Lost Chronicles

Normale Version: [BEENDET] Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich, wirf Äpfel über mich
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Die letzten Tage waren nicht unbedingt schön gewesen. Niemand hatte sich zu ihm gesetzt, weder um sich auszuruhen, noch um etwas zu lesen. Kein Mensch war hier her gekommen, sondern war nur den Weg um den Teich herum gefolgt. Nicus war sehr enttäuscht gewesen, doch nachdem auch am dritten Tag nichts geschehen war, hatte er sich zur Ruhe begeben und war in einen tiefen Schlaf gefallen. Aus diesem würde er nur erwachen, wenn er sich in Gefahr befand oder einfach so, ohne ersichtlichen Grund. So wie Menschen nach einem Nickerchen wach wurden, einfach so, ohne von jemandem geweckt zu werden.

Nicus blinzelte innerlich und gähnte laut und herzhaft, auch wenn es keiner sehen konnte, da er als Baum am Teich stand. Er spürte, dass es nieselte und schüttelte flüchtig seine Blätter, ähnlich wie ein Hund dies bei nassem Fell tun würde. Es hörte sich jedoch so an, als würde ein Windstoß durch seine Blätterkrone rauschen. Dann schärfte er etwas träge seine Sinne, schließlich hatte er lange geschlafen und bemerkte nun, dass er einen kleinen Gast hatte. Ein flauschiges Tier! Der Ent freute sich, hatte er doch noch nie so ein Wesen gesehen. Trug er etwa Kleidung?

Allerdings… war das da ein Schwert, welches er in seinen Pfoten hielt? Nicus neigte sich noch etwas weiter vor. Da! Das Tier hatte gesprochen! Und er klang nicht gerade freundlich. Moment. Das war gar nicht das Tier, es hatte sein Maul gar nicht bewegt. Interessiert lauschte er dem Gespräch oder war es etwa Gesang? Er konnte es nicht so genau sagen, es klang anders und ungewohnt. War das Tier ein Magier? Dann erklang eine andere Stimme und dieses Mal kam es von dem kleinen Bär, den er als solchen zu erkennen glaubte. Er sah ihn nur nicht so gut, weshalb er aus lauter Neugierde seine Augen im Stamm erscheinen ließ. Ja, jetzt konnte er ihn gut erkennen und er sah auch, dass das Tier sein Schwert ansah, wenn es sprach. Wieso? Aufgeregt raschelte es in der Baumkrone.
>Hört ihr Leut' und laßt euch sagen
Euer Stündlein hat geschlagen
Was kann schöner sein, als ein Söldnerschwein zu sein

Was kann schöner sein im Leben
Als zu nehmen statt zu geben
Was kann schöner sein, als ein Söldnerschwein zu sein.<*

„Askarton, halt dein verdammtes Schandmaul!“ Scimitar bereute es zum gefühlt fünftausenddreihunderteinundneuzigsten Mal, das Schwert mit Öl eingerieben zu haben, um sich die Jammerei zu ersparen, die es gegeben hätte, wenn er mit einem nüchternen Askarton ins Gefecht gezogen wäre. Ein Gefecht, das in dieser Form nicht stattgefunden hatte. Er war von einem Bauern engagiert worden, seinen Hühnerstall zu bewachen, da er seinen Nachbarn im Verdacht hatte, seine Hühner zu stehlen. Und zwar nicht persönlich sondern durch gedungene Strauchdiebe, die er mit seinem Stock aus dem Hintergrund antrieb. Die beiden alten Tattergreise stritten sich wegen allem und jedem, Grenzsteine, das Geschrei des Esels, die Zweige des Kirschbaumes … es verging kein Tag, wo sie sich nicht in Haare und Bärte bekamen. So saß Scimitar also in einem Hühnerstall zwischen gackerndem Federvieh während draußen der Regen plätscherte (und durch ein Loch im Dach auch im Stall) und Askarton lallte ob des Schwertöls vor sich hin. Das wäre ja noch zu verkraften gewesen, wenn wenigstens eine zünftige Keilerei dabei heraus geschaut hätte. Aber der oder die Hühnerdiebe waren weder der Nachbar oder irgendwelche Spießgesellen sondern ein Fuchs, der durch ein Loch in der hinteren Wand gekrochen kam. Der Rote starrte den Waschbären an, der sich einem Instinkt folgend, auf die Pfoten plumpsen lies und selbigen anknurrte. Das war diesem dann zu viel und der Fuchs nahm Reißaus. Und der Bauer knauserte schließlich auch noch mit der Belohnung, weil es ein Fuchs war und nicht der Bauer, der aber sicher den Fuchs in den Stall gesetzt hatte. Und das solle er beweisen, wenn er Geld sehen wollte. Als ob ein gichtiger, streitsüchtiger Alter, der ohne seinen Stock keine fünf Schritt weit kam, einen wilden Fuchs hätte einfangen können. Das war dann doch zu viel. Und zu allem Überfluss war Askarton schwer besoffen und sang lauthals und sehr falsch vor sich hin.

>Ich singe wann und wie ich will.
Geld nehm' ich auch von den Armen
Kann mich ihrer nicht erbarmen
Was kann schöner sein, als ein Söldnerschwein zu sein

Doch hab' ich auch Stolz und Ehre
Als wenn ich von Adel wäre
Was kann schöner sein, als ein Söldnerschwein zu sein.*<

Den Bauern hatte er stehen lassen, pfeif auf die Belohnung, der Zwist der alten Streithähne ging ihm auf die Nerven. So viel konnten sie ihm gar nicht zahlen, um sich das anzutun.  Da verließ er sich lieber auf seine tierischen Instinkte um zu überleben. Eben gelangte Scimitar an einen Teich. Der Nieselregen reichte bei weitem nicht, um das Schwertöl wieder von der Klinge zu spülen. Und nachdem er das Gegröle leid war, wurde Askarton einfach im Teich abgewaschen. Das reichte um das selbigen auszunüchtern … inklusive der zugehörigen miesen Laune. >Du verlauster Flohteppich! Das … war…kalt! Du kannst mich doch nicht einfach in einen Teich stecken, ich meine ich werde rosten! Und was hättest du getan wenn die Fische mich angenagt hätten! Ich hätte schartig werden können! < „Bitte stell dich nicht so an! Du bist ein magisches Schwert, du rostest nicht und schwartig wirst du auch nicht. Das hat jedenfalls die Fee damals beschworen! Und seit wann nagen Fische an Stahl? Haben doch keine Zähne …“ Jedenfalls glaubte er das. Die Baumkrone, unter der sie standen, raschelte und Scimitar stutzte. Es ging doch gar kein Wind. Und waren die Äste zuvor nicht weiter weg gewesen? Misstrauisch nahm er den Baum in Augenschein …. und landete vor Schreck auf dem pelzigen Hinterteil. Da … waren … Augen … im … Stamm. Askarton war in der Wiese gelandet und lamentierte erneut herum, dass er durch das nasse Gras Rostflecken bekommen würde. Aber Scimitar beachtete sein Schwert nicht. Ungläubig rieb sich der Waschbär die schwarzen Knopfaugen, blinzelte und rupfte sich sogar ein Haar aus dem Schwanz. AU! Er schlief definitiv nicht und der Baum hatte definitiv Augen! Und einen Mund, der sich eben vor seinen Augen unter diesen herausbildete.

Manch andere wäre jetzt wohl schreiend davon gelaufen aber Scimitar wäre nicht Scimitar, wenn die Neugierde nicht obsiegen würde. Vorsichtig, den hölzenen Gesellen nicht aus den Augen lassend, rappelte er sich hoch und näherte sich vorsichtig dem Baum. Zur Sicherheit lockerte er eines der Messer an seiner Weste, lies es aber dort stecken. Vorsichtig stupste er die Rinde mit der Pfote an. Fühlte sich nach Baum an. Die Augen des sehenden Baumes verfolgten jede seiner Bewegungen. „Wer … oder was bist du?“ fragte der Waschbär.

*Die Streuner, Söldnerschwein
Der junge Ent wurde aus seinem dösenden Zustand herausgeholt, als ein Tier an den Teich kam und irgendwas machte. Da er es nicht so genau erkennen konnte und sein Geist noch schläfrig war, bildeten sich seine Augen im Baumstamm und die konnten auch weiter nach oben und rundherum wandern, wenn er wollte. Nun konnte er erkennen, dass das Tier mit kurzem Fell etwas im Wasser des Teichs wusch. Was ihn aber noch mehr wunderte war die Tatsache, dass es auf zwei Beinen lief. Denn so viel wusste er, Tiere machten das nicht. Außerdem hatte er Gesang gehört, keinen lieblichen, sondern einen seltsamen. Solche Lieder kannte er auch nicht. Aber sicher war sich der Baum nicht, es war so leise gewesen, aber näher gekommen. Wenn er die Augen schloss, waren sie nicht mehr zu sehen, aber das tat er nicht, er beobachtete das Tierchen.

Er grinste innerlich, denn irgendwer bezeichnete das Tier als Flohteppich und so stellte er sich vor, wie ganz viele von diesen winzig kleinen Tieren auf dem Fell des anderen Tieres liefen. Doch plötzlich sprach der kleine Bär mit 'Maske' um die Augen. Nicht nur, dass das Schwert sprach, sondern nun auch noch das Tier! Nicus war so verblüfft und neugierig, dass er sich etwas zu ihnen rüber und runter neigte. Ein magisches Schwert. Es konnte nicht rosten und das Bärchen lag ganz richtig, Fische nagten nicht. Außer es waren diese Fische, die Fleisch fraßen, die nagten dann sogar. Solche hatte er sogar schon gesehen. Seine Blätter raschelten, weil er seine Äste und sein Haupt bewegt hatte und der Bär schaute ihn an und ihre Blicke trafen sich.

Die Reaktion war so lustig, dass sich sogar Nicus Mundschlitz bildete, der sich so weit verzog, dass es nach einem Lächeln aussah. Es war wirklich eher ein Schlitz, denn Lippen besaß er nicht. Es war sehr niedlich, wie der kleine Kerl sich die Augen rieb und so verzog Nicus sein Gesicht zu einem gutmütig-belustigten Ausdruck. Doch seine Augen wurden größer, vor Verwunderung, da sich das Tier ein Haar aus seinem buschigen Schwanz herauszog. Das musste doch wehtun! Leicht besorgt bewegte er einen Ast nach vorn, hielt aber inne, bevor er ihn tröstend berühren konnte. Er hätte es getan, aber er war dann doch etwas zu weit weg.

Dann kam er aber auf ihn zu, vorsichtig und der Ent hielt neugierig still, schaute ihn an. Das Messer interessierte ihn nicht, störte ihn auch nicht, sah er darin noch keine Gefahr oder generell eine. Es raschte wieder in der Baumkrone bei dem vorsichtigen Stupsen gegen seinen Stamm und er sah ihn wieder belustigt an. Es kitzelte. Er musste überlegen, auch wenn er die Sprache kannte und verstand, er hatte noch nie in ihr gesprochen. Also öffnete er den Mundschlitz und gab ein hohl und hölzern klingendes Geräusch von sich. Dann hustete er und krächzte etwas, während er leise antwortete: „Ich bin Nicus.“ Dabei klang er auch noch ganz stolz, weil er es ganz bestimmt richtig gesagt hatte. „Du bist.. ein sprechendes Tier, Nicus.“ Auch auf diese Aussage war er reichlich stolz, glaubte er doch genaustens zu wissen, was sein Gegenüber war und er hatte es ganz allein erkannt!
Eigentlich war seine Frage nach dem wer und was seines Gegenübers rein rhetorischer Natur gewesen, doch der Baum antwortete tatsächlich. Seine Stimme passte, klang sie doch wie das Knarzen der Äste im Wind. Nicus … so stellte er sich vor. Damit war die Frage nach dem wer mal geklärt. Das ‚Was‘ blieb der Baum aber schuldig. Gut, er war ein Baum, das war offensichtlich, aber bei den Altvorderen seit wann konnten Bäume sprechen …. und die Äste mehr bewegen, als der Wind es tat? > Du bist.. ein sprechendes Tier, Nicus.< „Waschbär. Ich … ich bin ein Waschbär. Und mein Name ist Scimitar.“ Warum der Baum seinen Namen hinter den Satz gestellt hatte, war ihm nun nicht klar, aber er ließ es einmal unkommentiert. Viel mehr interessierte ihn die Tatsache, wieso ein Baum sprechen konnte. Oder war sein Gegenüber etwa gar kein Baum? Unauffällig schnupperte Scimitar, aber er witterte nichts Ungewöhnliches. Also kein getarnter Magier, der ihm an den Pelz wollte. Der Nieselregen hatte sich mittlerweile in richtigen Regen gewandelt, und da die Krone des Baumes die Nässe abhielt, näherte er sich etwas weiter. Jedenfalls wollte er das, aber eine quengelige Stimme hielt ihn davon ab. >Du wirst mich doch wohl nicht im Regen liegen lassen. Bitte nicht, ich will keine Rostflecken. Biiiitttteeee!!!!< Da sich die Tage, an denen Askarton die Wörter ‚Bitte‘ und ‚Danke‘ verwendetet, beinahe an einer Pfote abzählen ließen, stiefelte Scimitrar mit einem Seufzen noch einmal in den Regen, sammelte das Schwert ein und ließ sich sogar herab, es abzuwischen, ehe er es in die Schwertscheide auf seinem Rücken steckte. „Ich sag‘s dir gleich, halt die Klappe! Ich weiß nicht, mit wem wir es zu tun haben und ich hab keine Lust, dass dein Schandmaul uns in Schwierigkeiten bringt. Wenn du dich nicht zusammenreißt, kommst du zurück ins nasse Gras … oder gehst eine Runde schwimmen!“ Ein seltsam erstickt, schockierter Laut war die Antwort, aber Askarton gab – zumindest vorerst - keinen Piep von sich, als Scmitar sich erneut Nicus näherte.

Nahe dem Stamm war das Blätterdach so dicht wie vermutet und kaum ein Tropfen drang hindurch. Der Waschbär ließ sich kurz auf die Vorderpfoten hinab und schüttelte sich kräftig. Die ganze Zeit hatte er dabei das Gefühl, dass der Baum ihn beobachtete. Dann hockte Scimitar sich zwischen dessen Wurzeln, jedoch so dass er dem Baum ins Gesicht sehen konnte. „Das da …“ bei diesem Worten zeigte er über seine Schulter auf das Schwert, „…ist übrigens Askarton. Ich glaube, die felllosen Zweibeiner nennen sowas wie ihn ein Artefakt. Wenn man mich fragt, ist das ein vorlautes, besserwisserisches Stück Stahl. Das allerdings mitunter auch sehr nützlich sein kann!“ >Danke!< Kam von seinem Rücken. Scimitar grunzte. Er würde es niemals zugeben, aber trotz der Tatsache, dass Askarton den Großteil der Zeit eine ziemliche Nervensäge war, mochte er sein Schwert. Außerdem wäre er ohne das Stahlteil nicht der, der er heute war. Wahrscheinlich würde er noch immer mit den Gauklern durch die Lande ziehen. Der Waschbär hatte den Baum keinen Moment aus den Augen gelassen. Sah er richtig, lächelte dieser etwa? Die Begegnung wurde immer wundersamer aber auch interessanter. „Wurdest du auch durch einen magischen Unfall so wie du jetzt bist? Weil ich hab noch nie einen sprechenden Baum gesehen …“ Sein kleines Herz schlug ihm bis zum Hals. War da vielleicht noch ein Wesen, das einzigartig war? Es war nicht so wie er, aber Einzigartigkeit wäre eine Gemeinsamkeit. Vor Aufregung stellten sich seine Haare im Nacken auf.
Eine gestellte Frage war dazu da um beantwortet zu werden, nicht wahr? Ja. So sah der Ent das und deshalb würde er auch eine Frage antworten, die da lautete: ‚Sag mal, bin ich blöd?‘. Aber die kam ja nicht, also hatte er sich selbst vorgestellt und dann erkannt, dass das Wesen ein sprechendes Tier war. Er wurde korrigiert und aufmerksam sah er ihn an, blinzelte neugierig und lächelte dann etwas. „Du bist ein Waschbär, Nicus. Und Skimmita ist dein Name, Nicus.“, wiederholte er und lächelte noch etwas mehr. So würde er sich das besser merken können, wenn er es selbst aussprach. Sein Lächeln hatte etwas Ruhiges an sich, so als wäre er zufrieden mit sich und der Welt und das war er auch.

Nun regnete es und Nicus wurde einmal mehr von dem sprechenden Schwert abgelenkt, welches nicht im Gras liegen bleiben wollte, wegen den Rostflecken. Die Stimme war quengelig, aber das machte nichts, Nicus bewegte seine Augen und so entging ihm nicht, wie der Waschbär die Waffe aufhob und mit ihm zurückkam. Er wischte es sogar ab.
Allerdings schimpfte Skimmita mit dem Schwert, es solle die Klappe halten und es hätte ein Schandmaul und es würde sie beide in Schwierigkeiten bringen. Der Ausdruck vom Baumgesicht war neugierig und überlegend zugleich. Aber erst als der Waschbär zurück war und sich geschüttelt hatte, sprach er wieder. Aber er sprach mit dem Schwert und nicht mit Skimmita. „Wieso ist er gemein zu dir, Nicus?“ Die dunklen Augen des Ent sahen zum Rücken des Tieres und somit zum Schwert.

Der Waschbär setzte sich zu seinen Wurzeln und Nicus bewegte seine Äste noch etwas mehr, so dass ein so dichtes Blätterdach über ihm entstand, dass kein Regentropfen mehr durchkam. Freudig nahm er das Wissen auf, welches ihm das Tier mit dem Fell verriet. Er hatte noch nie Fell von so nahem gesehen und hätte es gern angefasst. „Askatong ist ein nützliches Artefakt, Nicus. Es ist selten, Nicus?“, fragte er neugierig nach und wusste mit einem Artefakt nichts anzufangen. Es war nur ein neues Wort für ihn.
„Ein magischer Unfall, Nicus? Wir gehen nicht von zu Hause fort, Nicus. Man sieht uns nicht, Nicus.“, lächelte er und um das zu beweisen, verschwand sein Gesicht, nachdem er die Augen geschlossen hatte. Er wirkte nun wie ein ganz normaler, wenn auch sehr großer, Baum. Dessen Äste seltsam hingen, geballt an einer Stelle. Der Ent sah Skimmita jedoch noch immer, in seinem Geiste. Jetzt wo er so nahe war, konnte er auch auf diese Weise alles ‚sehen‘.
Das Baumwesen strahlte eine Ruhe aus, die Scimitar gefiel. Und die Neugierde, die Nicus an den Tag legte, war nicht aufdringlich, wie er es schon so oft erlebt hatte, sondern wirkte ehrlich interessiert. Sogar Askarton, der sonst zumeist wirklich schlechtes Benehmen an den Tag legte, antwortete höflich, aber wie immer auch ein wenig angeberisch, als der Baum ihn ansprach: >Nicht wirklich gemein, ich meine ich werde versorgt, getragen und nicht nachgeschliffen und bekomme Schwertöl … auch wenn es mehr sein könnte. Aber Scimitar weiß halt ob seines einfachen Waschbärgeistes noch nicht, wie sehr solch ein wertvolles und seltenes Schwert wie ich gewürdigt sein will.< Wäre selbiges zu Mimik fähig, würde es nun wohl höchst überheblich dreinschauen. Scimitar rollte mit den Augen und knurrte leise vor sich hin. Verdammt, da war ihm das Rumrüpeln und Fluchen des Schwertes ja noch lieber, als diese Starallüren.

Den Altvorderen sei Dank interessierte sich der Baum aber mehr dafür, was ein Artefakt war, als über den doch rauen Umgangston zwischen Bär und Schwert weiter nachzudenken. „Ja das stimmt schon, die meiste Zeit ist Askarton sehr nützlich und selten ist er auch. Ich habe keine Ahnung, ob noch ein weiteres Schwert oder eine andere Waffe existiert, die wie er ist. Ich weiß auch nicht, wo er genau herkommt, er hat es mir nie verraten. Ich habe ihn vor einigen Sonnenumläufen beim Würfelspiel in einer Dorfschenke von einer Fee gewonnen.“ >Den Altvorderen sei Dank! Das Feendings hatte keine Ahnung, lies mich meist in einem Sack stecken und Schwertöl gabs auch nie!< mischte sich der Gegenstand der Unterhaltung ein. Die Ermahnung, still zu sein, hatte, wie so oft, nur wenige Momente gehalten. „Danke übrigens!“ Scimitar wies mit der Pfote nach oben auf das nun undurchdringliche Blätterdach. „Feuchter Pelz ist wirklich nicht sehr angenehm!“ >Man sieht uns nicht …< Uns … also gab es mehr wie ihn. Kurz klappten Scimitars Ohren nach unten. Aber schnell war der Anflug von Enttäuschung überwunden und die Neugierde hatte wieder die Oberhand. „Uns? Wer seid ihr? Und es gibt mehr von euch?“ Suchend sah sich der Waschbär um. Die anderen Bäume rund um den Teich und auch in einiger Entfernung sahen eigentlich aus wie, … naja wie Bäume halt. Und auch in den Wäldern hatte er noch nie einen Baum gesehen, der sprechen konnte. „Wo ist denn dein Zuhause? Hier?“ Auch wenn der Baumkerl, der nun bewies, dass man ihn wirklich nicht sehen konnte, wenn er es wollte, gesagt hatte, sie gingen nicht von zu Hause weg, konnte Scimitar beim besten Willen nicht glauben, dass Aitheria die Heimat dieses … ja wie bezeichnete man seine Art eigentlich? .. war.

Augen und Mund waren nun wieder weg, nur Rinde überzog den Stamm. Vorsichtig krabbelte der Waschbär noch näher heran, bis er nur mehr eine Armlänge entfernt war. Aber beim besten Willen konnte er nichts Anderes erkennen als Rinde. Zögernd hob er die Pfote und tippste vorsichtig an den Stamm, an jene Stelle, wo eine Nase gewesen wäre. Er wollte Nicus ja nicht ins Auge fahren und er war sich nicht sicher, ob er ihn nicht in den Finger beißen würde, wenn er unverhofft die Pfote in den Baummund legte. Er fühlte nur Rinde. Hatte er sich das alles etwa gerade eingebildet? Nein, das konnte doch nicht sein. „Was bist du?“ fragte er erneut.
Simnicus richtete seine Frage direkt an das erstaunliche Schwert und merkte nicht einmal, dass es den Waschbären am Ende seiner Antwort wieder beleidigte. Er merkte auch nicht, dass es angab. „Also ist Schwertöl wichtig für dich, Nicus?“ Was hatte es damit auf sich? „Bekommen nur wertvolle und seltene Schwerter so etwas, Nicus?“ Er musste einfach weiter fragen, denn Schwertöl kannte er nicht. Aber immerhin hatte er schon Schwerter gesehen.
Äußerst aufmerksam hörte er dem felligen Gesellen zu und raschelte ein wenig mit den Blättern, als Skimmita eine Fee erwähnte. Nicus mochte Feen. „Wieso hast du mit Würfeln gespielt, Nicus?“ Das verstand er nicht. Was waren überhaupt Würfel? Die dunklen Augen sahen vom sprechenden Tier zur sprechenden Waffe und Nicus verstand nur, dass die Fee etwas falsch gemacht hatte, aber nicht so wirklich was an dem Sack so falsch sein sollte.

Der Ent sah mit seinem inneren Blick dort hin, wo die Pfote hinwies und sein Mundstrich verzog sich so gut es ging zu einem Lächeln. „Mache ich gern, Nicus. Ich weiß, andere Wesen mögen keinen Regen, Nicus.“
Als die Ohren des pelzigen Wesens nach unten hingen, bewegte Nicus einen kleinen Ast und bewegte diesen langsam zu dem Fellohr hin, damit er dagegen stupsen konnte. Er hatte gar nicht gewusst, dass es so beweglich war. Die Menschen konnten das nicht. Feen und Elfen auch nicht. „Ja, wir sind sehr viele, Nicus.“ Der Ent war etwas überfordert, wenn er mehrere Fragen gestellt bekam. Zumindest wenn er sich nicht konzentrierte und das tat er nicht, weil er immer noch das Ohr berühren wollte und sich darauf konzentrierte näher zu kommen.

„Wir haben eine Reise gemacht, Nicus. Von unserem sumpfiger Welt in eine andere, Nicus. Ich bin verloren gegangen, Nicus.“, antwortete er noch, ehe er Skimmita zeigte, dass er verschwinden konnte, dass man ihn nicht mehr sah. Der junge Ent lächelte innerlich und beobachtete den Waschbären mit seinem geistigen Blick. Währen dieser näher kam, bewegte er sich vor Spannung nicht, obwohl ein Windzug eigentlich seine Blätter hätte bewegen müssen.
Dann spürte er die Pfote an seinem Stamm und nun raschelte seine Blätterkrone vergnügt. Er ließ seinen Mund etwas seitlicher entstehen und antwortete: „Ich bin ein Ent, Nicus.“ Er wusste es nicht, doch es gab hier und da noch jemanden, der sich an die uralten Geschichten erinnerte, als die Ents sich gezeigt hatten um andere Völker kennenzulernen.
„Schwertöl ist eher wichtig für mich. Askarton hat … nun ja, gewisse Probleme im Kampf. Das Öl hilft ihm, diese zu bewältigen.“ Scimitar war stolz darauf, sich so vage und höflich gegenüber dem Schwert ausgedrückt zu haben. „Schwertöl benötigen, soweit ich weiß, die meisten Waffen. Aber ich bin kein Experte!“ Nicus war an allem interessiert und der Waschbär, ansonsten eher ein schweigsamer Geselle, genoss das Gespräch irgendwie. Wohl, weil er instinktiv merkte, dass dem Baumwesen keinerlei List innewohnte und die Fragen ehrlichem Interesse und Wissbegierde entstammte. „Zweibeiner treffen sich, meist in Tavernen, und in solchen Runden wird auch gespielt, mit Karten oder eben mit Würfeln. Es gibt verschiedene Spiele, aber gemein ist eigentlich allen, dass es einen Einsatz gibt. Der Verlierer muss dem Gewinner seinen Einsatz geben.“

Von einem Volk, das sich Ents nannte, hatte Scimitar noch nie gehört und er lauschte interessiert den Ausführungen des Baumwesens über dessen Herkunft. Um ihn besser zu verstehen, stellten sich seine pelzigen Ohren wieder auf und stießen an das Ästchen. Das war doch vorhin noch nicht da gewesen? Aber wenn ein Baum Augen und Mund bilden konnte, dann konnte er wohl auch seine Äste bewegen. Zumal er sich sicher war, dass der Mund des Baumes zuvor weiter drüben gewesen war. Scimitar schielte zu dem Ästchen, das knapp über seinem Ohr hing. „Du kannst mich gerne anfassen, hier hinter dem Ohr ist es besonders schön!“ Scimitar legte den Kopf schief, um dem Ent selbiges hinzuhalten. Es war nur ein Verdacht aber die meisten Wesen wollten sein Fell berühren. „Kannst du mir etwas über euch Ents erzählen? Ich habe noch nie von euch gehört. Von welcher Welt seid ihr denn gekommen?“ Das Nicus verloren gegangen war, stimmte Scimitar nachdenklich. War er in gewisser Weise nicht auch verloren gegangen? Nach dem magischen Was-auch-immer hatte er sich auch verloren gefühlt und manchmal tat er es noch immer. Seine Gedanken wurden unterbrochen, allerdings nicht von den Worten des Ents sondern … von seinem knurrenden Magen. Frühstück war nun ja schon ein Weilchen her und Mittags hatte er nichts gefressen.
Nicus überlegte und das sah man ihm auch an, trotz der Tatsache, dass sein Gesicht nicht für eine feine Mimik geschaffen war, besonders dann nicht wenn er keinen Kopf hatte. „Ein Schwert ist für den Kampf geschmiedet, Nicus. Warum hat es Probleme, Nicus?“ Fragend schaute er den Waschbären an, es lag nichts Hinterhältiges oder Gemeines in seinem Blick. Er verstand einfach nicht, warum eine Waffe im Kampf Probleme hatte. Dafür war sie gemacht worden, so hatte man es ihm gesagt und sogar noch mehrere Waffen aufgezählt. Dann fügte er stolz hinzu, weil er glaubte Bescheid zu wissen: „Alle Waffen aus Metall brauchen Öl, Nicus.“

Während er Neues erfuhr galt seine gesamte Aufmerksamkeit dem sprechenden Tier. Es war gar nicht einfach für ihn sich auf zwei Dinge zu konzentrieren. Einmal auf die Erklärung von Skimmita und dann darauf heimlich einen kleinen Ast nach ihm auszustrecken, damit er sein nach unten hängendes Ohr berühren konnte. Kurz hielt er inne, dachte nach und dann lächelte er für einen Moment mit seinem Mundschlitz. „Das bereitet bestimmt Vergnügen, diese Spiele, Nicus. Was hättest du geben müssen, wenn du verloren hättest, Nicus?“ Je mehr er sprach, desto besser konnte er sich ausdrücken. Und er freute sich darüber, dass er eine so tolle Frage stellen konnte und vor allem die Konstellation der Wörter auch begriffen hatte.

Dann erzählte er von den Ents und auf einmal hingen die Ohren nicht mehr herunter. Ertappt sah er den Waschbären an, da dieser seinen Zweig entdeckt hatte. Was nicht schwer gewesen war, schließlich war sein Ohr dagegen gestoßen. „Ich darf, Nicus?!“, freute er sich und schon bewegte er den dünnen Ast etwas auf und ab und stupste damit gegen das Ohr. Kraulen konnte er so nicht, aber er rieb ein wenig daran herum, es war eher eine Art Kratzen. Das Fell wollte Nicus jedoch gar nicht – also noch nicht – berühren, er war begeistert von dem sich bewegenden Ohr und auch fasziniert. So fasziniert, dass er Skimmita zunächst gar nicht hörte. Sollte er seine Frage noch mal wiederholen, würde er ihm auch darauf antworten.

Simnicus konnte sich Stunden lang mit ein und demselben beschäftigen und jetzt war es eben das linke Ohr des kleinen Bären. Bis er das seltsame Geräusch hörte. Der Setzling stutzte und betrachtete das fellige Wesen genauer, dann erinnerte er sich und lächelte. Er hatte das Geräusch schon einmal gehört, nur lauter. So zog er den Zweig zurück und stattdessen senkte er einen großen starken Ast, hielt ihn etwa einen halben Meter vor dem Waschbärengesicht und ließ ihn erblühen.
Es dauerte ein wenig doch die Blüte änderte sich, der dicke Ast trug nun einen winzig kleinen Apfel, dem man beim Wachsen zusehen konnte. Nicht einmal zwei Minuten und er war groß geworden. Eine Seite grün und säuerlich, die andere rot und süß, aber beide saftig. „Du musst essen, Nicus. Sonst hört das Geräusch nicht auf, Nicus.“, lächelte er und wackelte ein wenig mit dem starken Ast, so dass der Apfel kurz hin und her schwankte und dann herab fallen würde.
>Weil ich es einfach nicht leiden kann, von irgendwelchen grobschlächtigen, womöglich schartigen Stahldingern verhauen zu werden. Ich meine, ich bin ein seltenes, kostbares Artefakt. Wie schön wäre es doch, in einem herrschaftlichen Haus an der Wand über dem Kamin zu hängen und sich in gediegener Gesellschaft zu unterhalten. Oder an der Seite eines Edelmannes in Paradeuniform durch die Strassen einer großen Stadt zu defilieren. Oder mit solch einem Gentleman um die Gunst einer holden Schönheit zu kämpfen … < Askarton beantwortete selbst die Frage nach seinen ‚Kampfproblemen‘ und erging sich dabei in wilden Tagträumen. Zum Glück wurde seine Stimme dabei immer leiser, sodass Scimitar davon absah, darauf einzugehen. Für einen Waschbären hatte es ja die richtige Länge aber ein langbeiniger Zweibeiner würde Askarton kaum als Schwert bezeichnen. Und um die Gunst einer Dame kämpfen, das war das Lachhafteste, was er je von seinem Artefakt gehört hatte. Aber im Gegensatz zu heute Morgen hatte der Waschbär gute Laune, die neue Bekanntschaft gefiel ihm und so war er geneigt, die großspurigen Äußerungen zu übergehen. Nach Streit war ihm nämlich überhaupt nicht. Und der Ent schien sich mit seiner Erkenntnis, dass Waffen aus Metall Öl brauchen, zufrieden zu geben. Das Schwert war zu sehr in seine Träume versunken, als dass es seine Wünsche nach hochprozentigem Schwertöl erklären und womöglich kundtun könnte, was ein seltener und angenehmer Zustand war.

Scimitar hielt ganz still, als der Baum mit dem kleinen Ästchen sein Ohr berührte und vorsichtig kratzte. Aber als Simnicus auf seinen knurrenden Magen hin eine Blüte und dann einen Apfel bildete bekam der Waschbär große Augen. Seine Ohren spitzten sich aufmerksam. Das war ja …. magisch. Eigentlich hasste er alles Magische aus der Tiefe seines Herzens aber das war einfach nur … schön und überhaupt nicht beängstigend. Es war Natur, nur einfach in einer viel höheren Geschwindigkeit als normalerweise. > Du musst essen, Nicus. Sonst hört das Geräusch nicht auf, Nicus.< Dabei verzog sich der Baummund zu einem Lächeln, jedenfalls sah es danach aus. Dann bewegte der Ent den Ast, der die Frucht gebildet hatte und selbiger kullerte genau vor Scimitars Pfoten. Vorsichtig nahm er ihn auf. Er roch nach Apfel, genauso wie es sein sollte. „Danke!“ Dann huschte er trotz Regen kurz zum Teich, um die Frucht nach Wachbärart zu waschen und kam dann rasch wieder zurück. Unter dem dichten Blätterdach war es einfach viel gemütlicher. „Ich bin ein Waschbär, immer noch. Und wir waschen unser Futter eben, zumindest wenn es roh ist.“ Manche Instinkte ließen sich einfach nicht ablegen. Zufrieden hockte Scimitar sich wieder nahe dem Stamm hin und biss in den Apfel. „Sehr lecker!“ Genüsslich schleckte er sich die Lippen. Zwischen zwei Bissen wiederholte er seine Frage von vorhin: „Kannst du mir etwas über euch Ents erzählen, von welcher Welt seid ihr denn gekommen? Ich habe noch nie von euch gehört …“ Gespannt sah er den Baum an.
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