Schleifen und Bögen zierliche Letter malend über das Papier ihres Buches tanzte. Kritisch beäugte die Magierin ihr Werk. „Hm. Probieren geht über Studieren.“ Scimitar, ihr armes willenloses Versuchskaninchen für magische Wundensuche und Wundenstopferei bei teilhumanoiden Tierwesen.

Der Zauber gelang .. einigermaßen. Hinter geschlossenen Augen offenbarte er ihr überall wo sie ihre Hände über den Körper glitten, was sich darunter an Verletzungen verborgen hielt. Für Prellungen ein Hauch von Gelb, für Zerrungen ein schrilles Grün, dort eine Blutansammlung im Gewebe aus Rissen in klarem Cyan. Keine erheblichen, oder? Es war alles verschwommen, irgendwie unklar, fragmentiert und obendrein, was wusste sie schon von Waschbäranatomie? Die Rübe hatte aber selbst für eine Unkundige wie sie erkennbar deutlich gelitten. Eine saftige Prellung des Hirngewebes, eine so genannte Gehirnerschütterung, die sicherlich auch die Quelle der Ohnmacht war, doch immerhin keine erkennbaren Gerinnsel oder andere Flüssigkeitsansammlungen. Jedenfalls vorerst. Was Atevora ebenfalls feststellen konnte: Das Tier war womöglich durch eine starke Ansammlung von Magie verändert worden, doch es befand sich kein gefährlicher Funke in ihm.

Das Söldnerpelzkneul konnte sich nicht wehren, als die Magierin ihn sacht zur Seite in eine stabilere Lage drehte, und anschließend beinahe schon sanft und liebevoll den Nacken streckte und den Kopf auf ihren Schoß bettete um die Wunde am Ohr auszuwaschen. In Gedanken tief in ihre Arbeit versunken, bemerkte sie nicht, dass die Nase des Waschbären verräterisch zuckte, und auch nicht, dass sich die Augen unter den Lieder bewegten, als sie das Döschen mit einer heilenden Salbe aus ihrer Tasche holte um sie aufzuschrauben. Plötzlich schlug Scimitar die Lieder auf und starrte sie aus großen dunklen Augen entsetzt an. Ein grausiger Laut schlug ihr entgegen als Scimitar in die Höhe fuhr. Phu, da hatte sich die Gräfin gerade erschrocken, wie ein entsprechendes Zucken der Muskeln und ein angehaltener Atem eindeutig Kund tat. Glücklicherweise ging ihr das Verletzte Tier weder an die Kehle, noch begann es ihr die Augen auszukratzen. Damit bewies er abermals, dass er sich weit besser in Griff hatte als jedwedes Tier. „Herr Racoonis.“ Begann sie in gewählt ruhigem, und vielleicht etwas reserviert kühlen Tonfall. “beruhigt Euch. Ihr habt eine Gehirnerschütterung erlitten. Als eure vorübergehende Ärztin verordne ich euch viel Wasser zu trinken“ Das war so richtig, oder? Bei Schädel Hirn Trauma viel Wasser trinken.. Ja, doch, sie war sich ziemlich sicher. Jedenfalls bei Menschen und Elben. Aber bei magisch modifizierten Waschbären? Ach, es wird schon passen. Mit dem Gedankengang langte sie wieder in ihre liebe Umhängetasche und zerrte ihren Wasserschlauch hervor um ihn demonstrativ auf den Boden zu legen und wegzustoßen. Mit einer schwungvollen Bewegung, schlitterte der Schlauch vor des Nagers Füße: „UND Ruhe, also: Setzt euch besser hin.“ Hatte sich noch was vergessen? Da war noch etwas wichtiges. Was war es nur? - Ah, ja genau: „Bitte.“
Ihr Tonfall war ernst, bestimmend und bar jeden Mitgefühles. Man könnte meinen sie dulde keine Widerrede, doch im Grunde war es ihr egal ob Scimi ihrem Ratschlag nachkam. Er würde ohnehin sehen was er davon hatte, wenn nicht.

Verständlicher Weise war das Nächste das der Waschbär mittels äußerst zotiger Ausdrucksweise wissen wollte, wo zum Gesichtslosen er sich gerade befand. Caius war schneller als sie mit seiner Antwort. Ob das 'Mein Freund' wohl genau so sarkastisch gemeint war wie das 'drei mal darfst du raten'? Sie fühlte sich beinahe schon bemüßigt das Wort wieder an sich zu reißen und dem Waschbären eine adäquat sachliche Aussage und Darstellung zu präsentieren. Doch dann erklärte der Drachenreiter die Lage doch noch verständlich und zufriedenstellend und die Magierin begann stattdessen nebenher ihre Tasche wieder einzuräumen bis Caius die Zukunftsaussichten zur Sprache brachte. Die Gräfin beobachtete Scimitars Regung dabei äußerst genau. Womöglich hatte sie dem Waschbär ein Angebot zu unterbreiten.
Auch zu diesem seltsamen Athain glitt ihr Blick, doch die Augenbinde verhinderte einen Großteil des Minenspiels zu lesen. Die Körperhaltung sprach jedenfalls nicht von einer Ode der Freude oder Behaglichkeit. Letzteres könnte jedoch auch an den Verletzungen liegen, denn die Magierin registrierte, dass die Wunde noch immer nicht aufgehört hatte zu bluten. „Athain? Richtig? Eure Schnittwunde blutet noch immer.“ Das klang doch sogar besorgt. Wäre es verwunderlich? Wenn hier auch noch ein Drachenreiter aufgrund zu hohen Blutverlustes umkippte würde die gesamte Angelegenheit und damit der restliche Tag noch komplizierter werden. „Die Blutung gehört mindestens gestillt. Ist es euch Recht wenn ich mir eure Verletzungen ansehe und sie versorge?“ Jedenfalls so gut ihr möglich ist. Sie hoffte inständig er würde gefallen an dem Angebot finden, und wenn nicht, nun, als ob sie sich davon abhalten ließe sich noch mehr Nervendiebstahl und mehrseitige Berichtschreibung zu ersparen.

„Ah, ihr habt das Schriftstück aufgesammelt? Als es fort war, hatte ich mir schon gedacht ich hätte es mir einbildet, dass ihm etwas aus der Tasche geglitten war. Steht etwas interessantes drinnen?“
Scimitars Knopfaugen huschten von einem zum anderen während er sich mit der Pfote über den schmerzenden Hinterkopf fuhr. Eine ansehnliche Beule zierte selbigen. Misstrauisch schielte er zur Magierin hinüber, die aber ihre, in seinen Augen zu neugierigen Finger, aber nun bei sich ließ und ihm nur gut gemeinte Ratschläge erteilte. Und ihm einen Wasserschlauch zuschob. Prüfend schnüffelte er daran, konnte aber nichts Verdächtiges feststellen. „Danke!“ knurrte er und nah einen großen Schluck. Caius, der rothaarige Jungspund erklärte ihm indessen mit einem sarkastischen Unterton, den nur der größte Idiot überhören konnte, was während seines Blackouts alles passiert war und wo sie sich befanden. „Na toll! Das hat mir ja grad noch gefehlt! Verdammter Dreckstag wirklich!“ Sein Kopf brummte nach wie vor und entgegen seines Vorsatzes, den starken Waschbären zu geben, folgte er dem Ratschlag Atevoras und hockte sich auf deinen Hintern. Dabei bemerkte er, dass Askarton nicht da war. Ohoh …. War sein nervender, quasselnder, stählender Kumpel etwa in der Waffenkammer der Stadtwache? Oder gar schon in den Händen der magischen Akademie? Aber auch seine Messer fehlten. Vorsichtig sah er sich um, wagte seine Mitgefangenen nicht nach dem Verbleib des Schwertes zu fragen, wer wusste schon wer aller mithörte.

Atevora hatte, sehr zu Scimitars Erleichterung, ihre Fürsorglichkeit mittlerweile dem langen Elend von Drachenreiter zugewandt und erklärte ihm gerade die Notwendigkeit seine Schnittwunde zu versorgen. Gleichzeitig stopfte sie ihr Zeugs wieder in ihre Tasche. Und dann kam die Rede auf etwas, was ihn seine Pelzohren spitzen lies: Schriftstück? Wollten die das jetzt wirklich hier und jetzt erörtern wo sie nicht wissen konnten wer noch in der Nähe war. Ihre Zelle war die hinterste im Gang, das bedeute, dass von einer Seite kein Lauscher zu befürchten war aber … „Moment noch!“ Unterbrach er Caius, der eben den Brief unter seinem Hemd hervor fischte.

Mit einer waschbärmässigen Variante eines Stöhnens rappelte er sich hoch und stiefelte zum anderen Ende der Zelle. Dabei untersuchte er vorsichtig den Rest seines Schädels, nicht dass ihm einer der verlausten Ganoven von vorhin ein Stück Pelz raus gesäbelt hatte. Den Göttern sei Dank war dem auch nicht der Fall. Auch die Kerbe an seinem Ohr hatte mittlerweile aufgehört zu bluten, würde aber wohl bleiben. Gab ihm aber vielleicht eine verwegene Note, mitunter könnte das auf die Frauen sogar attraktiv wirken. Apropos Frauen … „Hey Lotti!“ In der Zelle nebenan bewegte sich eine Frauengestalt, die sich als Hure mit ansehnlichem Vorbau, welcher nur mal gerade eben von Stoff bedeckt war, und einem knackigen Hinterteil herausstellte.

>Scimi, Flauschebärchen! Was machst du denn hier? Hattest du deine Pfoten an Orten wo sie nicht hingehören, du unartiges Tierchen?<
„Alles nur ein Missverständnis, meine Schöne. Meine Freunde hier und ich sind die Guten, haben wir doch die Ehre einer Dame verteidigt. Aber was machst du denn hier?“

Lotte zuckte die Schultern, was zur Folge hatte, dass ihre Brüste beinahe aus der Korsage hopsten. „Bin genauso ein Opfer der Umstände mein Süßer. Woher konnte ich denn ahnen, dass der gutaussehende Mann ein Abgesandter des Königs war. Dann hätte ich nicht so … vehement, nachdrücklich, … nach meiner Bezahlung verlangt. Wollte mich doch tatsächlich um meinen Lohn prellen.“ Die Hure zog einen Schmollmund. Scimitar kannte Lotte, war er doch bei der Hure untergekrochen, bevor er Lisbeth kennengelernt hatte und von ihr sozusagen in bessere Gesellschaft gebracht worden war.

„Nachdrücklich .. ich schätze du hast dich nicht mit Worten begnügt.“
>Ähmmm naja nicht ganz …vielleicht habe ich … ein wenig nachgeholfen also ich meine …hey das ist harte Arbeit , wenn du wüsstest was die Kerle so alles wollen. Ich könnte euch Geschichten erzählen. Also erst letzte Woche …<
„Ein ander‘ Mal, tut mir leid Lotte. Aber du musst was für uns tun.“
>Und was?<
„Nichts Schlimmes, du sollst nur Augen und Ohren offen halten und uns Bescheid geben, wenn wer kommt.“
>Was springt für mich raus?<
Scimitar verdrehte die Augen, war ja typisch. Das Argument mit der guten Tat brauchte er gar nicht erst zu bringen, dafür war Lotte zu sehr Geschäftsfrau.
„Ein Essen im Tanzenden Wichtel?“
>Nur Bares ist Wahres<
„Geiziges Miststück … na gut, fünf Kupferstücke.“
>Zehn.<
„Nicht gierig werden … sieben!“
>Selber Geizkragen … na gut! Meine Ohren und Augen sind euer!<

Und schon hielt ihm die Hure die Hand unter die Nase. Seufzend pfriemelte der Waschbär aus einer verborgenen Innentasche die Münzen. Da ging der letzte Rest seines Auftrags beim Kaufmann flöten.

>Besten Dank!< Und schon stolzierte Lotte mit wackelndem Hinterteil an die andere Seite ihrer Zelle. Scimitar kehrte mit einem resignierenden Seufzer zum Rest der Truppe zurück. „Was ist mit dem Suffkopf, ist der dicht genug um nichts mitzubekommen?“
Das Erste was Athaín ungenehm in die Nase stieg, als er mit einem groben Stoß in die Zelle befördert wurde, war ein durchdringender Gestank, der nicht von den matschigen Kohlblättern und faulen Äpfeln stammte, die er auf dem Weg hierher abgefangen hatte. Der Halbdrache brummte missvergnügt. Pisse. Viel Pisse. Dazu drangen tiefe Schnarchtöne an sein Ohr. Sie waren nicht allein. Während sich die Magierin, die sich auf dem Weg hierher bei den Wachen eingeschmeichelt hatte und vermutlich wie eine Königin eskortiert worden war - gesehen hatte Athaín es selbstredend nicht, konnte es sich aber denken - um den ohnmächtigen Pelzträger kümmerte, machte sich der Drachenreiter daran die Zelle abzuschreiten, um die Quelle des Gestanks und Geschnorchels auszumachen. Aus der Wunde an seinem Oberarm sickerte immer noch Blut, der Stoff des Ärmels klebte nass und unangenehm kalt auf der Haut. Wahrscheinlich würde sie genäht werden müssen. Ansonsten schien er außer Prellungen und oberflächlichen Kratzern, sowie einer aufgeplatzten Oberlippe aufgrund eines zu großen Mundwerks - es entbehrte nicht einer gewissen Ironie - nichts abbekommen zu haben. Wobei Nichts natürlich relativ war, aber immerhin hatte er die Zelle nicht in der Horizontalen betreten müssen.

Da. Sein Fuß stieß gegen etwas Weiches. Hier war eindeutig die Quelle des Gestanks und der Schnarchtöne. "Hmpf. Heda Freund! Zeit zum Aufstehen!" Der Drachenreiter schob den Stiefel seitlich unter den Körper um ihn herumzudrehen. Der Kerl grunzte und murmelte Unverständliches, schien sich aber durch die unsanfte Behandlung nicht weiter stören zu lassen, denn er schnarchte unverdrossen weiter. Sogar lauter als zuvor. Gleichzeitig stieg nun zusätzlich zu dem penetranten Pissegeruch eine Wolke von Qualm und billigem Fusel in die Nase des Halbdrachen, der vergeblich versuchte das Odeur zu vertreiben indem er mit der Hand vor seinem Gesicht wedelte. Schließlich wandte er sich brummend ab und stiefelte zurück in den etwas weniger stinkenden Teil der Zelle, wo gerade der Waschbär kreischend aufgewacht war und dem Tönen nach umher rannte als hätte man ihm Hummeln in die Hosen gefüllt, begleitet von lautstarkem Gefluche. Caius übernahm es, sich seiner zu erbarmen und ihn über den derzeitigen Aufenthaltsort aufzuklären. Praktischerweise verriet der Kleine dadurch seinen Aufenthaltsort, sodass sich der Hellhaarige schließlich neben ihm am Gitter herunterrutschen ließ, um auf dem harten Boden Platz zu nehmen. "Ein Brief?" Athaín wurde hellhörig. Tatsache. Er war sich in dem allgemeinen Tohuwabohu nicht sicher gewesen, aber jetzt wo Cai es ansprach... Er hatte auch gemeint etwas Raschelndes zu Boden flattern zu hören. Der Jüngere hatte also die Gelegenheit beim Schopf gepackt und es aufgesammelt. "Gut gemacht, Kleiner! Was steht drin?" Das wollte scheinbar auch die Magierin wissen, die sich just wieder in Erinnerung brachte und dem Vernehmen nach neugierig heran kam.

Bevor der Rotschopf jedoch mit der Sprache herausrücken konnte, fühlte sich der Waschbär bemüßigt sie zum Einhalten aufzufordern. Man hörte ihn zum Gitter trappeln und einige Worte mit einer weiblichen Person wechseln, die - dazu musste man angesichts des Gesprächsverlauf kein Genie sein - recht eindeutig dem horizontalen Gewerbe nachging. Anscheinend stellte sie aber auch noch andere Dienste zur Verfügung, und das nicht billig. Während die beiden verhandelten, wurde Athaíns Aufmerksamkeit jedoch anderweitig in Beschlag genommen, weshalb er nicht mehr mitbekam wie der Waschbär und die Bordsteinschwalbe handelseinig wurden. Er hatte natürlich keine Ahnung wieviel Frau Magistra tatsächlich vom Quacksalbern verstand, und er wusste auch nicht was genau ein Schädel-Hirn-Trauma war. Er kannte wohl Schädelbrummen wenn man eins über die Rübe bekommen hatte, welches zuweilen auch einherging mit Übelkeit und Schwindel. Aber ihm hatte noch nie jemand verordnet in diesem Zustand viel Wasser zu trinken. Höchstens mit dem Arsch im Bett zu bleiben und Pülverchen zu schlucken, von denen man müde wurde. Aber was wusste er schon...

Auf jeden Fall bot sie ihm ihre Hilfe beim Versorgen der Fleischwunde an seinem Oberarm an. Das konnte nicht verkehrt sein, zumal diese immer noch langsam aber stetig blutete. Es handelte sich, soweit zu erkennen war, um einen klaffenden Schnitt, der sich wahrscheinlich nicht von selbst schließen würde, vor allem wenn man auch noch damit herum rannte. Verbluten würde man wohl nicht daran, aber die Gefahr einer Wundinfektion bestand durchaus. Zumal die Umgebung vom Zustand Sauber weit entfernt war. Athaín nickte bedächtig, da er die Notwendigkeit durchaus einsah. Das Zwitscherstimmchen klang sogar besorgt. "Habt Ihr Nadel und Faden dabei? Und vielleicht etwas Alkohol?" Na, ob die feine Lady einen Flachmann mit sich spazieren führte? Man würde sehen. Bevor die Sache jedoch ausdiskutiert werden konnte, kam ein seufzender Waschbär zurückgeschlichen. Die geschäftstüchtige Dame schien eine harte Verhandlungspartnerin gewesen zu sein. "Wir hätten auch einfach flüstern können", brummte der Drachenreiter halblaut und zuckte dann mit den Schultern bei der Frage, was mit dem besoffenen Kerl war. "Er stinkt jedenfalls als hätte man alles was unten rausgekommen ist, vorher oben eingefüllt", tat er das Ergebnis seiner Untersuchung kund, die - aus verständlichen Gründen - nicht besonders akribisch ausgefallen war.
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