Lost Chronicles

Normale Version: BEENDET Der Bär und das Mädchen
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Vergnügt pfeifend schlenderte Scimitar über den Markt. In der Regel mied er die Strassen rund um die Akademie großräumig aber an Markttagen war so ein Gewussel, dass er in der Menschenmenge unter der Aufmerksamkeit des Magiergesocks blieb. Zwar war er in der Stadt schon bekannter, als ihm eigentlich lieb war, aber seine Bekanntheit bezog sich in erster Linie auf Kundschaft (die nicht laut hinausposaunte, wen sie sich für diverse Erledigungen engagierte), die Stadtwache (die ihn im Auge behielt, aber nicht wirklich etwas gegen ihn in der Hand hatte), diverse Gauner und Huren (die die Schatten tun würden ihn wegen irgendwas zu verraten) und einige wenige Freunde (die sich an zwei Pfoten abzählen ließen). Die meisten Zweibeiner sahen auf den ersten Blick ohnehin nur das, was sie sehen wollten und da gehörte ein Waschbär auf zwei Beinen mit einem Schwert auf dem Rücken nicht dazu. Wenn er ihnen also keinen Anlass gab, ihn bemerken zu müssen, sahen die meisten über ihn hinweg und ihre gerade denkenden Gehirne sahen in ihm eine große Katze oder einen Zwerg im Pelzumhang.

Ein schneller Blick nach links, einer nach rechts … sehr gut der Gemüsehändler palaverte gerade mit einer matronenhaften Frau, die um einen Stein Karotten und ein Pfund Zwiebeln zu schachern versuchte. Auch sonst achtete niemand auf ihn. Mit einem verschmitzten Grinsen schlenderte er am Stand vorbei und ließ seine Pfote kurz zur Seite zucken. Eine Birne verschwand in seiner Westentasche und als wäre nichts geschehen, schlenderte er in eine Seitengasse. Hier wusch er in einer Regentonne seine Beute – ganz nach Waschbärmanier. Zufrieden an der Frucht nagend spazierte er am anderen Ende wieder auf den Markt. War er zuvor noch auf jenem Teil des Marktes unterwegs gewesen, auf dem sich Hausfrauen, Dienstmägde und Köchinnen tummelten, war er hier eher in jener Ecke gelandet, in der Ganoven, Huren und sonstige zwielichtige Gestalten ihren Geschäften nachgingen. Die Waren waren von minderer Qualität zu meist überhöhten Preisen und auch das eine oder andere Diebesgut konnte bei einem Hehler erstanden werden … sofern man wusste an wen man sich wenden musste und man keine Angst hatte, eventuell ein Messer an der Gurgel zu haben. Der Übergang zwischen den beiden Marktteilen war fließend und schon manch unvorsichtiger Geselle hatte sich mit einem Mal in den Armen einer Hure gefunden, hinter der ihr Zuhälter mit gezücktem Stahl wartete.

Scimitar wandte seine Schritte wieder in Richtung der hellen Seite. Heute stand ihm nicht der Sinn nach Ärger, zumal er keinen Auftrag hatte, nach irgendeinem Diebsgut oder sonstiger heißer Ware zu suchen. In einer Ecke hatte ein Falschspieler seinen kleinen Tisch aufgebaut und lockte arglose Passanten zum Hütchenspiel. Scimitar rümpfte die Nase. Im Vergleich zu Karten- und Würfelspielen war das ja schon aufgelegter Betrug, ohne jede Finesse. Und nach allen Regeln der Kunst laberte der Mann eben einen hoch aufgeschossenen Jüngling in Grund und Boden und lenkte ihn von seinen Fingern ab. Prompt verlor er. Aber anstatt zu gehen, versuchte er sein Glück nochmal und nochmal und nochmal. Der Waschbär konnte bei so viel Dummheit nur den Kopf schütteln. Schließlich schlich der Junge sich mit hängendem Kopf und um einige Münzen leichter davon. Scimitar juckte es in den Pfoten, den Falschspieler seinen Meister zu zeigen und da er sich nie besonders den pelzigen Kopf darüber zerbrach, ob seine Taten vernünftig waren oder nicht, schlenderte er zum Tisch.

„Meister ich würde gern ein Spielchen wagen!“ Mit dem unschuldigsten Plüschtiergrinsen und unschuldigen Knopfaugen sah er den Mann von unten her an. >Äh…ja … nun … kannst du zahlen? Und ich mein Münzen und keine Früchte oder sonstigen Fresskram. Nur Bares ist Wahres …< Mit großspurigen Sprüchen versuchte er, seine Verwunderung ob eines sprechenden Waschbären zu kaschieren. Mit unverändert unschuldigem Augenaufschlag legt er eine Münze auf den Tisch. Und schon sausten die Hände des Falschspielers über die Becher während er irgendwelche Belanglosigkeiten von sich gab. >Und wo ist die Kugel?< forderte er Scimi schließlich auf, seine Wahl zu treffen. Scheinbar angestrengt dachte dieser nach, tat, als müsste er sich mehrmals umentscheiden, eh er den linken Becher antippte.

„Ich nehm‘ den!“
>Sicher?<
„Ja, ich nehm‘ den da oder doch nicht … oder …nein ich bleib dabei!“
>Wirklich? Letzte Chance …<
„Los, schau nach!“

Nur ein aufmerksamer Beobachter bemerkte, dass den Falschspieler die Gesichtszüge leicht entglitten, denn unter dem eben gelüfteten Becher lag eine rote Kugel. >Der Waschbär hat gewonnen. Eine Revanche?< „Sicher, neues Spiel, neues Glück!“

Und wieder wanderten die Becher über den Tisch und wieder gewann Scimitar. Nur zum Schein ließ er sich vom Geplapper seines Gegenübers ablenken, der zusehends nervöser wurde, sah er doch den Gewinn des Tages nach und nach in der Tasche des Waschbären verschwinden. Nach der vierten verlorenen Runde entfuhr diesem ein wütendes Knurren. >Verdammter Flohteppich, mir scheint du betrügst!< „Ich doch nicht!“ wiedersprach er entschieden. >Weißt du was wir mit Betrügern machen? Das Fell gerben, wärst ein hübscher Umhang für meine Alte!<
Mit boshaftem Grinsen zog er ein Messer aus seiner Tasche. Ups, das war wohl ein Spielchen zu viel gewesen.

Maddie

"Ich höre den Donner... pitter patter..."

Wieder dieser Traum. Wie oft noch? Wie häufig wird es noch kommen, dass sie in einem zeitlosen Mahlstrom ihrer Bettwäsche erwacht. Nassgeschwitzt und kalt. Nackt und mit dem Nachthemd am Fußende? "... gerädert..", krächzte sie hervor und griff nach ihrem Becher Wasser, fasste ins Leere und sah herab auf den feuchten Fleck auf ihrem Teppich ohne Muster. Und als sie beim Aufstehen einen scharfen, sehr irritierenden Schmerz im linken Bein verspürte - also ohne jeden Anlass dazu, nur der Kontakt mit dem Boden - wusste sie ja schon, dass der Tag 'bescheiden' sein würde. Bestenfalls.

Womöglich hätte Maddie es wirklich lassen sollen. Aber wirklich: Sie hatte sich nie die Zeit genommen, das neue Gebiet zu erkunden. Mal richtige Stadtluft zu atmen! Und so, während sie auf den Straßen in der Masse - ziemlich ziellos - mit umher zog, beschlich sie das Gefühl, dass sie auch darauf verzichten könnte. Also. Nicht nur das Gefühl, sondern auch der Gedanke. Und das Einzige was sie so davon abhielt das Vorhaben des Kundschaftens abzubrechen war der Beutel voller Münzen. Ohne Scheiß: So viel Geld hatte sie noch nie bei sich gehabt. Die Art von Unterstützung, die sie vom Hause Achat erhielt war ziemlich ... irritierend. Irgendwie. Was sollte sie überhaupt mit so viel Geld? Ha! Konnte es doch gleich in die Massen werfen! Aber nein, nein. Natürlich hatte sie einen Plan. Und dieser Plan hatte tatsächlich nichts mit einer Taverne, einem Freudenhaus (in dem sie wirklich nichts zu suchen hatte) oder einem Juwelier zu tun. Tatsächlich. Plante sie ihr Geld zu investieren. In Geschenke für ihre Familie. Oder. Eben an die Leute die mal Familie gewesen waren. Denen sie immer noch ab und an Briefe schickte. Ihr Onkel Otto (das war der ehemalige Achat-Gardist) konnte lesen und sicherlich las er es ihnen vor, eh? Nein. So furchtbar war der Tag gar nicht. Sie lehnte sich an die Ecke einer Hauswand und betrachtete das Treiben auf dem Markt mit einer möglichst erwachsenen Mimik. Ihre zotteligen Locken, die saubere Tunika, die sie als Magierin von Achat auswies, der helle Blick... Ja! Sie hatte sich im Spiegel nach der morgendlichen Wäsche gecheckt! Sie sah furchteinflößend aus. Rebellisch! Konzentriert. Stolz! Ein stolzes Mitglied von Achat! "Ey." Eine Stimme, die klang wie das Brechen einer Insel, ertönte rechts von ihr und sie drehte den Kopf dorthin. Sah sich einer Front aus Muskeln gegenüber. Die Augen nach oben richtend... Oh. Das ist sein Bauch. ... sah sie sich einem Koloss von bestimmt dreihundert Steinen gegenüber (ohne zu übertreiben), der einen Schal aus Leichen trug. Aus Leichen in Form von Pelzen von Kreaturen die sie noch nie gesehen hatte, und als wäre das nicht genug, hatte er so eine Axt in einer Schlaufe auf dem Rücken. Eine Axt die in etwa so groß und schwer war wie Maddie im Gesamtpaket.

Als sie ihm nicht antwortete grunzte er einmal unzufrieden aus - sein Atem roch nach Blut - und er hob so die linke Pranke an. "Die hier hat dich beklaut, Kleine Achat.", brummte er und in seiner Hand hing ein junges, schmuddeliges Mädel. In der einen Hand eine Bör- Maddies Börse! Bah! Mein Geld! Und in der Anderen trug's ein Messer. Und dieses fand auf die unerfreuliche Art einen neuen Besitzer im großen Kerl, der aufjaulte und sie losließ. Dann. Gab die Diebin Fersengeld und zischte los! Und Madelaine Liebert hinterher. Im Fallen. Denn sie stolperte über des großen Kerls Fuss und flog in den Staub der Pflasterstraße. Schlug sich die Nase auf, und das war genau der Motivator den sie brauchte. Der Anschwung. Der Anlauf. Der Schalter, der nur umgelegt werden musste. "... Attacke.", grunzte sie, dabei roten Dreck auf den Boden spuckend, stemmt einen Fuss in den Boden und stieß sich nach vor'n hin ab. Vor'n links! Sie warf sich über einen Karren im Hechtsprung, rollte sich ab - wie im Training - und dann weiter dem flinken Ding hinterher, Leute und Rufe und Waren und Karren und Stände in flirrenden Farben überholend. Scharf rechts! Sie schlitterte gegen eine Ecke, stieß sich in die Gasse ab. Die Diebin sprang über zwei Fässer, warf sich dann an ein Seil und kletterte - wie ein Affe - in einem Tempo hoch, was Maddie einfach nur anpisste, und sie setzte ihre Füße in einem Sprung an die Wand, rannte diese beflügelt von was-auch-immer entlang, packte das Seil und zerrte es in einem Viertelkreis mit sich, während sie dort festgehalten, nach oben rannte. Aber nicht lang, denn die Diebin schnitt mit einem weiteren Messer - Wie viele hat das kleine Miststück?! - das Seil ab. Die Magierin stürzte ab, warf sich herum, gab die Formel ab und feuerte eine Portion Wind, um ihren Kurs zu korrigieren. Stieß sich von der Gassenwand ab und sprang an den Rand der Nächsten, hämmerte ihre Hände aggressiv in das Reet und eierte dann seitlich dort entlang zu dem Fenster, durch das die Kleine entkommen war.

"... und nachdem sie dem Drachen das Schwert aus dem Fuss gezogen hatten, ließ er die Prinzessin gehen. Und sie und der Magier lebten glücklich bis ganz zum Schluss." Sie klappte das Buch zu und lächelte ihrem kranken Sohn liebevoll zu. "... so. Und jetzt wird geschlafen.", hauchte sie und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. "Danke, Ma." Die Mutter leckte Zeigefinger und Daumen ab, löschte die Kerze und verließ dann leise die Kammer ihres Sohnes. "... mmhhh..", gab der Junge zufrieden von sich und rollte sich unter der Decke auf die Seite. Genau in dem Moment brach ein Knäuel aus zwei Irren durch sein Fenster. "GIB MIR MEIN GELD WIEDER!", bellte eine und konzentrierte sich darauf die Hand mit dem Messer der Kleineren unter Kontrolle zu behalten, doch die Diebin strampelte mit den Füßen und trat ihr in den Bauch und in das Becken (und das tat weh!). Dann trat die Mama eben die Tür zum Kinderzimmer wieder auf, bewaffnet mit einem Schlagholz und einer Pfanne, und drückte ihre Empörung auch gleich verbal aus. "Ohhh! RAUS HIER!", brüllte sie und warf das Küchenwerkzeug nach den Beiden. Es schlug mit einem lauten 'Klonk!' gegen den Boden, prallte ab und landete auf der dem Bett, wo der Junge sich unter seiner Decke versteckte. Dann begann die Mutter - völlig zurecht - mit dem Holz auf die Beiden Eindringlinge einzuschlagen! "MEIN! SOHN! BRAUCHT! RUHE!" Maddie ließ die Diebin los und warf sich die Hände schützend über den Kopf und zog die Beine an. "Argh! Nicht - das tut weh!" Nur eben die Kleinste im Raum sagte keinen Ton, sondern sprang vom Boden und Maddie auf das Bett und den Jungen. Dann zum eingekrachten Fenster und zog sich dann dort heraus. Reines Muskelgedächtnis war dann für das Überleben der Achat-Magier-Studentin verantwortlich. Sie wirbelte zur Seite - das Schlagholz traf auf den Boden - Maddie kam auf die Beine, hob die Hände, sah das Holz von der Seite herannahen und überbrückte mit einem Ausfall die Entfernung. Nahm dem Holz die Schwungkraft und packte mit ihrer Hand das Holz, um die Waffe unbrauchbar zu machen, während si- Die Mutter warf Maddie über sich hinweg und RAMMTE sie mit aller Kraft auf den Boden, was den Boden dazu veranlasste die Magierin noch einmal eine Armlänge in die Luft zu schicken, ehe sie mit einem lauten Luftschnappen wieder unten aufkam. Sie rollte sich Geifer spuckend zur Seite, blockte einen Tritt der Hausherrin mit dem Schlagholz ab und sprang wieder auf die Beine. "... bitte, das war kei-", brachte sie röchelnd hervor und wurde mitten im Satz dann von einem Lufttritt der Mama aus dem zweiten Fenster gepfeffert, welches splitterte und die Magierin auf einen kurzen Flug in die nächste Gasse schickte - glücklicherweise waren sie im Erdgeschoss - und Maddie merkte nicht einmal, dass sie über einen Waschbären hinweg und mitten in einen Würfelspieler mit gezückter Waffe flog und diesen zusammen mit sich selbst gegen die Wand hinter ihm pfefferte.

Er sank völlig ruiniert und bewusstlos zu Boden, die Waffe glitt aus seiner Hand, und das mit Staub, Blut und Schmerzen überdeckte Mädchen aus Achat blinzelte - auf dem Schoß des Bewusstlosen quasi liegend / sitzend - den Waschbären an. "..." Dann rieb sie sich die Augen und glotzte das Tier nochmal an. "Oha. Ein Waschbär. Jetzt ist es also soweit.", sagte sie ohne den Kontext zu erklären, während ihr aus dem Fenster wo sie herausgeflogen war eine Frau mittleren Alters böse die Faust entgegenstreckte und diese schüttelte.
Scimitars Pfote war im ersten Reflex auf den Angriff des Hütchenspielers eigentlich schon auf dem Weg zu Askartons Gehilz, sich dabei innerlich auf eine Nörgel-, Jammer und Schimpftriade vorbereitend, als irgendetwas – oder besser gesagt irgendjemand - aus dem Fenster hinter ihm über seinen Kopf hinweg segelte. Der Waschbär vermeinte gar, einen gewissen Lufthauch an den Ohren zu verspüren. Seine Hand stockte auf halbem Weg und anstelle seiner Pfote bewegten sich die Muskeln in seinem Gesicht, besser gesagt die seiner Augenbrauen. Selbige schnellten nach oben als er das Wurfgeschoß anstarrte, welches sich als Mädchen mit zotteligem, dunklen Haar und grünen Augen entpuppte, die ihn ebenso verblüfft anstarrte wie er sie. Die Kleine machte generell einen ziemlich ramponierten Eindruck, Spuren in ihrem Gesicht zeugten von einer Prügelei, die noch nicht lange her zu sein schien. Da sie am Hosenboden und nicht auf der Nase gelandet war, konnten sie definitiv nicht von der Landung stammen.

>Oha. Ein Waschbär. Jetzt ist es also soweit.< Was das nun heißen sollte, konnte er sich nicht erklären, aber da Scimitar nicht aufs Maul gefallen war, kam postwendend eine Antwort. „Und ich hab noch nie fliegende Gören gesehen! Aber der Ort deiner Landung war gut gewählt! Kompliment!“ Mit einem schiefen Grinser streckte er der Unbekannten die Pfote hin, die eben eigentlich noch das Schwert hatte ziehen wollen. „Mein Name ist Scimitar, mit wem hab ich das Vergnügen?“ Ehe das Mädchen allerdings antworten konnte, kam aus seinem Rücken ein Geräusch, das wie eine Mischung aus Grunzen, Schmatzen und Brummen klang. Askarton, das sprechende Schwert, hatte den Marktspaziergang bis zu diesem Moment verschlafen, seltsamer Weise auch das Hütchen Spiel, jetzt aber war er aufgewacht – wie immer im ungünstigsten Moment. Mitunter erschien es dem Waschbären, als würde seine Klinge Ärger besser riechen als er selbst frische Beeren. >Was’n das für ein Radau?< schnarrte es mit einer Stimme, die klang als würde man zwei rostige Nägel aneinander reiben. >Sag nicht, dass wir uns wieder prügeln, ich hab es schon mehrmals betont, diese barbarischen Sitten, die du von dem felllosen Gesindel übernommen hast, sind absolut unangebracht. Ich bin ein Schwert mit Stil, dass sich …< „Halt die Klappe, ich hab uns Geld verdient. Ausserdem haben wir Gesellschaft.“ Insgeheim hoffte Scimitar, dass das Mädchen den kurzen Wortwechsel mit dem Schwert überhört hatte, aber viel Hoffnung hatte er nicht. Die schnarrend, penetrante Stimme Askartons war selbst im absoluten Rauschzustand oder mit dem dicksten Brummschädel Aitheras kaum zu überhören.

Doch noch ehe er etwas erklären konnte, regte sich nun auch noch der Falschspieler. Aus einem Reflex heraus verpasste der Waschbär ihm eine schnelle Kopfnuss, die diesen wieder ins Land der Träume beförderte. „Schlaf weiter!“ Schnell sah Scimitar über seine Schulter. Den Altvorderen sei Dank war von der Wache derzeit kein Rockzipfel zu sehen, doch er würde seine Schnurrhaare darauf verwetten, dass das nur eine Frage der Zeit war. Erneut wandte er sich dem Mädchen zu, ihr erneut seine Pfote hinhaltend. „Los komm, lass uns abhauen ehe die Stadtwache auftaucht. Ich hab keine Lust auf ein Gespräch mit den netten Herren, die sind mitunter so ungläubig, wenn ich ihnen zu erklären versuche, dass ich die Unschuld in Person bin. Und ich vermute mal, du hast auch kein gesteigertes Interesse an einem solchen Gespräch.“

Maddie

In der subtil aufgekommenen Rauchwolke saß das Mädchen. Sie trug eine Art Robe, bedeckt mit Schmutz und Staub. Eine Art Schärpe war ihr über die Schulter gerutscht und hing irgendwie so an der Seite. Unter ihrer Nase zeigten sich Spuren von Blut, die Lippen waren links oben aufgeplatzt und blutig. Ihr Gesicht zeigte sich dunkel von dem Ruß und Dreck der es bedeckte. Hier und da ein paar Kratzer und Schrammen, aber das Ganze brachte ihre hellgrünen Augen eigentlich nur gut zur Geltung. Ihr Haar stand rechts irgendwie lockig ab, während es links von irgendeiner Nässe bedeckt eher hing als zu stehen. Ob es Blut war oder nicht war schwer zu sagen, aber da sie noch nicht schielte und zu normaler Artikulation in der Lage war, konnte es ja nicht allzu schlimm sein. Waffen hatte sie offenbar keine bei sich. Maddie rieb sich den Nacken und gab dem offensichtlichen Waschbären (ein Umstand der sie immer noch irritierte) ihre Antwort: "Na ja, die Meisten von uns wollen lieber hübsch und beliebt sein. Dafür kann ich fliegen." Wie selbstverständlich ergriff sie seine Hand und vergrub sie kurz in ihrer Eigenen. Vorsichtig, wie bei einem Kleinkind, drückte die junge Frau Liebert kurz. "Nenn' mich einfach Maddie. 's machen alle." Als ob sie einem Waschbären ihren echten Namen verriet. Am Ende klaute er noch ihren Müll. Und dann beschäftigte sie sich kurz mit dem Punkt ihrer Landung und sah über die Schulter. "Uah!" Erschrocken ruckte sie hoch und neigte sich so halb herab. "Alles in Ordnung bei Euch?" Höfliche Umgangsformen so plötzlich, aber der Hütchenspieler regte sich nicht wirklich. Brabbelte nur irgendetwas von wegen diebischen Ratten und blöden Gören. "Scheeeeiiißee... bin ich auf dem gelandet?", fragte Maddie dann den Waschbären... und kniff dann die Augen zusammen. "Und. Sa'mal. Solltest du nicht eigentlich im Wald wohnen, Scimitar?"

Ihre Augen wanderten kurz hinter den Waschbären, sie neigte sich vor um über ihn rüber zu schauen. Dann. Blinzelte sie einmal. "Ah. Achso. Sprechendes Eisen ist selten.", kommentierte das rußig-staubige Mädchen und knickste mit Blick zum Schwert. "Freut mich Euch kennen zu lernen." In dem Wenigen was sie über alte Artefakte gelernt hatte, war ihr wenigstens klar, dass es keine gute Idee war einer möglicherweise uralten 'Seele' mit Unhöflichkeit zu begegnen. Die Kopfnuss des Waschbären zeigte kurz die Empörung im Gerechtigkeitssinn der guten Maddie auf. "Öy!"

Aber, nun, die weiteren Worte von der kleinen Kreatur ergaben durchaus Sinn. So wie sie aussah. Bei dem was sie getan hatte. In der Situation in der sie war. Wollte sie wirklich nicht den Wachen, oder schlimmer noch, den Gardisten ihres Hauses in die Arme laufen. "... da sagst du was." Und sie ergriff seine Pfote, erkannte das das irgendwie wenig zielführend war, und ließ sie wieder los um dem sprechenden Tier dann so hinterher zu laufen. Am Ende bekam sie sonst nur einen Buckel. "... dafür kannst du dich vermutlich bei deinen Verwandten bedanken.", gab Maddie zu bedenken und grinste. Das sprechende Schwert, wie auch den sprechenden Waschbären als 'fast normal' einstufend, um sich nicht groß aufzuregen oder eine Szene daraus zu machen.

"Uh... wo laufen wir denn hin?"

Und irgendwie. Überkam Madelaine das Gefühl irgendetwas vergessen zu haben.
Maddie, so hatte sich das Mädchen zumindest vorgestellt, trabte hinter ihm her. Irgendwie wirkte sie etwas zerstreut, vielleicht eine Folge des Sturzes oder was auch immer ihr davor passiert war. Denn normalerweise verließ man ein Haus nicht im Flug durchs Fenster. Aber all das konnten sie in Ruhe besprechen, wenn sie weg aus der allgemeinen Aufmerksamkeit waren, denn die würde im Herzschlagtempo ansteigen, wenn jemand auf das ramponierte Mädchen und den sprechenden Waschbären aufmerksam wurde. Von Zeit zu Zeit sah Scimitar über seine Schulter, ob die neue Bekanntschaft ihm folgte, doch da hätte er sich keine Sorgen machen müssen: Das Mädchen trabte hinter ihm her. >… wo laufen wir denn hin?< hatte sie ihn gefragt und mit etwas Verzögerung antwortete er ihr darauf. „Erst mal weg aus der allgemeinen Sichtbarkeit. Ich kenn einen Ort, wo wir uns ungestört unterhalten können …. Und du dir das Blut aus dem Gesicht waschen kannst!“ Genauer gesagt kannte er mehrere Verstecke aber ein Mädchen, das seiner Schätzung nach noch keine zwanzig Sommer zählte, konnte er wohl schlecht bei einer ihm gut vertrauten Hure unterbringen. Und auch die Spelunken der Niederstadt waren wohl kaum der richtige Ort, ganz davon zu schweigen, dass er nicht wusste, wie vertrauenswürdig sie war. Blieb also nur ein Fleck: Der tanzende Wichtel.

Lisbeth würde ihn zwar wieder alles Mögliche und Unmögliche heißen, aber er kannte seine Lieblingsschankmaid mit dem goldenen Herzen. Der Waschbär huschte durch verwinkelte Nebengässchen, durch Hinterhöfe und kleine Gärtchen ehe er, die Kleine immer noch auf den Fersen, einen Viertelkerzenstrich später vor einer kleinen Pforte in einer vom wilden Wein überwucherten Mauer stehen blieb. Ein fester Ruck und selbige ging auf. „Willkommen im tanzenden Wichtel!“ wandte er sich an Maddie. Und nun nahm er sich auch die Zeit, zumindest indirekt, auf ihre zuvor gestellte Frage zu antworten. „Hier komm ich immer wieder mal unter, da drüben ist ein Brunnen da kannst du dir das Gesicht waschen. Und … ah Lisbeth!“ Scimitar zeigte sein charmantestes Grinsen, als eine junge Frau, den Kopf voller Locken , die Fäuste in die Hüften gestemmt, aus der Tür gegenüber der Mauer trat. >Scimitar Racoonis, was bei allen denkbaren und undenkbaren Wesen der Weite hast du jetzt wieder angestellt.< >Wir haben Besuch mitgebracht!< krähte Askarton stattdessen. Scimitar nickte. „Ich hab gar nichts angestellt aber wir bräuchten bitte ein Tuch, damit sich die junge Dame waschen kann.“ > Ich will gar nicht wissen, was passiert ist dass das notwendig ist!<

Aber Lisbeth stapfte zurück ins Haus, nur um wenig später mit einem sauberen Linnen und einem kleinen Tiegel Ringelblütensalbe wieder aufzutauchen. >Hier … und wenn ihr fertig seid, kommt rein. Der Eintopf ist fast fertig …. Warum tu ich mir das eigentlich immer an mit diesem Chaosbären?< Scimitar grinste. Dann wandte er sich wieder Maddie zu und deutet auf das Körbchen, dass die Magd am Brunnenrand abgestellt hatte. „Bedien dich!“

Maddie

Der geneigte Leser mag sich womöglich darüber wundern, mit welcher Gelassenheit Maddie diese Situation akzeptierte, aber als Magierin lohnt es sich einen offenen Geist für Absurditäten zu behalten, wenn man das was dahinter lag erblicken wollte. Das klingt nun alles sehr viel intelligenter, als man Maddie vielleicht zutrauen würde, und natürlich habt ihr vollkommen recht. Mindestens zweimal hatte sie bereits was auf den Kopf bekommen. Da verstand man schnell mal eine absurde Situation als Traum. Und dergleichen dachte sie auch, als sie dem sprechenden Tier durch die Gassen hinterher lief. Scimitar war schnell zu Fuss, soviel konnte das Mädel zugeben, während der Wind sich Mühe gab ihren perplexen Willen richtig zu deuten, doch manchmal blies er sie nach links und manchmal nach rechts, statt einen passenden Stoß zur passenden Richtung zu gestatten. Das athletische Dasein half dem aber entgegen, und sie rutschte unter manchem Hindernis - wie der Waschbär - hindurch oder machte einen beherzten Sprung mit anschließender Rolle drüber hinweg. Als sie sich dann endlich an eine mit Wein überwucherten Mauer anlehnen konnte, spuckte sie etwas Dreck und Speichel auf den Boden und wischte sich über die Lippen, während der Prozess des 'Zu Atem Kommens' eingeleitet wurde. Das Tier stieß eine Pforte auf und sich über die Lippen wischend, folgte Maddie hindurch. Blinzelte kurz und kam sich so vor, als wäre sie in einem historischen Buch über Abenteurer wie 'Kyros der Große' oder 'Die Chroniken der Piratenkönigin' gelandet. Fingen dergleichen Abenteuer nicht immer in einer Taverne an? Doch bei dem Gedanken blieb es nicht und in Gedanken fing sie an sich selbst für ihre Blässe als Charakter zu kritisieren. Was sind denn schon groß meine Motivationen?, dachte sie und Alles was ich tue, tue ich doch für Zuhause., glaubte sie. Wenn ich hier in der Geschichte von einem Buch gelandet bin, dann werde ich bestimmt nicht der Hauptcharakter sein.

Maddie folgte dem Deut von Scimitar und stapfte auf den Brunnen zu, nur um im nächsten Moment zusammenzuckend stehen zu bleiben. Sie beäugte die andere junge Frau und hob bereits 'sich ergebend' die Hände ein Stück, aber... uh... war wohl alles gut? Und bevor sie eine unnötige Höflichkeit herausbekam, war Lisbeth bereits wieder auf dem Weg hinein. "..." Maddie warf'n Blick auf den Waschbären, zuckte mit den Schultern und ging dann weiter zum Brunnen. Nicht direkt das Wasser verdrecken wollend schnappte sie sich einen Eimer und fing mit diesem Wasser, stellte ihn hin und stellte sich davor. "Aber zuerst..." Und Maddie hob die Hände und trug dem Wind mit gemurmeltem Wortwerk ihre Order auf. Sah vermutlich auf den ersten Blick ulkig aus, und im Nächsten fauchte es um die junge Frau herum, während ihr Haar in verschiedene Richtungen geworfen wurde, ihre Klamotten ordentlich flatterten und sich jeglicher trockene Staub und Schmutz erstmal in Richtung 'überall' davon flog. Anschließend brachte sie ihre Achat-Farbene Robe nicht in Ordnung, sondern striff den oberen Teil herab, bis sie quasi fast oberkörperfrei da stand. Nur eben halt so Brustwickel waren noch da. Große Scheu war bei ihr in solchen Dingen nicht wirklich vorhanden. Und sie beugte sich über den Eimer und stülpte erstmal ihren Kopf hinein, zog ihn wieder hinaus und wusch erstmal ordentlich das Gesicht. Das Haar wurde ausgewrungen, und ja, es war Blut darin. Offenbar von einer Kopfwunde. Keine allzu gewaltige, sonst würde sie wohl kaum noch stehen. Ihr Rücken, die Arme und auch der Rest vom Torso zeigten sich trainiert und sehnig-muskulös. Mit diversen Narben in der Rippengegend, die von zurückliegenden unschönen Begegnungen mit der Schwerkraft stammten, aber gut. Mit den langen, nassen und zurückgekämmten Haaren sah sie zu Scimitar rüber und dann zum Korb. Ihr Gesicht zeigte mehrere Schrammen und kleinere Wunden. Nichts Bedrohliches. Sah natürlich 'recht wild' aus.

Und Maddie schnappte sich zwei Handtücher um sich um Haar und Oberkörper zu kümmern. Anschließend verteilte sie die Salbe grob auf den Wunden in ihrem Gesicht, die sie pochen spürte oder ertasten konnte (sie ließ zwei Schrammen aus), und nachdem sich noch grob um das am Kopf zwischen dem Haar gekümmert wurde, striff sie sich die Robe wieder über. Samt Schärpe mit dem Achat-Emblem. Den ganzen Vorgang über stumm prüfte die Magie-Studentin dann nochmal ihre Umgebung, Scimitars Äußeres, dann sich selbst und kniff sich in den linken Handrücken. "Mh.", machte sie und stapfte auf den Waschbären zu, um sich vor ihn zu hocken und ihm dann erstmal zu versuchen auf die Stirn zu stubsen, eine Art stoisch-grimmigen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Man nannte es auch den 'Achat-Blick'. "Scheiße.", sagte sie. "Du bist ja echt. Hat dein Meister dich verwandelt, als du mal Mist gebaut hast?" Der Kopf wurde schräg gelegt. "... wir belästigen diese Lisbeth doch nicht, oder?"
Während das Mädchen, als Maddie hatte sie sich vorgestellt, sich am Brunnen wusch, beobachtete Scimitar sie eingehend. Seine Vorderpfoten hatte er in die Hüften gestemmt, diese Geste hatte er sich von Lisbeth abgeschaut. Das wirkte so herrlich menschlich und half außerdem, den Drang zu unterdrücken, sich nach Waschbärmanier die Pfoten zu lecken und die Ohren zu putzen. Dann aber fiel ihm beinahe die Kinnlade herunter: Wirkte die Kleine da etwa Magie? Nicht wirklich oder? Verflucht, warum musste er ausgerechnet eine Magiergöre aufgabeln? Ob des etwas abgerissenen Aussehens und der Art, wie sie auf der Straße gelandet war, hatte er sie für eine Diebin gehalten, die den Mantel und die Schärpe irgendwo gestohlen hatte. Was sich in diesem Moment gerade als riesengroßer, dreimal vermaledeiter und verfluchter Irrtum herauszustellen schien. >Was ist da los?< schnarrte Askarton aus seinem Rücken. „Scht, sei still. Ich glaub … ich glaub das is ne Magierin!“ >Ups! Was jetzt? Abhauen?< „Zu auffällig, mal Pfoten und Klinge still halten. Und für dich vor allem: Klappe halten!“ zischte er seinem Schwert durch zusammengebissene Zähne zu. Keinen Moment ließ er dabei das Mädchen aus den Augen, das sich mittlerweile vollkommen ungeniert ihrer gesamten Oberkleider entledigt hatte, gut beinahe der gesamten, einen Stoffstreifen hatte sie noch um die Brust geschlungen, und die soeben den Kopf in den Wasserkübel steckte. Ihr Körper schien schon einiges mitgemacht zu haben, wenn man nach den zahlreichen Narben ging. Durchtrainiert und sehnig war sie, sah damit in keinster Weise aus wie viele der magischen Bücherwürmer, die den Hintern oft nicht wirklich aus ihren Studierstuben brachten. Auch wenn sie dünn war, so war sie sicher nicht zu unterschätzen, sollte es zu einer Auseinandersetzung kommen. Innerlich seufzte der Waschbär. Warum nur musste es auch noch eine fitte Magierin sein? Nun hieß es Vorsicht walten lassen, wollte er nicht in einem Labor landen.

Eben verschmierte Maddie die Ringelblumensalbe in ihrem Gesicht und der Geruch wehte zu ihm hinüber. Als sie sich wieder angekleidet hatte, wurde Scimitar auch des Emblems bewusst. Achat … wie hatte er das nur übersehen können? Und ihr Gesichtsausdruck, den sie zur Schau stellte als sie auf ihn zu gestapft kam, gefiel ihm ganz und gar nicht. Der Waschbär verenderte unmerklich seine Haltung: breitbeinigerer Stand, die Vorderpfoten unauffällig näher an seine Messer gebracht. Er hatte keine Lust Streit zu beginnen oder dem Mädchen weh zu tun aber er musste auf seinen Pelz achten. Er sah ihr in die Augen als sie sich vor ihn hin hockte und …. „Hey, lass das! Ich tatsch dich ja auch nicht einfach an! Und was soll das heißen? Natürlich bin ich echt, was soll ich bitte sonst sein?“ Erbost knurrte er Maddie an. Das war ja fast noch schlimmer als süß, putzig oder knuddelig genannt zu werden. Oder als klebrige Kinderfinger, die sein Fell zerstrubbelten und Zuckerreste in diesem hinterließen. „Und was soll das heißen, welcher Meister? Ich habe und hatte nie einen Meister, ich bin ein freier Waschbär, der sein Geld mit ehrlicher Arbeit im Personen- und Güterschutzgeschäft sowie diversen Dienstleistungen verdient.“ >Söldner, sag‘s gleich.< Askarton konnte seine Klappe einfach nicht halten. Aber zumindest hatte er es leiser als sonst gesagt. Zum Glück schien der Kleinen gerade noch etwas einzufallen.

> ... wir belästigen diese Lisbeth doch nicht, oder?<
„Nein. Lisbeth Sterninger ist die oberste Schankmaid hier. Zugegeben, manchmal kann sie etwas resolut sein, aber sie meint das nicht so. Denk an den Spruch: Waschbären die knurren, beißen nicht. Trifft auch auf Felllose zu … oh ‘tschuldige, sollte keine Beleidigung sein.“

Prüfend schnupperte er in die Luft. „Scheint heute Bohneneintopf zu geben. Wenn wir Glück haben, hat der Koch auch Speck rein getan.“ Obgleich er sich leutselig gab, war der Waschbär auf der Hut. Ein geübter Beobachter konnte das an den aufgestellten Nackenhaaren seines Pelzes erkennen, ebenso an den leicht wippenden Stand, der ihm in Notfall ein schnelles Abhauen ermöglichen würde. „Übrigens …“ er deutete auf Maddies Gesicht „du hast da zwei Schrammen vergessen.“

Maddie

Was habe ich schon groß für mein Leben vorgesehen?, dachte Maddie noch beim Waschen. Für mich selbst... habe nie wirklich darüber nachgedacht, was danach kommt. Wenn ich meine Familie in Seide werfe und dafür sorge, dass sie nicht in den Minen arbeiten müssen. Was mache ich aus mir selbst? Und dann hörte sie es irgendwo von links, doch ihr erfahrenes Magier-Hirn sagte ihr: Das Geräusch war nicht in der Realität vorhanden. Es war in ihrem Kopf. Oder in einer Art Aitheria Komma Eins. Einer Welt, die nur sie empfing. Was quasi gleichbleibend wäre mit der Aussage 'nur im Kopf'. Ich höre den Donner. Und sie 'dichtete' es fast lautlos über die Lippen selbst zu Ende. "Pitter Patter." Kurzes Blinzeln. HATTE sie nicht was vergessen? ... Mh. Nahh... wird schon nichts gewesen sein. Und auf dem Weg zum Waschbären, da ging ihr durch den Kopf wie bekloppt sie gerade mal wieder aussehen musste. Nun. Sie spürte, dass ihr Haar hing. Noch etwas klamm an den Seiten, ihr Gesicht umrahmend. Hier und dort bestimmt mit Knoten drin, die später rausgebürstet gehörten, aber gut. Und dann kniete sie vor Scimitar, stubste gegen seine Stirn und musste ob seinem Protest nicht einmal mehr Schmunzeln. Stattdessen machte sich Aufregung breit. Der ist ECHT. Wenn ich ihn den Meistern präsentiere, geht mein Ruf nach oben. Ich werde namentlich im Wochenblatt erwähnt. Ich werde eine Entdeckung gemacht haben! Mehr Unterstützung für mich! Mehr für meine Familie. SO komme ich weiter...! Aber noch während ihr Herz schneller schlug, wurden ihre Gedanken von etwas Anderem unterbrochen. Dem Regen in ihrem Hinterkopf. Und dem Echo des Donners. Maddie fragte sich was, und das was sie sich fragte war genug, um dieses Raubtierdenken wegzudrücken. Ich will der Hauptcharakter sein.

Das stoisch-grimmige verflog einem Grinsen. "Du bist ja echt total knuffig, Kleiner." Und damit stand sie auf und klopfte sich auf die kaum mehr verstaubten Hosen unter denen ihre Oberschenkel ruhten. Ein kurzer Blick zum sprechenden Schwert, aber dessen Existenz war viel leichter zu verdauen, als die von Scimitar selbst. "... gilt das für Hunde auch für Waschbären? Na. Uh... hab's nicht wirklich als Beleidigung aufgefasst, du haariger Zwerg." Sie warf einen Blick in Richtung Tavernen-Inneres. Eintopf. Vielleicht mit Speck. Mhmmm...

Ihr Blick ging zurück zu Scimitar. "Uh... soll ich dir den Eimer mit rein nehmen?" Okay. Der Gedanke, dass er seinen Eintopf vor dem Essen waschen würde, war irgendwie bescheuert, aber sie würde wirklich gern sehen, ob er... einen Drang hatte das zu tun, oder nicht? Ach! Mach dich nicht lächerlich, Maddie! Und sie zeigte mit zwei Fingerpistolen auf den Waschbären. "Sa'mal. Wo hast du dein Schwert eigentlich... her? Hat's einen Namen?" Und sie machte sich bereits in Richtung Essen auf. Musste man ja nicht in die Länge ziehen! Das mit den Schrammen ... ja gut, sie tatschte kurz in die Richtung die er zeigte, aber es fühlte sich jetzt nicht so fürchterlich an. Pah. Sie war von den Achat! Da kratzten sie doch kei- Eine Erinnerung an zurückliegende Infektionslehre. Drei lange, beflügelte Schritte zum Korb und sie schmierte Salbe drauf.
Wie die Wolken vor der Sonne verzog sich auch der grimmige Ausdruck des Mädchens. Ihre Worte sorgten aber für einen eben solchen Ausdruck im Gesicht des Waschbären. Knuffig? Haariger Zwerg? Am liebsten hätte er Maddie erneut angeknurrt aber da sich der Magierjungspund im selben Atemzug für die flapsige Ausdrucksweise entschuldigte, beließ Scimitar es bei einem „Hmpf“. Ob sie ihm den Eimer mitnehmen sollte? Wofür das denn? Was sollte er im Schankraum mit einem Wassereimer vom Brunnen? Lisbeth würde ihn vor die Tür setzen, wenn er mit solch Torheiten den Schankraum verunreinigte, sollte er unbeabsichtigt Wasser verschütten. „Nein, lass mal stehen!“ antwortete er und stapfte hinter dem Mädchen her. Dieses änderte aber dann noch mal die Richtung, um sich doch noch die letzten beiden Schrammen mit Ringelblumensalbe zu beschmieren. War auch besser, die Gassen in der Niederstadt waren nicht gerade das, was man sauber nennen konnte. Aber er hätte einen dunklen Schatten getan und sie bevormundet, musste schon jeder selber wissen, was gut für sein Fell (oder in ihrem Fall für ihre Haut) war. „Aber Lisbeth freut sich, wennst den Korb mitnimmst. Die Katze hat so ‘ne Neigung, sich in den Linnen zum Schlafen zu legen und das findet Lisbeth wiederrum nicht so lustig.“ Spachs und stapfte durch die Hintertür ins Innere der Taverne. Über seine Schulter beatwortete er noch die Frage nach dem Schwert, zumindest ansatzweise. „Hab den Zahnstocher beim Würfeln gewonnen. Namen …“ Für einen kurzen Moment hielt er inne. Namen hatten Macht und er hatte keine Ahnung, woher sein sprechendes Schwert ursprünglich kam und seine Fähigkeiten bezog. Nein, den wahren Namen würde er sicher nicht verraten. „… naja, ich sag Plappermaul. Notraksa kann sich doch keiner wirklich merken.“

Mit diesen Worten stieß er die Tür zur Schankstube auf und pflanzte seinen pelzigen Hintern auf seinen Stammpatz neben der selbigen. Von hier konnte er den ganzen Raum überblicken und zur Not schnell nach hinten raus abhauen. Die oberste Schankmaid kannte seine Vorliebe, denn es waren bereits zwei Schüsseln und ebenso viele Holzlöffeln am Tisch, ebenso wie ein halber Laib Brot. Scimitar zog eines seiner Messer aus dem Kreuzgurt und säbelte eine … nein man hatte ja Manieren …. zwei dicke Schnitten herunter und legte eine davon neben die Schüssel des Mädchens. Eben stellte Lisbeth auch einen dampfenden Topf in die Mitte, samt einer Kelle.

>Bier oder Wasser Scimi?<
„Bin doch kein Bettelmönch, Wasser ist zum Waschen da aber doch nicht zum Trinken … jedenfalls nicht wenn ich mirs aussuchen kann!“
>Warum frag ich eigentlich?<

Scimitar grinste und konnte es sich nicht verkneifen, Lisbeh kurz in die wohlgerundete Kehrseite zu zwicken … was ihm einen bitterbösen Blick einbrachte. Hier drinnen fühlte er sich, Gesellschaft einer Magiergöre hin oder her, bedeutend wohler als draußen, wo er mit ihr alleine war. Der Waschbär schaufelte sich eine ordentliche Kelle Bohneneintopf (es war tatsächlich Speck drinnen) in die Schüssel und schnappte sich einen der Löffel. Sollte Maddie sich doch wundern, warum er in der Lage war, einen Löffel zu benutzen und aus einem Humpen zu trinken (trotz Hintern-zwicken hatte Lisbeth ihm eben einen solchen vor die Nase gestellt, jedoch nicht ohne anzumerken, dass so ein frecher Geselle wie er eher einen Satz heiße Ohren verdient hätte als Bier). Die Gaukler und allen voran der alte Anführer der Truppe hatten ihm von Beginn an eines eingeschärft: Wenn er wollte, dass die Menschen und sonstigen Zweibeiner in ihm mehr sahen als ein Tier, dann musste er es ihnen deutlich unter die Nase reiben, dass er zu sowas wie zivilisierten Verhalten fähig war. Und dazu gehörte es nun mal, den Eintopf mittels Löffel ins Maul zu befördern und nicht die Nase in die Schüssel zu stecken und daraus zu schlabbern und zu schmatzen.

„Sag mal, …“ wandte er sich nach einigen Löffeln an Maddie, „… warum bist du eigentlich aus dem Fenster geflogen und hast nicht die Tür genommen? Wäre doch um einiges angenehmer gewesen…“

Maddie

Es ist einfach der kindlichen Vorstellung des Heldentums zu folgen, wenn man nichts Großes in diesem Vorgang zu verlieren hat. Nein, für Madelaine reichte als Anreiz diese Wertevorstellungen zu brechen nicht die Schnöde Aussicht auf einen großen Ruf und Titel. Auch nicht die Möglichkeit in Fachschriften Erwähnung zu finden, oder mehr Münzen für die Familie zu bekommen. Idealistische, junge Wesen wie Maddie brauchte eine andere Motivation ihre freundliche Sicht auf die Welt zu verraten und auf die intrigante Schiene der Bösartigkeit zu gelangen. Aber dazu später mehr.

Sie warf einen Blick zu Scimitar und nickte, ehe sie den Korb dann halt so mit der Linken packte und mit sich zog, und trug. Notraksa. Alter Name. Klang nach Vandrigg. Aber das musste sie dem eindeutig zu schnell vertrauenden Bären ja nicht auf die Nase binden. Vielleicht fand sie in der Bibliothek ja ein paar Werke, um derartig ein paar Hintergründe, vielleicht sogar die Geschichte des Schwerts aufzudecken. Womöglich gab es auch eine Möglichkeit die Klinge über den Namen zu kontrollieren. In dem Fall war es einfach nur närrisch diesen zu verraten! Ha-Ha! Der Bär war ja so ein Idiot. Aber das dachte Maddie nur so 'neutral' für sich im Stillen, ohne wahre Bosheit dahinter. Warum auch? "Hübscher Name.", sagte sie also glucksend. Das Innere der Taverne erinnerte sie irgendwie an... gar nichts. Welcher Zauberlehrling - der was auf sich hält - geht schon an solche Orte? Nun. Eigentlich hatte sie da bisher nie die Zeit oder Erlaubnis zu gehabt. Gut. Zumindest Letzteres wird sie auch heute nicht haben, aber was die Magister nicht wissen, macht sie nicht... heiß. Kurz irritiert über die eigenen Hirnwindungen blieb Madelaine stehen und rieb sich die aufpochende Stirn.

Dann ließ sie sich etwas verspätet an dem Tisch beim Waschbären nieder und faltet die Hände über dem Schoß. Kerzengerade Haltung. Gedrillt! Gut für den Rücken. Sah spießig aus. In einem seltsamen Kontrast zu ihrem noch seicht klammem Zottelhaar und der ramponierten Erscheinung. Lisbeth sah dann auch zu Maddie und fragte halt: "Bier oder Wasser?" Und die Studentin glotzte zurück. "... wie-bidde?", erwiderte sie zu hastig und atmete zu oft durch den Mund um gerade intelligent auszusehen. Vielleicht schmunzelte die Wirtin ja deshalb. "Ob du Bier oder Wasser willst!" Oh... OH! Ich hatte noch nie... Ehh. Bloß nichts anmerken lassen! Und dann sprach Madelaine Liebert, Siebzehn Jahre, mit der erwachsensten, tiefsten Stimme (in Verbindung) die sie hinbekam: "Eh-hem. Bier natürlich! Wer was auf sich hält!" Und nachdem sie sich also mal ordentlich dumm angestellt hat... ja, mit dem cool und bodenständig sein, das ist nicht so leicht auf fremdem Terrain! Kurz blickte das Mädel irritiert zu der 'Geste' des Waschbären mit dem Hinternzwicken. Dann hatte sie ein paar Bilder in ihrem Kopf, die da lieber nicht sein sollten, und griff nach der Brotscheibe. "Uh, danke." Und füllte sich mal was von dem Eintopf auf.

"..." Das war definitiv anderes Futter, als sie in der Akademie gewohnt war. Sollte das dadrin Speck sein? Oder Wurzeln? Huh. Erinnerte irgendwie an zu Hause. Und sie fing an zu essen. In gepflegter Manier. Nie zu viel. Sechsunddreißig Mal kauen bevor geschluckt wird. Da war der Lehrer, der den Schülern (die es nötig hatten) Etikette lehrte sehr deutlich gewesen. Der Rohrstock hatte auf dem Handrücken ganz schön gezwiebelt. Dann kam Lisbeth wieder und stellte Scimi sein Bier hin und Maddie einen Becher Milch und schenkte der Studentin einen 'Verschon-Mich-Mit-Deinem-Unsinn'-Blick, woraufhin sie sich an der Wange kratzte. "Eh-heh..."

Dann fragte der Waschbär was. Also. Scimi fragte was, und die malträtierte Studentin rührte gemächlich im Eintopf, während sie einen Bissen zerkaute, dann schluckte, und erst dann antwortete. "Oh. Uhm. Die war verschlossen. Uuund... da waren so ein Haufen Alben-Assassinen hinter mir her." Hatte sie nicht irgendetwas vergessen? Mh. "Also, da muss man schnell handeln, wenn man wegkommen will, nicht?" Sie grinste zu dem Nicht-Menschen herab. "Das Leben an der Akademie ist echt kein Zuckerschlecken!" Dann lies sie die Hand mit dem Löffel etwas sinken und fragte Scimitar subtil zurück: "... und du warst einfach am... Würfelspie-len... oder wie nennt man das? Uhm... in Achat werfen wir um die Wette Messer. Also. Wir haben nicht viel zum Se- Erzähl das nicht weiter. Das ist. Nicht wirklich erlaubt." Sie rieb sich den Nacken. Oh Mann... ich muss mehr unter Leute., war das abschließende Fazit der Studentin, während sie so selbst immer wieder ihre unsicheren Antworten durchging.
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