Lost Chronicles

Normale Version: die Klosterruine Schwarzenberg
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Atevora

Langsam aber sicher verschwand die Sonne hinter der weiten, unberührten Landschaft. Sicherlich würde es eine für Waljagrad berüchtigt klirrend kalte Nacht, denn der Himmel war beinahe wolkenlos und die Nacht fühlte sich hier im Hinterland dank der immer feuchtnassen Luft ohnehin stets noch eine Spur kälter an als in der großen Handelsstadt, oder in den überwiegend verlassenen und niedergebrannten Dörfen. Das Land war leer, erst langsam kehrten die Leute zurück zu ihren Höfen und Feldern die samt der Felder hinfort gefegt wurden um den Inglandern den Vormarsch ins Innere Waljagrads und die Versorgung der Truppen aufs äußerste zu erschweren. Die Taktik des verbrannten Landes, so wurde das umgesetzte Edikt der neuen Herrscherin genannt. Eine schier unvorstellbare Maßnahme um den einfallenden Feind zu bremsen und zu schwächen, um ihn dann zu stellen und aufzuhalten, aber die Taktik war von Erfolg gekrönt.
Die Inglander Truppen waren aufgehalten worden, die Flotte vernichtend geschlagen und der wichtigste Hafen wieder in der Hand der Waljaren. Doch zu welchem Preis? Alle Inglander die sich bereits in entfernten Siedlungen eingenistet hatten, oder das Massaker in der Stadt überlebten, waren hier gestrandet und kämpften mit dem Mut der Verzweifelten, in der schwindenden Hoffnung Ingland würde Schiffe entsenden um das Blatt für sie wieder zu wenden. Neben jenen, die ihre Stellung eisern verteidigten, hatten nicht wenige verstreute Truppenverbände, oder Deserteure den Existensweg von marodierenden Wegelagerern und Räubern eingeschlagen und erschwerten den Leuten die Rückkehr zu ihren Höfen und in den gewohnten Alltag.
Noch immer waren viele Dörfer geisterhaft verlassen, Bäuernhäuser lagen still in der von Schnee bedeckten Landschaft, nahezu bereit in der Zwischenzeit von unwillkommenen Nachmietern bezogen zu werden. Keine leichten Gegebenheiten für Reisende oder Fuhrkarren welche die Handelsrouten aufrecht zu erhalten und sich ihren Weg durch das noch vom Kriege zerrüttete Lands zu bahnen suchten.

Atevora hatte sich solch einer Fuhrmannsgesellschaft angeschlossen. Ihr Weg sollte an Hrad Selvita vorbei, weiter nach Vinjasta führen, doch die große Hauptstraße an der Waljar entlang war blockiert. Berichtet wurde von verstreuten Gruppen von Inglandern die Transporte überfielen. Man hörte von Truppen die sich sammelten, von bevorstehenden Kämpfen, und von katzenhaften Monstern die entlang der Hauptroute gesichtet wurden. Oder war es nur ein katzenhaftes Monster in der Größe eines ausgewachsenen Bären? Einerlei. Die Händler wollten nicht zwischen die Fronten geraten und wählten eine Route die weiter ins Hinterland und an der Grenze von Inglandern gehaltenem Gebiet vorbei führte, um genannte Gefahren gegen andere zu tauschen. Überwiegend die üblichen, die stets im Hinterland lauerten. Kreaturen der Nacht und dunkle Feen, deretwegen Atevora die Gruppe auch als Unterstützung begleitete. Allerdings waren der Magierin die Gefahren wohl bewusst, die von der Situation im Lande und von der Gefahr auf ingländische Magieverachter zu stoßen, ausging. Aus diesem Grund hatte sie sich im Vorfeld mit Kleidung ausgerüstet, die einem nicht sofort MAGIER entgegenschrie. Sie trug für ihre Mission für ihre Verhältnisse eine sehr bescheidene Garderobe mit festem Schuhwerk, warmer Kleidung sowie einen schweren mit Schaffell besetzten Lodenmantel. Auch ihre Frisur hatte sie mit einem Haarband wohl überlegt gebändigt, sodass sie ihre weiße Mähne leichter unter einer Kapuze verbergen konnte und nicht sofort jedem ins Auge stach.

An den bedenklichen besetzten Regionen waren sie gut vorbei gekommen, doch sie lagen nun trotzdem etwas in ihrem Zeitplan zurück. Über Ufer getretene Flüsse hatte sie dazu gezwungen eine andere Route zu wählen und ausgetretene und morastige Straßen unter matschigem Schnee hatten das Vorankommen der Fuhrwerke deutlich verlangsamt. Nicht nur einmal mussten sie alle mitanpacken um einen fest gefahrenen Wagen aus einer matschigen Pfuhle zu holen. Die Pferde und Männer waren inzwischen erschöpft und benötigten dringend eine Pause ehe noch ersten Pferde anhand der Erschöpfung zusammenbrechen und in einem Akt der Gnade erschossen werden mussten. Allen Widerwillens zum Trotz hatten sie beschlossen verfrüht ihr Lager aufzuschlagen , doch keiner der Männer wollte hier nahe des Bärentannwaldes, und noch näher am schluchzenden Kloster dort am oben Schwarzenberg länger bleiben als nötig.

Atevora selbst fühlte sich weit ausgeruhter als ihre Mitreisenden. Am großen Fuhrwerkskarren mit seiner großen runden Plane hatte sie einen gemütlichen Platz um sich zu erholen und sie hatte auch nicht direkt körperlich mitanpacken müssen. Lediglich mit dem einen oder anderen Zauberspruch subtil ausgeholfen das eine oder andere besonders üble Drecksloch gefrieren und überhaupt passierbar werden zu lassen. Es hatte sie weit weniger Kraft gekostet als sie es gewohnt war. Diese Welt aus Wasser, Eis und Schnee erleichterte ihr den Zugriff auf ihre Zauberaffinität. Dieser Art noch erstaunlich fidel beschloss sie die Zeit zu nutzen um die Umgebung zu erkunden und gegebenenfalls ein paar Komponenten für ihre Zauber und Tränke zu suchen. Insbesondere diese Klosterruine hatte ihr Interesse geweckt. Ihre Begleiter wussten so einiges über die Ruine zu erzählen, die selbst wie die Wände des geisterhaft verlassenen Dorfes noch stand da niemand es wagte sie stückweise als Baumaterial wegzuschleifen. Unheil lag über der Ortschaft, ein großes Unglück hatte alle Bewohner des Dorfes und des Klosters verschlungen. Eines das niemand mehr genau benennen konnte, außer einen Brand welches das Glaubensgebäude zu Fall brachte. Manchmal soll des Nachts der Hang in ein schauriges Leuchten gehüllt sein, und der Wind der Sterbenden über den Wald tragen, als würde das Kloster wieder in Flammen stehen. Welcher Gottheit es geweiht gewesen war konnte niemand mehr mit Gewissheit sagen, nicht einmal Wegelagerer wollten dort oben ihren Rückzugsort wählen, um danach Auskunft zu geben, doch der großen Göttin Ziwa war es wohl nicht geweiht, denn die Priverz lebten nicht zurückgezogen in kahlen Klostermauern.

Gleichwie, der Magierin Entschluss stand fest. Unglück das von Mord, Blut und Wahnsinn in Zusammenhang stand, mitsamt magischen Vorgängen und eine Ruine einer heiligen Stätte wie als stiller Beleg für eine mögliche magische Kraftquelle – denn heilige Stätten wurden oft auf solch einem Grund erbaut. Wenn sie schon keine ergiebige Quelle für Vis fand, dann vielleicht ein all zu begehrtes Kraut, dass genau an solchen von Blut geschwängerten Orten Wandriggs zu finden, und noch schwerer zu erlangen war. Blutflechte. Was sie alles damit anstellen konnte!
Ohne länger zu zögern brach sie auf.

Der Weg führte sie durch den Wald und den Hügel empor, weiter in Richtung der verfallenen Gemäuer die Via leichthin aus der Luft erspäht hatte. Trotz ihrer aufmerksamen Führerin, die mal voran flog, von oben nach drohenden Gefahren ausschau hielt und sich wieder auf einen Ast nieder ließ um ihre Magierin den augenscheinlich einfachsten Weg zu weisen, kam Atevora langsamer voran als sie es wollte. Obwohl sie nun schon länger unterwegs und körperlich fitter war als sonst, war sie doch weit davon entfernt längere Märsche bergaufwärts über unwegsames Gelände bei verschneitem Untergrund gewohnt zu sein, denn je höher sie sich einen Weg von Via geführt den Hang hinauf mühte, umso so dicker wurde die Schneeschicht die sie stapfend überwinden musste. Kein Kraut wuchs hier im Winterwald, kein Plitzring als Feentor war zu erkennen, aberzum Glück blieb sie auch von den berüchtigten Wintergelsen verschont die wie kleine Eisflöckchen getarnt gegen den Wind heranschwirrten um sich dann nach Blut gierend auf ihrer Beute nieder zu lassen. Dafür sank die Sonne beständig tiefer bis von ihrem Licht nur noch das letzte Flammenlodern in malerischen Orange und violettönen an der Unterseite vereinzelter Wolkenschleier zu erkennen war. Der kahle Winterwald hüllte sich in immer trostloseres Grau das alle Konturen verschlang und den Weg unsicherer werden ließ. Auch die Kühle der Nacht kroch über den Boden und enttarnte ihren Atem in der Luft mit weißem Wolkendunst. Kalt war der Magierin jedoch nicht, als sie mit dem Knarzen des unter ihrem Schuhwerk ächzenden Schnees auf eine Lichtung trat und sich ihrem Blick die steinernen Überreste des zerfallenen Dorfes und der darüber in der traurigen Würde trostlosen Verfalls thronenden Klosterruine eröffneten.

Lucian

Vorsichtig blinzelte der Vampir, als er aus seinem alltäglichen Schlaf erwachte und die Einkehr der Nacht ihn begrüßte. Wobei so alltäglich war dies nicht. Es war sogar etwas Besonderes. Denn lange Zeit war es ihm nicht möglich gewesen sich zu bewegen oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Nun war es vorbei. Er war endlich frei. So frei, wie schon lange nicht mehr.

Es war dunkel hier unten im Brunnen und die Luft war muffig. Doch zumindest war es hier nur ein kleines bisschen feucht. Nicht, dass es ihm etwas ausgemacht hätte auch unter Wasser zu schlafen … bei seiner Reisebegleitung konnte dies schon etwas anders aussehen. So würde sich dieser bestenfalls noch einen Schnupfen holen, wahrscheinlicher wäre aber eine starke Erkältung. Oder war es bei den Warlocks anders? Ganz genau konnte man es nicht wissen, hatte der einstige Vampirlord bisher noch keinerlei Gelegenheit gehabt sich mit einem Warlockvertreter großartig über solche Dinge auszutauschen. Möglicherweise konnte dieser Umstand sich in den nächsten Tagen ändern.

Langsam und leise richtete er seinen Oberkörper auf und sah sich um. Sein Begleiter schien noch zu schlafen. Zumindest konnte man hin und wieder ein kurzes Scharchgeräusch vernehmen. Doch was war das für ein Zischen? Der Weißhaarige hielt inne. Schnell packte er mit seiner Hand zu, hatte er den Übeltäter bereits erfasst. Eine Hornotter hatte es sich in ihrem Lager gemütlich gemacht und es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie zugebissen hätte. Lucian betrachtete fasziniert den Kopf des Tieres, dessen Augen ihn hypnotisch anstarrten, so als würde die Schlange nur darauf warten noch einmal anzugreifen. Er musste leicht lächeln bei dem Anblick. Kurz daraufhin hatte der Vampir bereits seine Zähne darin vergraben um sich an dessen Blut zu laben. Nach wenigen Schlücken ließ er die blutleere Schlange wieder fallen. Allzu viel gab Tierblut nicht aus, doch ehe er keine geeigneten Blutspender hatte, sollte dies ausreichen. Und sei es nur deshalb um nicht doch noch den Jungen zu nehmen. Er blickte nach unten. Die Versuchung war groß, schließlich lag dieser die ganze Zeit neben ihm und auch wenn er schlief, so konnte er unterbewusst hören wie sein Herz schlug und das Blut in Wallung brachte. Ob dem Warlock bewusst war, welcher Gefahr er sich aussetzte? Was würde sein Ziehvater wohl davon halten?

Das war zu viel für den Altvampir … er musste raus. Raus aus diesem Brunnen und raus in die frische Luft. Davon abgesehen war es hier ohnehin viel zu eng für seinen Geschmack. Und so erhob er sich nun vollständig und schnappte das Seil, welches am Rand des Brunnens befestigt war und ihnen beiden als sicherer Aufstieg dienen sollte und machte Anstalten nach oben zu klettern.
Wie die meisten Warlocks verfügte Aiven über einen leichten Schlaf. In der Ausbildung bekam man beigebracht wie man sein Bewusstsein stets in Bereitschaft hielt und mehr in einen meditativen Zustand versank, als in einen echten Schlaf. Deswegen hatte er den Fuchs letzte Nacht bemerkt, der sich mit seinem Beutel davonmachen wollte. Und deswegen traute er sich, gemeinsam mit einem nur halb gesättigten Vampir sein Nachtlager aufzuschlagen. Da Vorsicht besser war als Hinterherwinken, befand sich in seiner Faust ein spitzer Holzpflock, den er vor dem Abstieg noch rasch von einem Busch gebrochen und notdürftig mit dem Messer präpariert hatte. Er glaubte zwar nicht, dass er ihn würde einsetzen müssen - er selbst konnte ja auch neben seinem Proviantbeutel schlafen ohne ihn des Nachts in einer Heißhungerattacke restlos zu plündern - aber man wurde nicht jahrelang ausgebildet, nur um die Hälfte davon bei nächster Gelegenheit zu vergessen.

Irgendwie allerdings war er trotz aller Vorsichtsmaßnahmen doch ein wenig tiefer in den Schlaf gerutscht als er beabsichtigt hatte. Er schreckte erst hoch als er das Zischen hörte, welches schon gleich darauf verstummte und schmatzenden, schluckenden Geräuschen wich. Mist! Zu langsam. Zu unvorsichtig. Aiven ärgerte sich. Die blöde Otter hätte ihn glatt erwischt, wenn der Vampir sie nicht zu seinem Frühstück erkoren hätte. Träge blinzelte der Novize ins trübe Dämmerlicht, was hier unten auf dem Grund des Brunnens herrschte. Nun ja. Für ihn und seine Fuchsaugen war es Dämmerlicht, ein gewöhnlicher Mensch hätte sicher die Hand nicht vor Augen gesehen. Oben an der Oberfläche war die Sonne sicherlich schon untergegangen.

Aiven setzte sich auf und gähnte herzhaft, während sein mehr oder weniger freiwilliger Reisebegleiter bereits abmarschbereit schien und nach dem Seil griff. "Morgen", murmelte er automatisch und blinzelte irritiert. "Eh... n'abend", korrigierte er sich dann. Es war wirklich ungewohnt, den Tag zu verschlafen und bei Nacht aus einem Brunnen zu klettern. Hier unten war es ziemlich feucht. Seine Kleider waren klamm. Außerdem waren sie zerknittert, was sich allerdings nicht vermeiden ließ wenn man draußen kampierte. Wer schlief im Freien schon nackt? Vor größerem Schaden hatte ihn zum Glück Meister Brynjarrs vererbter Umhang aus dicht gewebter Wolle bewahrt, in den er sich eingewickelt hatte. Geschlafen hatte er schon schlechter. Der Rotschopf rappelte sich ebenfalls auf und suchte seine Sachen zusammen. Viel war es nicht. Nur sein Sattel nebst Zaumzeug. Die würde er, sobald Lucian oben war, an das Seil binden und sie später hinauf ziehen.

Atevora

Eine seltsame Stille lag über den Ruinen zerfallener Häuser. Wie viele Menschen hier wohl einst lebten? Nun befanden sich hier nur noch Dachlose verfallene Wände. Sie ragten eckig in verwittertem Grau auf, wie faulige Backenzähne in der Landschaft, während von anderen nicht mehr geblieben war als ein sich türmend dahin geworfener Schutthaufen mit einzeln stehende Mauerfragmente samt runden Türbögen als Zeugnis eines einstigen Hauseinganges.

Der Magiern fröstelte es, doch nicht ob des eisigen Windes der um die steinernen ecken strich und mit an- und abschwelenden Heulen gelegentlich sein einsames Liedchen pfiff. Es war der Klang des Zerfalles selbst und der Hauch der Endlichkeit der hier so schaurig sang und ihr unangenehm den Rücken hab kletterte, dass es ihr schier eine Gänsehaut bereitete.

Langsam stapfte die Gräfin weiter über das unberührte weiß des sich nachtbläulich dunekelnden Schnees und lies die Augen über das konturlose Grau der Dämmerung streichen. Flechten hatten sich in schmutzigem weißgrau und Schwefelgelb über dem Gestein ausgebreitet, doch das blutige rostrot, welches sie suchte, fand sie nicht.
>“Oben bei der Klosteruine grast ein Pferd.“< Vermeldete Via, die sich nach weichem Flügelschlag auf einem der steinernen Backenzähne niedergelassen hatte und dort einsam Thronend auf die Magierin herab sah. “Nur ein Pferd?“ Kurz streckte der Vogel die Flügel wie zu einer Dehnübung, und ließ Atevora auf die Antwort warten. >“Nur ein Pferd. Ohne Sattel darauf oder daneben.“< Und auch kein Reiter, denn den hätte Via erwähnt. Der Blick der Eule glitt an der Magierin vorbei, und fixierte eine Stelle im Schnee. Die Magierin kannte diesen Blick aus scharfen Eulenaugen . Da war wohl ein Mäuschen unter der Schneedecke. Das Pferd hingegen war ein kleines Rätsel, das sich die Magiern näher anzusehen gedachte.
Zügig stapfte sie weiter den Hügel hinauf, schnurstraks der Ruine entgegen.

Mächtig wirkten die Überreste der dicken Mauern selbst jetzt noch. Große Teile des Sakralen Gebäudes erschienen noch völlig intakt, und so als hätte ein vorwitziges Götterkind vom überdimensionierten Baukotzpuppenhäuschen einfach das Dach herab genommen um damit zu spielen. Und tatsächlich, dort hinter einer dieser hohen Mauern, nahe den Überresten eines Brunnens auf einem mit halbhohen Mauern begrenzten Platz, scharrte ein ungesatteltes Pferd mit den Hufen im Schnee um an darunter liegendem Moos zu knabbern. Die Nüstern weiteten sich und die Ohren richteten sich in der Magierin Richtung als der Wind die Witterung herantrug. Der Kopf richtete sich auf taxierte kurz den näherkommenden Menschen. Das braunbefellte Pferd schnaubte kurz, sodass weiße Wasserdampfkringel in der Nacht zerfaserten, und senkte dem Kopf wieder um sich wieder dem bemoosten Büschel zu widmen. Seltsam. Dachte sich die Magiern. Das Pferd trug tatsächlich weder Decke noch Halfter, oder Zaumzeug. Und wie stoisch es reagierte. Viele Tiere spürten instinktiv die magische Kraft die in ihren wohnte und beäugten sie wesentlich kritischer. Doch dem Braunen war es scheinbar egal.

Gleichmütig ließ es die Magierin näher kommen, welche sich die feinen Handschuhe von den Händen strich, und über das weiche Winterfell streicheln. „Na, Meister Samtnase. Hast du dich verlaufen?“ Freundlich blickten der Magiern treue dunkle Augen entgegen und das Pferd schnaubte zufrieden aus. Da es weder Zaumzeug und Halfter trug, hatte es sich offenbar nicht einfach wo los gerissen. Woher das Tier wohl gekommen ist und wem es gehört? In der Nähe gab es angeblich keine Dörfer. Vielleicht war aber doch der Besitzer noch irgendwo? Von flüchtigen Blicken verborgen in einer Nische, oder Kellermulde um dort die Nacht zu verschlafen. „Oder ist dein Herr hier irgendwo?“ Langsam ließ die Magierin ihren Blick schweifen, und blieb am Brunnen hängen. Oder besser gesagt eher am des Ast, der seltsam zufällig unzufällig diagonal darüber lag.

Die Gräfin ließ ab vom Pferd und hielt auf den Brunnen zu. Jemand hatte ein Seil um den Ast gebunden, das hinab in das gähnend dunkle Loch des Brunnenschachts hing. Es wirkte unverwittert und frisch. Doch der Zustand könnte im trüben Dämmerlicht auch täuschen.
Gerade eben beugte sie sich hinunter um nach dem Seil fühlend zu greifen, da schob sich eine Bleiche Hand über den steinernen Rand.
Erschrocken zuckte die Magierin Hand zurück. Sie stolperte einen Schritt rückwärts, trat auf ihren langen Mantel, und landete strauchelnd und etwas ungalant auf ihrem Hinterteil.

Lucian

Gerade hatte der Vampir nach dem Seil gegriffen, da saß der Junge bereits aufrecht da und begrüßte ihn. „Guten Abend, Schlafmütze“ Er lächelte galant und ließ sich dabei keineswegs anmerken wie gerne er ihm wieder einmal seine Zähne ins Fleisch gerammt und von seinem kostbaren Elexier gekostet hätte. Im Gegenteil, er wirkte sogar regelrecht entspannt. Und wenn er diesem Drang ohne Umschweife nachgegeben hätte so wäre er keineswegs besser als jene, die er verachtete. „Bist du gut ausgeruht?“

Da er keinen Augenblick länger als nötig in diesen Brunnen verweilen wollte, schnappte er sich schon einmal das Seil um nach oben zu klettern. Ein gar nicht allzu leichtes Unterfangen. Die Temperaturen schienen seit der Vornacht etwas gesunken zu sein und somit klebte auch Frost an den Brunnenwänden, was diese rutschig werden ließ. Dies erforderte deutlich mehr Kraft, als er sich gedacht hatte, denn auch das Seil war nicht ganz so griffig wie es sein sollte. „Eine der ersten Ideen, die ich euren Warlockanführer mitteilen möchte … nehmt auf euren Reisen eine Strickleiter mit“, teilte er ihm noch auf dem Weg nach oben mit. Dann hielt er inne. Eine leise Stimme war zu hören, nicht weit entfernt vom Brunnen. „Da ist jemand …“, teilte er ihm auf telepathischem Weg mit, ehe er sich weiter auf seinem Weg nach oben klamm. Jetzt war er bereits so weit gekommen, es wäre fatal wenn er locker lassen und wieder nach unten rutschen würde.

Das Pferd schnaubte unruhig. Dann begann es nervös zu wiehern, so als wollte es vor einer drohenden Gefahr warnen. Dann nahm es reißaus. Dies war etwas, worum sich der Vampir erst später kümmern würde, es sei denn Aiven hätte einen Trick um es zurück zu holen. Erst war es wichtiger nach oben zu kommen. Doch ehe er das letzte Stück nach oben kam, konnte er beinahe dem Atem des ungebetenen Besuchers in seinem Nacken spüren. Doch rasch ließ diese Person wieder ab und machte erschrocken einen Satz zurück.

Lucian hatte es geschafft. Er stemmte sich mit seinen Händen an den Brunnenrand und schob sich dabei nach oben, sodass er nun mit dem Hintern auf den Brunnen saß, die Beine in die Tiefe baumelnd. Seine einst doch sehr teure, jetzt aber ziemlich verwitterte Kleidung war ein wenig feucht … aber das machte einem Vampir nicht sonderlich viel aus. Kälte war etwas, was ihm keinen Schaden anrichten konnte. Selbst einem harmlosen Schnupfen entkam er. Sein langes weißes Haar fiel ihm ins Gesicht, sodass er es mit einer Handbewegung zurück strich, um nachzusehen wem er da solch einen Schrecken eingejagt haben sollte. Da war eine junge Frau, nicht minder blass als er selbst, in einen Lohenmantel gehüllt. Was hatte sie hier verloren? Es gab nur eine Möglichkeit dies heraus zu finden. „Guten Abend … gnädiges Fräulein. Ist es nicht etwas … spät für einen Klosterbesuch?“ So ungefähr hundert Jahre, sollte die Vermutung des jungen Warlocks sich bewahrheiten. Ohne lange zu überlegen drehte er sich, um sich selbst wieder festen Boden unter seinen Füßen zu gönnen, erhob sich und streckte ihr seine Hand entgegen um den armen Ding hoch zu helfen.
Tatsächlich wirkte es auf Aiven nicht so, als hätte er von dem Blutsauger, dessen Mahlzeiten bisher aus einem Bären und einer Schlange bestanden hatten, etwas zu befürchten. Im Gegenteil, Großväterchen lächelte charmant und schien bester Laune zu sein. Man hätte ihn sich wirklich an der Frühstückstafel eines prächtigen Schlosses vorstellen können, distinguiert mit dem Löffel in der Teetasse klimpernd. Jedenfalls... wenn man den Blick nicht tiefer wandern ließ, denn die nach Moder und Schimmel stinkenden, von getrocknetem Blut verkrusteten Gewänder sahen zum Fürchten aus und machten jeden herrschaftlichen Eindruck zunichte. Dummerweise würde sich daran auch in absehbarer Zeit nichts ändern, denn hier mitten in der Wildnis gab es keinen Schneider. Ja nicht einmal eine unbeaufsichtigte Wäscheleine, geschweige denn überhaupt eine Menschenseele. Folglich würde auch die Selbstbeherrschung des Vampirs weiterhin auf die Probe gestellt werden, denn er würde sich mit dem Lebenssaft von Schlangen, Rehen und Hasen begnügen müssen. Wie lange er das wohl aushielt?

"Hab schon besser gelegen." Aiven gähnte und streckte sich. "Aber danke der Nachfrage. Und Ihr, Herr Adelsmann?" Seine Glieder waren zum Glück jung und elastisch, sodass es ihm wenig Probleme bereitete auf dem harten Boden in der Kälte zu schlafen. Dennoch war er durchgefroren und sehnte sich nach einem Feuer und einem heißen Tee zum Frühstück. Überhaupt Frühstück. Sein Magen hing nach der gestrigen schlaflosen Nacht und dem anschließend verschlafenen Tag in den Kniekehlen und knurrte vernehmlich. Ihm fiel auf, dass auch sein Proviant in absehbarer Zeit knapp werden würde, denn er war nur für kurze Zwischenrasten ausgestattet. Auf dem Weg nach Svetla hätte das eine oder andere Dorf auf seinem Weg gelegen, wo er die Vorräte hätte auffüllen können. Die Abwege, auf die er nun geraten war, waren nicht eingeplant gewesen. Aber dieses Problem wurde erst einmal in die Zukunft vertagt.

Es war ungewohnt, in der Dunkelheit aufzustehen. Man erwartete, dass Licht durch den Brunnenschacht hereinfiel und man oben ein helles Rund sah. Stattdessen sah er trüben Halbdämmer, und selbst das war nur der Augenmutation zu verdanken. Normale, menschliche Augen hätten ohne eine Fackel oder ein Licht nichtmal die Hand direkt davor erkennen können. Während Lucian bereits nach oben kletterte, nutzte Aiven die Zeit um seine Siebensachen am unteren Ende des Seils festzuzurren, sodass er sie nachher nur noch nach oben zu hieven brauchte. Er sah wie der Vampir die obere Umfriedung erreichte, das Seil losließ und sich über die Mauer zog. Mehr sah er erst einmal nicht. Aber da das Seil nun frei von Gewicht war, war er scheinbar an der Reihe. "Ich bin oben, Aiven! Kannst raufkommen!" murmelte er halblaut mit verstellter Stimme, war aber klug genug das nicht ganz laut zu tun, denn es konnte durchaus noch andere Gründe als mangelnde Rücksichtnahme geben, warum Lucian keinen Bescheid gab. Schließlich sollte es angeblich in der Ruine spuken, und auch noch andere Überraschungen waren denkbar. Als angehender Warlock bekam man beigebracht grundsätzlich immer mit allem zu rechnen, auch dem womit sonst niemand rechnete.

Beherzt griff also der Novize das Seil und zog sich Hand über Hand nach oben, wobei er eine Schlaufe um seine Füße geschlungen hatte, um einen besseren Halt zu haben. Er hatte es schon fast bis zur Umfriedung geschafft, die grob behauenen Steine des gemauerten Brunnenteils waren schon zu sehen, als ihn etwas inne halten ließ. Eine Stimme. Lucians? Aiven hielt den Atem an und spitzte die Ohren, um zu hören ob er sich nicht getäuscht hatte. Tatsache! Der Vampir sprach, und es klang nicht als ob er Selbstgespräche führte. Die Worte richteten sich ganz eindeutig an eine fremde anwesende Person! Rasch kletterte der Rotschopf höher und griff nach dem Ast, der immer noch über den Brunnen gelegt war, um sich wie an einem Querbalken bis zur Umfriedung zu hangeln. Dann ließ er diesen los und griff über den Brunnenrand, um sich nach oben zu ziehen. Vorsichtig schob er zunächst einmal die Nase darüber, denn er wollte die andere Person - noch - nicht auf sich aufmerksam machen.

Ihm bot sich ein seltsames Bild. Auf dem Hintern im Gras saß eine junge Frau, ganz offensichtlich erschrocken von der Erscheinung, die da plötzlich aus dem Brunnen geklettert war wie der leibhaftige Froschkönig. Allerdings hatte der Froschkönig sicher nicht so ausgesehen wie der Überlebende eines mittelprächtigen Massakers. Man hätte Lucian angesichts der Situation gut und gerne für ein Gespenst oder eine Erscheinung halten können. Nun... man lag ja auch nicht ganz falsch damit. Aiven musste grinsen. Es sah schon ziemlich merkwürdig aus, wie der Herr in der blutbefleckten Kleidung ihr die Hand reichte und dabei in einem Tonfall sprach als plaudere er über das Wetter. Da er immer noch am Brunnenrand klebte und ihm allmählich die Arme lahm wurden, zog er sich mit einem Ruck hoch und schwang sich seiterseits über die Mauer, um sich dann daran zu lehnen und das Schauspiel zu bestaunen. Dabei konnte er ein Kichern nicht unterdrücken und hielt sich rasch die Hand vor den Mund. "Tschuldigung! Bin gar nicht da..."

Atevora

Das Pferd an ihrer Seite schnaubte zufrieden als sie die Hand an seinen Hals und auf den Kopf legte um es zu streicheln. Das Tier hatte hier rings um einen Brunnen den Schnee aufgewühlt und mit seinen Hufen weg gescharrt um an das darunter liegende Gras zu gelangen. Einige Büschel wuchsen am Brunnen und nickten Kecke mit der leisen Versprechung, dass sie köstlich wären.

Doch Moment. Was waren das für Laute? Waren das etwa Stimmen? Oder war es der nächtliche Wind? Die bleichhäutige Frau lauschte und sah sich um. Ihr Blick fiel alsbald genauer auf den Brunnen über dem sie einen Ast gelegt entdeckte. Das einsame Reittier folgte ihr und beim Näherkommen erkannte sie ein Seil das um den Ast gewickelt worden war. Hatte hier jemand kürzlich Wasser geschöpft? Es war wert sich das näher anzusehen.

Eine weitere Windböhe kam auf als sie nach dem Seil greifen wollte und ließ die Magierin frösteln. Oder war es das Gefühl herannahender Gefahr? Das Pferd neben ihr Wieherte auf und sprang einen Satz zu Seite. Automatisch riss das Tier ihre Aufmerksamkeit auf sich. Nur einen Wimpernschlag lang sah sie ihm nach, doch dann bemerkte sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln. Vor sich im schwarzen Loch griff eine Hand aus dem tiefen Schacht. Bleich wie jener einer Leiche, mit Blut besprengt. Erschrocken wich die Magierin zurück als ein Schopf mit weißem Haar, wirr und schaurig aus der Brunnenöffnung tauchte. Der unebene Boden und ihr Mantel stellten ihr jedoch eine ungewollte Falle und sie landete nur mäßig gefedert vom frisch gefallenen Schnee auf dem Allerwertesten, während sich eine Gestalt aus dem Brunnen hob. Bleich wie der Tod, die Kleidung ein Pack aus Lumpen über und über voll mit verkrustetem Blut glich er einem irren Schlächter, der sich vor ihr aus seinem Grab erhob. Ein wahnsinniger Rachegeist der... ... ihr freundlich einen guten Abend wünschte?
Der Gräfin Kinn rutsche etwas tiefer und sie zweifelte einen Moment lang an ihren Sinnen er sie höflich und ein wenig aufziehend fragte ob es nicht etwas spät wäre für einen Klosterbesuch. Sie hatte ja schon viel gesehen, aber höfliche Schlächtergeister waren auch für sie neu. Allerdings, sie hatte auch einen höflichen Alben getroffen, also warum nicht auch ein vornehmes Gruselgespenst? Nach einem verdatterten Blinzeln hatte sie sich gefangen, schloss den Mund und legte sich die Worte zurecht. „Es ist genau an der rechten Zeit und Atmosphäre für diesen Ort.“ Die Stimme gleicht dabei jedoch keinem resoluten Donnern, sondern sie klang mild und leise wie es sich für ein adeliges Püppchen geziemte, das da, nebenher bemerkt, noch immer im Schnee saß und staundend wie ein aufgeschrecktes Rehkitz wirkte das nicht so recht wusste was es von der Situation halten sollte. Der Nachtwind zerrte indis vorwitzig an einer Strähne, zog und zupfte und spielte sich mit dem weißen Haar, während der Mann die Beine über den Brunnenrand schwang, sich erhob und ihr die blutverkrustete Hand entgegenhielt.

Jemand kicherte? Die blauen Augen spähten an der gespenstischen Siluette vorbei, während der verspielte böige Wind den Geruch von feuchter Erde, und modrigem Holz in ihre Nase kriechen ließ wodurch die groteske Erscheinung vor ihr sogleich deutlich realer wirkte. Ganz anders befand es ich mit der gesamten Situation, denn dort hinter dem Mann, mit den zerlumpten und von Motten reichlich durchnagten Kleider, die übrigens nach Silberfäden durchwirktem dunklem Brokat aussahen, hatte sich in weiterer Mann eingefunden. Ein Junger Bursche der ganz und gar nicht wie ein ermordeter und danach verscharrter Edelmann aussah sondern eher wie ein junger Abenteurer mit rötlichem Haaren, gehüllt in einen dicken Lodenmantel. Tschuligung, er ist gar nicht da? Dabei war er sehr eindeutig dort und seine Augen warfen das dämmrige Restlicht zu ihr zurück wie die einer Katze.

Wahrlich reichlich.. ungewohnt? Seltsam? Verrückt. Und etwas in der Gräfin inneren war sehr in Versuchung nach der vor ihre Nase gehaltene Hand zu greifen, nur um zu fühlen ob sie wirklich WIRKLICH war. Die blauen Augen richteten sich wieder auf den Mann vor sich, dessen Gesichtszüge auf eine eigentümliche Art und Weise attraktiv wirkten und scheinbar bar jedweder Vernunft griff sie nach der angebotenen Hand. „Danke, sehr galant.“

Die Erscheinung verschwand nicht. Ganz im Gegenteil. Sie spürte die Handfläche, bar jeder Wärme und so kalt wie der tote Stein des Klosters. „Oh.“ Sie fühlte die Finger, fern jedweder groben Schwielen, wie sie sich um ihre Hand schlossen. Sogleich bemerkte die Magierin wie sich die feinen Haare in ihrem Nacken aufstellten und ein Schauer sich das Rückrad hinab bewegte, während sie Mann mit einer eleganten und spielend leichten Bewegung auf die Beine zog.
„Ihr seid ja ganz kalt.“ Stellte sie fest, löste sich von ihm und ihre Augen wanderten abschätzend die Kleidung hinab und wieder hoch. „Kein Wunder.. schätze ich. Euch müsste auf diese Weise furchtbar frieren.“ Ja MÜSSTE. Warum schlotterte er nicht? Irgendwie überkam sie langsam so eine gewisse Ahnung. „Bitte erlaubt mir die indiskrete Frage, Herr. Weshalb steigt ihr Nachts aus einem Brunnen und seht aus wie ein abgeschlachteter Boljar?“ Den man dort für jahrhunderte hineingeworfen hat.. „Und wer oder was ist eurer Begleiter? Den wir vorhin eindeutig nicht gehört haben, da er nicht da ist und folglich im Moment auch nicht aus restlichtverstärkenden Augen zu uns herüber sieht.. “

Lucian

Es war eine Nacht wie jede andere und dennoch war diese Nacht besonders. Wenn man lange Zeit in einer Gruft eingemauert war, unfähig sich zu bewegen oder auch sonst irgendein Lebenszeichen zu zeigen, so sah man die gewöhnlichen Dinge gleich mit anderen Augen. Und so war es nicht weiter verwunderlich, dass die Laune sich merklich empor hob wie ein Murmeltier das einen kurzen Blick aus seiner Höhle heraus wagte, um nach dem Rechten zu sehen. „Es ist zwar nicht so, wie ich es einst gewohnt war. Aber war schon wesentlich schlechter gebettet.“ In einer Kiste beispielsweise aus der er nicht mehr heraus kam… und die war nicht einmal gut ausgepolstert! Und so war es nicht weiter verwunderlich, dass er nicht länger als nötig liegen bleiben wollte, sondern hinaus aus dem Loch, hinauf in die große weite Welt. Um Leuten zu begegnen, die … nun ja, zugegeben. Er hatte nicht erwartet jetzt schon jemanden anzutreffen. Und dann auch noch eine junge Dame, die sich ohne Begleitung nachts an diesen Ort wagte. Und so kam er nicht umhin sie danach zu fragen. Dass sie erschrocken war, verwunderte ihn nicht. Schließlich war er gerade aus einem Brunnen geklettert und sah alles andere als attraktiv aus in dieser zerlumpten, blutbefleckten Kluft. Doch er hatte bisher noch keine Gelegenheit gehabt sich umzuziehen und vollkommen nackt konnte er schließlich auch nicht durch die Wälder laufen.

Wieder Erwarten hatte sich die Dame jedoch schnell wieder gefangen. Das erleichterte die Situation zumindest. Wäre sie hysterisch geworden, so würde es ihm einiges an Kraft kosten, um sie zu beruhigen … gegebenenfalls sogar vergessen lassen, dass sie hier war und ihn gesehen hatte. „Bestimmt … Wenn man sich gerne gruselt.“ Bei dem Gedanken musste er ein wenig schmunzeln. Auch ihn zogen derartige Plätze einst an, wie Motten auf das Licht reagierten. Und die Akademie bot ihm alles was das Herz begehrte, um seinen Interessen zu folgen. Doch mittlerweile war es schon langweilig geworden. Was würde er heute wohl alles dafür geben um auch nur einen Tag hinaus gehen zu dürfen ohne die Konsequenzen fürchten zu müssen. Zu vergessen, wer oder was er war und zu leben, wie die gewöhnlichen Menschen es taten … die nicht zu schätzen wussten, welch ein Glück sie hatten, wie auch er einst derartige Dinge nicht zu schätzen wusste.

Interessiert musterte der Vampir die junge Dame. Dass sie sich hier ganz alleine an diesem düsteren Ort aufhielt und nicht vollkommen in Panik verfallen war, sagte bereits Einiges über sie aus. Weiter konnte er jedoch nicht darüber nachdenken, als sie beide ein Kichern vernahmen, das aus der Richtung des Brunnens kam. Lucian ließ sich davon nicht groß ablenken, wusste er doch bereits wem hier der Schalk gerade im Nacken saß und beließ es bei einem kurzen Blick, ehe er der Frau half wieder auf die Beine zu kommen. „Nichts zu danken … es ist mir eine Ehre“, erwiderte er in gewohnter Manier. Auf ihr Kommentar, dass er kalt war ging er nicht weiter ein. Warum sollte er ihr auch auf die Nase binden, welchem Naturell er entsprach und dass er nicht genug getrunken hatte, um es auf eine angemessen unauffällig warme Körpertemperatur zu bringen. Nichts desto trotz schien sie ihre Neugier beizubehalten und ihn nach seinem Auftreten zu fragen. „Nun ja … das ist eine lange Geschichte. Zusammengefasst ... ich hatte eine furchtbar wilde Nacht hinter mir und seither noch keine Gelegenheit gehabt mich zu waschen und neu einzukleiden.“ Unschuldig verzog er sein Gesicht.

„Ach … wo bleiben bloß meine Manieren. Mein Name ist Moriescu … aber angesichts der Umstände dürft ihr mich gerne bei meinem Vornamen Lucian nennen.“, stellte er sich schließlich vor und vollzog eine ausschweifende Geste. „Was meinen Begleiter angeht …“ sein Augenmerk wanderte jäh in Aivens Richtung. „Ich möchte ungern für ihn sprechen, aber wenn er sagt er sei nicht da … dann solltet ihr ihm besser den Gefallen tun und diesen Wunsch respektieren … und ihn folglich auch nicht sehen. Und wer weiß … möglicherweise möchte er dann rasch wieder hier sein und sich ebenfalls bei euch vorstellen.“ Ein kurzes Schmunzeln lag auf seinen Lippen, als er feixend zu dem Warlock hinüber sah.
Kalt war es hier oben. Erst jetzt fiel einem auf, wie relativ warm und gemütlich es doch in der windstillen Kaverne dort unten gewesen war. Hier dagegen pfiff es zum Göttererbarmen über das Plateau, und es wunderte Aiven nicht dass im Laufe des Tages Schnee gefallen war. Nicht viel, denn es war bereits Frühjahr, aber der Rotschopf war ganz froh nicht auf den Alten gehört zu haben. Er zog den Mantel enger um die Schultern. Das Pferd schien es indes gut überstanden zu haben, denn es scharrte friedlich mit den Hufen die dünne Schneedecke weg und rupfte das darunter liegende Gras. Als es seinen Reiter erkannte, nickte und wieherte es zur Begrüßung. Wie man unschwer erkennen konnte, hatte es Hunger. Gras sollte es nicht unbedingt fressen, denn das führte zu Blähungen, insbesondere wenn es zusammen mit Schnee gefressen wurde. Nachdem Aiven dem seltsamen Treiben einen Moment zugesehen hatte - der Vampir und seine neue Bekanntschaft schienen gut ohne ihn auszukommen, und es sah auch nicht so aus als wollte Lucian seine Zähne in den Hals der Lady schlagen - wandte er sich wieder dem Brunnen zu und schnappte sich das Seil, an dessen Ende er seine Habseligkeiten festgebunden hatte.

Ein paar kräftige Züge, und Sattel nebst Taschen kamen zum Vorschein. Als Erstes kramte Aiven nach dem Futtersack, in dem sich Hafer für das Pferd befand. Das Pferd besaß keinen Namen. Vielleicht hatte es mal einen besessen, aber der war im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Es war eins der Austauschtiere, die bei Bedarf an Warlocks ausgegeben wurden, die gerade eins brauchten. Aiven hatte den Wallach auf den Namen Hey getauft. Darauf hörte er genauso gut wie auf Schindmähre oder Bratkartoffel. Nämlich gar nicht. Dafür reagierte er jedoch auf Zungenschnalzen und kam sofort erwartungsvoll schnaubend näher, als der Haferbeutel ausgepackt wurde. Zur Belohnung für's brave Warten gab es einen schrumpeligen Apfel, dann wurde der Futtersack umgehängt, und alsbald kündeten mahlende Kaugeräusche von großer Zufriedenheit. Während das Tier fraß und die beiden immer noch mit gegenseitigen Vorstellungsfloskeln beschäftigt waren, machte sich Aiven ans Aufsatteln. Er lauschte nur mit halbem Ohr dem Gespräch - wenn überhaupt - und sah erst auf, als das Geplätscher plötzlich verstummte und er irgendwie das Gefühl hatte, dass er gemeint war.

"Hm?" Der Rotschopf lugte über die Satteldecke hinweg, die er gerade über den Rücken des Tieres geworfen hatte. Er sah zwei erwartungsvolle Augenpaare auf sich gerichtet. Das der wohlangezogenen Dame, die sich zudem sehr gewählt auszudrücken vermochte, schaute neugierig drein, während der Vampir grinste als hätte er gerade einen Gaukler zum Frühstück gehabt. "Oh!" Nach einem Moment des Überlegens dämmerte dem Novizen, dass man wohl auf seine Vorstellung wartete. "Ähm... ich bin Aiven", holte er das rasch nach. "Warlock aus Hrád Selvita. Dorthin sind wir auch unterwegs. Ihr sollet Euch ein wenig vorsehen, Mylady. Großväterchen hatte nur einen Bären und eine Schlange und ist durstig. Auch wenn er nett ist und sich derzeit noch im Griff hat, kann sich das schnell ändern. Ich schlage vor, Ihr geht rasch Eurer Wege und vergesst dass Ihr uns getroffen habt." Als Warlock war er verpflichtet darauf hinzuweisen, und auch niemanden unnötiger Gefahr auszusetzen. Soweit er mitbekommen hatte, war der Vampir vollauf mit Süßholzraspeln beschäftigt gewesen und hatte - beabsichtigt oder nicht - vergessen die Dame aufzuklären.

Atevora

Welch eine Zusammenfassung! Unglaublich befriedigend und alleserklärend. Skeptisch beäugte Atevora ihren Gegenüber. „Ahja. Jetzt bin ich völlig im Bilde.“ Es vermutlich eine eigene Kunst einfach überhaupt nicht mehr sondern sogar weniger zu beschreiben als man ohnehin schon sah.
Zumindest konnte sie an der überaus ausschweifenden und detailreichen Beschreibung erahnen, dass sie hier keinem Fabelbläser, Possenreißer der Schwänkeschmetterer gegenüberstand, der gerne und reichlich Seemannsgarn vor sich hin sponn. Aber etwas genauer hätte sie es schon gerne gewusst was den Mann so zurichtet hatte und weshalb die Beiden in einem Brunnen gelandet waren. Womöglich war der rothaarige Bursche auskunftsfreudiger? Unauffällig spähte die Magierin einen Augenblick am männlichen Schlachthausgeist vorbei zum Brunnen. Der junge Mann schien sehr tüchtig zu sein. Ohne weiter auf die beiden Weißhaarigen zu achten, holte er etwas aus dem Brunnen hervor und machte sich daran das Pferd wieder ‚einzufangen‘. Die Spannung in dieser Szene ließ der Gräfin Aufmerksamkeit rasch wieder zurück zu dem derangiert aussehenden weißhaarigen Mann schweifen. „Und mit wem habe ich die Ehre?“ Sofort besann sich der Gegenüber seiner Manieren und stellte sich mit seinem Namen vor.

Die Magierin blinzelte einen Moment und Ordnete ihre Gedanken. „Lucian Moriescu.“ Wiederholte sie vorsichtshalber nochmals und musterte das unnatürlich bleiche Gesicht ihres Gegenübers. Aber es zeigte sich keine Regung, dass sie den Namen falsch verstanden hatte. War das ein Scherz? Der Primus des gefallenen Hauses Castori, der erste seiner unseeligen Art und DER Grund weshalb jegliche Art der Schattenbeschwörung in Aeria als verboten galt?
„Sehr erfreut.“ Wirklich? Sie war womöglich eher Neugierig, wahlweise sogar etwas wahnsinnig. ''Mein Vorname ist Atevora.“ Womöglich war es auch nur eine zufällige Namensgleichheit. Oder vielleicht auch ein völlig mit Absicht angeeigneter Name und ein wohl zelebrierter Auftritt. Er würde hier an Willensstärke mit dem völligen Ignorieren der Kälte und dem Wahren des Scheines um keine Schwäche zu zeigen beinahe Malar übertreffen. Bei näherer Überlegung erwog die Weißhaarige das schon beinahe als unmöglicher als hier tatsächlich und leibhaftig dem höchsten der Castori gegenüber zu stehen. Der übrigens für ein Monster unerwartet höflich und charmant wirkte und obendrein einen schneidigen Humor besaß der ihr gefiel. Noch mehr Grund auf der Hut zu sein. Aber anmerken lassen musste sie sich das nicht zwangsläufig, und so schmunzelte Atevora und griff sich künstlich in grüblerischer Manier ans Kinn. „So wie ich das sehe sprecht ihr von einem Wunsch der nie geäußert wurde weil die Person nie da war um ihn auszusprechen. Konsequent der Logik gibt es keinen Wunsch der respektiert werden müsste.“ Einleuchtend, oder? Folglich war der Mann da, weshalb die Magierin nun direkt zu dem schlackigen Burschen sah, der vielleicht an die sechzehn oder achzehn Lenze erlebt haben könnte und der gerade dabei war seinen Klepper zu satteln. „Sowas? Wer ist denn der Junge Mann dort am Brunnen den ich jetzt erst sehe?“
Jetzt registrierte auch der Rothaarige, dass die beiden weißhaarigen Gestalten über ihn sprachen. Er eröffnete die Unterhaltung mit einem eloquent fragendem „hm?“

Vorhin noch so schweigsam in seine Routine mit Pferdefütterung und Satteln vertieft, plätscherten die Worte nun nur so frei wie ein sprudelnder frischer Gebirgsquell aus ihm heraus, dass es sogar die Magierin in Staunen versetzte. „Der Bär bot nicht genug Blut?“ Verdutzt wanderten die blauen Augen zurück zum Vampir. Langsam besah sie ihn nochmal von oben bis unten. Also der Bär erklärte den Zustand der Kleidung. Jedenfalls zu einem großen Teil. „Nur der Neugierde wegen: War es vielleicht ein mutierter Babybär mit den Klauen und der Kraft eines erwachsenen Tieres? Oder wars weil der Bär mehr zerfetzt wurde als die Kleidung?“ Wollte sie das wirklich wissen? .. „Den Vorschlag muss ich leider ausschlagen. Ich glaube so schnell vergesse ich nicht, dass der Primus von einem jungen Warlock Großväterchen genannt wird." Wobei das bei einer 600 Jahren alten Person irgendwie doch ganz passend erscheint. "Ihr Beide kenn euch schon länger?" Die vertraute Ansprache ließ sowas mehr als nur vermuten, und das Ganze war mehr eine Frage die darauf abziehlte zu erfahren wie lange, und wo sie sich kennen lernten, vielleicht auch um in Erfahrung zu bringen weshalb ein so junger Warlock mit Lucian durch die Gegend zog.
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