Lost Chronicles

Normale Version: Die Reise der Schönen und des Biests
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Esper

Das Wetter dieser Tage hatte die Angewohnheit, sich seinem Gemüt nach spontan zu verhalten. Es konnte von Regen zu Sonnenschein um schwingen, während man einmal kurz mit den Wimpern zuckte. Zum Glück des Mannes mit den zum Zopf geflochtenen Haaren, machte ihm das nicht sonderlich viel aus. Aus den nördlichen Gefilden Gröngaards war er weit schlimmere Witterungen gewohnt und so bedurfte es für die Reise auch keine übermäßigen Vorbereitungen in Form einer ausgedehnten Garderobe.
Er hatte sich wie abgesprochen zum entsprechenden Zeitpunkt auf dem Markt eingefunden, wo sich die Karawane bestehend hauptsächlich aus Händlern und Wachen sammelte, um hoffentlich in Bälde aufzubrechen. Esper hatte eine Route ausgearbeitet, sie auf einer Karte eingezeichnet und die Karte dreifach abgezeichnet, eine für sich, zwei um sie auf die Karawanenführer zu verteilen, eine vorn, eine hinten, falls aus irgendeinem Grund eine Trennung der Gruppe erfolgte.
Für Esper war das nicht der erste Auftrag dieser Art, es hatte ihn schon in der Vergangenheit nach Waljagrad verschlagen. In der letzten Zeit jedoch hatte er diese Inseln gemieden, denn die Entwicklungen dort machten das Land nicht gerade zu einem beliebten Urlaubsort. Umso wichtiger war ihm bei diesem Auftrag die Bezahlung, die in der Tat fürstlich ausfiel. Ein Umstand der es schwer gemacht hatte, dem Angebot des Händlers in der Taverne zu widerstehen.

Und so stand er nun hier, als einer der Ersten des Zuges in Richtung Waljagrad. Es war früh am morgen, der Wind wehte aktuell recht frisch, die Sonne schien und der Boden war noch nass von den nächtlichen Regenfällen. Mit einer Kante trockenem Brot auf der Hand, hatte Esper auf einer Bank am Rande der Straße platz genommen und wartete darauf, dass sich alle einfanden. Sein Blick auf den Boden gerichtet, beobachtete er wie sich die vorbeigehenden Bürger im Wasser der Fützen des Regens spiegelten, er sog die Luft ein und genoss den Wind, der seinen Haaren schmeichelte. Noch war es relativ still auf den Straßen, doch wie immer war es nur eine Frage der Zeit, bis sich dieser Umstand ändern würde.

Immer mehr Mitglieder der Karawane zeigten sich, jedenfalls erschienen sie als solche, unter ihnen auch der Mann, der ihn angeheuert hatte. Nach kurzem Gespräch mit seinen Kollegen, trat dieser dann an Esper und erkundigte sich über die Pläne. Esper weihte ihn sitzend ein, überreichte zwei der angefertigten Karten und gab zu verstehen, dass er jederzeit bereit war, bevor er sich wieder den Wasserlachen und dessen Spiegelungen widmete, denn scheinbar fehlten noch einige Mitglieder der Reisegemeinschaft.
Alles schien irgendwie grau, ob es an der Jahreszeit lag, am Wetter oder seiner Stimmung vermochte er nicht so recht zu sagen.

Erst als eine Frau mit nahezu weißem Haar zur Gruppe stieß, schien seine Aufmerksamkeit von den Spiegelungen abzulassen. Es war ein merkwürdiger Anblick, denn ihr Körper wirkte von hinten betrachtet jung und zierlich, beinahe etwas zerbrechlich, während ihr Haar sie zwar nicht weniger zerbrechlich, dafür jedoch deutlich älter wirken ließ. Wie eine Art magischer Bann, der seine Aufmerksamkeit nun auf sie zu zwingen schien, beobachtete er die Frau, nur um festzustellen, dass ihr Körper ihrem Gesicht nach dem Alter mehr entsprach als ihre Haare.

Atevora

Wie war das noch gleich? Beim großen Speicherhaus links. Nein rechst. Vielleicht doch Links? Die Magierin ärgerte sich und spähte hoch zum Himmel, in der seichten Hoffnung irgendwo zwischen den Dachgiebeln ihre Eule zu erspähen, welche der Comtesse Dilemma erkannte und ihr sodann den Weg zurück zum Marktplatz wies. Wie konnte sie sich nur verlaufen? Sie war doch kürzlich vom Marktplatz aus weiter zur Schneiderei geeilt um sich dort noch einige Kleidungsstücke abzuholen. Besagte Kleidungsstücke befanden sich nun in dem zusammengerollten Bündel an ihrer Seite, neben ihrer Umhängetasche mit den Schreibutensilien und magischen Utensilien die sie tunlichst nicht aus den Augen ließ.

Die Gräfin seufzte. Es würde ungewohnt so feste Kleidungsstücke aus gewalkter Wolle und obendrein keinem deutlichen Zeichen ihres Hauses, oder ihrer Familie darauf zu tragen. Irgendwie hielten die neuen Strümpfe die sie vorhin angezogen hatte zwar die Füße nun wohlig warm, aber sie kratzen jetzt schon. Wenigstens ist das Wetter in diesem herrlichen trostlosem Grau und verschonte mich mit lästigem Sonnenstrahlen. So konnte sie wenigstens darauf verzichten von Schatten zu Schatten zu huschen, während sie ein klein wenig orientierungslos durch die Stadt stolperte. Stolpern traf es einigermaßen, denn die ''gepflasterten'' Wege in diesem Altstadtviertel hatten nichts gemein mit dem sorgsam verlegten Granitplatten Aerias, oder Kopfsteinpflasterwegen von Armadale. Wer pflasterte bitte Straßen mit faustgroßen abgerundeten Flussbeetsteinen? Aber gut, andere Länder andere Bauweisen, Gepflogenheiten und Sitten. Das hatte sie schon leidlich überrascht in der Taverne festgestellt.
Wenn es eines gab was die Magierin verachtete, dann war es ungenügende Vorbereitung. Nur leider fehlte die Zeit für diesen „Ausflug“ in fremde Gefilde um sich intensiv genug einzuarbeiten. Den Gutteil der Überfahrt musste sie noch damit nutzen sich Vokabeln anzueignen und die ungewohnten Waljaren-Schriftzeichen zu verinnerlichen. Oben darüber gestreut galt es noch ein paar Schmöcker durchzublättern in denen wichtige magische Pflanzen und Tiere aufgelistet waren. Da blieb keine Zeit mehr für das, wenn auch nur rare Wissen, zu Kultur und Brauchtum, geschweige denn zum Studium von Stadtplänen. Daran die Überfahrt und eine schöne Aussicht aufs offene Meer zu genießen konnte noch nicht einmal gedacht werden.

Für die bevorstehende Reise fühlte sie sich nun jedoch einigermaßen gut vorbereitet. Der Großteil der Bücher, die ihr in ihrer Schiffskabine Gesellschaft leisteten, befanden sich nun auf dem Rückweg. Teilweise jedenfalls. Sie würden auf ihrer Heimreise in Armadale bei Malar auf sie warten. Herr Beradren hatte sich als wertvolle und gute Position herausgestellt und natürlich würde sie die wertvollen Aufzeichnungen persönlich wieder abholen.
Apropos gute Position. Auf einem der Dachgiebel, wunderschön sichtbar exponiert hatte sich gerade Via niedergelassen. Ein Flügel angelegt, und einen weiteren Richtung Westen ausgestreckt, mimte sie den hilfreichen gefiederter Wegweiser durch den Straßenuhrwald. Was täte ich nur ohne dich..

Rasch lenkte die Magierin ihre Schritte in die ihr gewiesene Richtung und schleichend änderte sich der Geräuschkulisse. Deutlich war das Knattern von Wagenrädern und vermehrtes geklappter von Hufen auf Asphalt zu vernehmen. Ah! Und da war auch ein Karren der in die Selbe Richtung strebte und sicher darauf hinwies, dass sie sich ihrem Ziel näherte.
Am Marktplatz angekommen blieb die Gräfin stehen. Die morgendliche Kälte hatte sich inzwischen auf ihre zarten Hände gelegt und die perfekt manikürten Finger klamm werden lassen. Grund genug um sie vor ihr Gesicht zu heben und mit einem Hauch ihres warmen Atems zu wärmen.

Inzwischen hatten sich bereits Karren eingefunden. Gespanne, darunter auch die für dieses Land so typischen Troika, mit offenen Anhängern und vollbeladenen Planwägen. Auf einem waren ihre übrigen Habseligkeiten aufgeladen worden zu denen sie auch ihr Bündel packen wollte. Aber der Wagen stand nicht mehr am selben Ort wie zuvor. Einen Moment ließ die Gräfin den Blick schweifen, da überkam sie ein eigenwilliges Unwohlsein und Kribbeln im Nacken. Langsam drehte sie sich um und bemerkte, dass sie ein Mann beobachtete. Sie hatte ihn vorhin nicht wirklich wahrgenommen, dabei blitzten die eisblauen Augen selbst in dem dämmrigen Grau das Morgens intensiv. Diese strahlenden Augen waren eindeutig auf sie gerichtet.

Automatisch ließ sie ihre Hände sinken und musterte ihrerseits den Fremden. Er trug blondes Haar doch es wer eigenwillig an den Seiten abrasiert. Der übrig gebliebene Schopf langen Haares war augenscheinlich zu einem geflochtenen Zopf zusammengefasst. Das Gesicht verdeckte zum großen Teil hellblonder voller Bart in der Farbe seiner Haupthaare. Sehr zu der Gräfin Freude wirkte dieser nicht ungepflegt und verwahrlost mit den Resten der letzten Mahlzeit darin. Insgesamt wirkte der Mann mit dem „Kriegswerkzeug“ an der Seite und der schlichten Lederkleidung samt Kettengeflecht keinesfalls wie einer der umgebenden Fuhrmänner, sondern wie ein gestandener Krieger der seinen Blick nicht ertappt abwandte, sondern weiter auf seine Beute richtete. Nun denn Fremder, schauen wir mal wer du bist.

Die Mundwinkel der Magierin schoben sich eine Nuance in die Höhe und präsentierten ein zwangloses Lächeln. Dieser Art bewaffnet hielt sie Schnurstracks auf den Mann zu. „Guten Morgen! Ein herrlich wolkenverhangener Tag, nicht wahr?“ Ließ sie fidel verlauten als sie vor ihm stand. „Ihr seht nicht aus wie die übrigen Kaufleute und Kutscher. Seid ihr nur zufällig hier und genießt den Morgen? Oder seid ihr angeheuert worden um den Wagentrupp vor Bösewichten zu beschützen?“

Esper

Wenn es nach Esper ginge, hätten sie nicht schnell genug aufbrechen können, aber wie so oft im Leben, ging es nicht nach ihm. Ein Umstand an den man sich gewöhnte, wenn man lange genug Zeit hatte sich damit abzufinden. Problematisch wurde es dann, wenn man sich so sehr an diesen Umstand gewöhnte, dass man eigentlich gar nicht mehr versuchte überhaupt einen eigenen Willen zu haben. Auch wenn das auf den ersten Blick alles sehr dramatisch klang, war das wohl in etwa die Situation, in der Esper sich aktuell wiederfand. Etwas zu finden, was ihm die Kraft und den Mut zurückbrachte um für sich selbst, oder zumindest für ein bestimmtes Ziel einzustehen, schien sehr, sehr fern.

Auch das Antlitz eines solchen Engels, wie er sich aktuell vor ihm offenbarte, hatte darauf wenig Einfluss. Etwas überrumpelt war er denn offensichtlich doch, als sich genau dieses Wesen nun auf ihn zu bewegte. Ohne lange darüber nachzudenken, wanderte die Brotkante in seiner Hand unachtsam auf dem Boden, wo sie mit Verschleiß der Zeit, immer mehr Regenwasser aufsaugen würde, bis sie letztlich in ihre aufgeweichten Einzelteile zerfallen würde, wenn sie nicht vorher Nahrung für irgendwelche Ratten oder Federvieh darstellte.

Als ihre Stimme erklang und von den Wolken sprach, wandte Esper für einen Moment seinen Blick von ihr ab und schaute kurzfristig in den Himmel, als müsse er überprüfen, ob denn wirklich Wolken zu erspähen waren. Natürlich wusste er das bereits, suchte jedoch vergeblich nach der Emotion, welche die junge Frau diesen morgen als herrlich hatte beschreiben lassen. Es war ein Tag wie jeder andere, nicht mehr oder weniger herrlich, nicht minder trist, oder auffallend erheitern, eben genau wie jeder andere Tag zuvor und seinem Verständnis nach, auch jeder kommende Tag. Esper ahnte, dass diese Ansicht vielleicht nicht die populärste war, aber es war auch nicht so, als könne er dies einfach ablegen und die Welt anders sehen, als er sie eben sah.

Als sie ihren Mund öffnete und zu reden begann, konnte er nicht anders, als das Bild eines intriganten Orakels der Alten vor sich zu verspüren. Esper wusste nicht genau wieso, doch es wirkte, als kreisen die krächzenden Raben als Boten des Ewigreiches über ihnen, kündigten das bevorstehende Ende der Welt an. Welcher Umstand ihm diesen Schauer über den Rücken jagte, vermochte er an dieser Stelle nicht zu sagen. "Da bin ich nicht sicher.", war seine, zugegeben, etwas merkwürdige Antwort. Ganz Esper eben.
"Welch Zufall könnte einen Gauner wie mich an den Ort einer startenden Karawane bringen, wenn nicht die Aufgabe diesen zu beschützen, oder aber ihm aufzulauern und sich daran zu bereichern?" Letzteres hätte man wohl geschickter anstellen können, als sich auf offener Straße auf einer Bank zu postieren, zugegeben. Auf der anderen Seite waren Wegelagerer in der Regel nicht unbedingt für ihr Hirn gefürchtet, also vielleicht auch nicht ganz undenkbar. "Man warb mich an, eine brauchbare Route festzulegen.", stellte er dann klar, nur um jede Irritation zu beseitigen. "Wie könnte aber jemand wie ihr einer solchen Expedition angehören, wirkt ihr doch von königlichem Geschlecht? Ist dies euer Unterfangen?", erkundigte er sich dann weiter.

Atevora

Skeptisch kletterte des Mannes Blick gen Himmel. Eine Gestik welche Atevora nicht verwunderte, schließlich hatte sie bei diesem Wetter von einem herrlichen Tag gesprochen. Ob sie ihn veralberte, oder womöglich sogar nicht mehr ganz bei Trost wahr? Wie sollte ein Gegenüber auch ahnen warum ihr ein bewölkter Himmel nicht die Laune verhagelte, sondern das Gemüt auf die gleiche Weise erhellte wie jemand anderes ein wolkenlos sonniger Frühlingstag?
Seine Antwort auf ihre Frage war jedenfalls diffus, vielleicht sogar ein kleines Rückspiel auf ihre fragwürdige Bemerkung zum Wetter. „So?“ Nicht sicher war er sich angeblich. Der Magierin geschätzten Meinung nach benötigte es auch keiner Zufälle um zu einer auf einem öffentlich zugänglichen Marktplatz startenden Karrentruppe zu gelangen, sondern nur zwei gesunde Beine.

Als er den Satz mit dem Auflauern formulierte schoben sich der Magierin Mundwinkeln noch einen Ticken weiter in die Höhe und ihre Augen funkelten verdächtig amüsiert. „Mhm. Offen sichtbar lauernd.“ Das war ein Oxymoron! Welch bittersüßer Kunstgriff in so manch bedeutsamen Werk. „Wirklich raffiniert. Damit würde wahrlich niemand rechnen.“ Weil einfach niemand so blöd war. Wobei - wenn sie an die Szene zu ihrer Ankunft im Hafen zurückdachte, waren manche möglicherweise tatsächlich so dämlich. Sie wurde aber auch stets aufs neue von der grenzenlosen Dummheit der Leute denen sie begegnete überrascht. Die Frage war also ob dieser Herr wohl dazu zählte? Im Moment hatte es nicht den Anschein und nach dem kurzen Einleitungstäntzchen aus beidseitigen geschmetterten verbalen Nonsens verriet der Blondhaarige dann doch auf welche Weise er sich ins Umfeld einfügte. „Ah! Gleich viel glaubwürdiger. Schätze ich.“ Die weiteren Worte des Mannes schmeichelten ihr dann tatsächlich. Andererseits gab es ihr auch ein wenig zu denken, da sie sich doch so bemüht hatte ziviler zu wirken. Zumindest ein wenig. „Sehr schmeichelhaft werter Herr, aber leicht vorbei getroffen. Ich wurde für diese Unternehmung ebenfalls angeworben und bin somit hoffentlich gleichsam Nutznießer wie Gewinn für diesen Fuhrwerksverbund. Es ist fast ein wenig schade, dass ihr kein Bösewicht seid, mit diesen habe ich mitunter den meisten Spaß. Auch wenn dieser in der Regel nicht auf Gegenseitigkeit beruht.“

Einen Augenblick dachte sie an ihren letzten Ausflug nach Vandrigg zurück, und wie sie einem dieser elenden Verrückten damals einen von Askalans Schwanzstacheln in die Augenhöhle gerammt hatte. Auch daran wie er noch einen Augenblick lustig gezuckt hatte bevor er starb. Dabei war es jedoch dahin gestellt wie rühmlich man es bewerten konnte, dass sie den Anblick spannend und obendrein enrsthaft untersuchenswert fand ob der Effekt dem Gift oder dem speziellen Eintrittswinkel des Stachels geschuldet war. „Es freut mich jedoch den Wegfinder der Karawane kennen zu lernen. Dann bin ich bei Euch also richtig um zu erfahren ob die gewählten Pfade bestmöglich an Inglander Verbände vorbei führen.“ Ob er sich schon einen Reim daraus machen konnte? „Da fällt mir ein, wir haben ganz die üblichen Höflichkeiten vergessen und uns einander nicht vorgestellt. Mein Name ist Atevora Waílamereis.“

Esper

Auch wenn er kein Wegelagerer war, war Esper vielleicht nicht unbedingt das, was er selbst als ehrenwerten Bürger und angesehenes Mitglied der Gesellschaft bezeichnet hätte. Er war halt irgendjemand, der für sein Leben selbst einstehen musste, weil er sicher war, dass es niemand anders tat. Und wenn das ab und an bedeutete, Dinge tun zu müssen, die eben getan werden mussten, dann war das so. Das machte ihn allerdings nicht gleich zu einem Verbrecher.

Die Zusammenfassung seiner Kundgebung, er könne ein Wegelagerer sein, traf die Sache im Kern ganz gut. Ob Esper selbst es als nötig erachtet hätte, all die unterschwelligen Dinge noch einmal zu formulieren, wagte er zu bezweifeln, auf der anderen Seite jedoch, war er eben auch nicht unbedingt der redselige Typ, als vielmehr der schweigsame. Und ansich war das Reden in einer Konversation ja auch nicht ganz unüblich, immerhin war es häufig das, was eine Konversation eben ausmachte, vielleicht sogar immer, wie hätte er das schon sagen können?
Er als Wegweiser schien hingegen deutlich glaubwürdiger in den Augen der jungen Schönheit, die für Esper noch immer wie eine Prinzessin anmutete, obgleich nicht klar war, ob er das selbst als positive Eigenschaft erachtete oder nicht. Vermutlich nicht einmal ihm selbst.
Die Kleidung der Dame konnte über den Rest nicht hinweg täuschen. Das glänzende Haar, die alabasterfarbene Perfektion ihrer Haut, keine Anzeichen des herkömmlichen Volks.
Doch scheinbar lag er falsch und sie war, wie er, angeworben diesen Trupp zu geleiten. Eine absonderliche Vorstellung, die Esper dazu verleitete an ihr herunter zu blicken, bis zu ihren Händen.
"Ihr seht nicht gerade aus wie eine Kriegerin, die dazu bereit ist sich ihre Hände schmutzig zu machen. Auch gehe ich nicht davon aus, dass ein zweiter Wegführer angeworben wurde. Bleibt die Vermutung, dass ihr eine Hexe seid, oder etwas in der Art.", für Esper war der Begriff Hexe wohl deutlich weniger negativ behaftet als für Leute aus diesen Gefilden. In der Kultur der Vali waren Hexen soetwas wie Seherinnen, Orakel und der Gleichen, Medien die dazu in der Lage waren, mit Gefallenen aus der Ewigwelt zu kommunizieren und andere Wunderlichkeiten zu vollbringen, die mal mehr und mal weniger übernatürlich wirkten, manchmal eben auch nur wie ausgemachter Hokuspokus. Vielleicht hatte ihn deshalb zuvor dieses Unwohlsein beklommen.
"Wenn ihr wollt, spiele ich euch den Bösewicht, wenn ihr das Bedürfnis habt euch auszutoben.", Esper hatte natürlich keine direkt Ahnung auf was die da genau anspielte, aber er war wie immer neugierig, auf seine Weise.
"Die Routen machen einen Bogen um die meisten zivilen Städte, da diese auf den Straßen meist jene sind, an denen Wegelagerer wie ich es bin, in der Regel ihre Stellung halten.", erklärte er mit einem leichten Grinsen. "Geplant sind ein paar Stopps des Tages über, um Vorräte aufzustocken, mehr nicht. Inglander zu meiden jedoch war bisher keine Prämisse.", stellte er fest.

Atevora

Sie kannte diesen abschätzende Blick, der von Oben nach Unten und wieder zurück wanderte um den Gegenüber zu Messen und in eine vorhandene Schublade zu packen. Sie hatte allerdings die Angewohnheit aus den Meisten über kürzere oder längere Zeit fröhlich wieder hinaus zu purzeln. Der blondhaarige Mann ließ auch nicht lange darauf warten ihr das Ergebnis seiner Bewertung mitzuteilen. „Ihr habt Recht. Ich mache mir tatsächlich nicht gerne die Hände schmutzig.“ Dafür hatte man in der Regel seine Lakaien. Natürlich war sie sich bewusst, dass der Krieger es anders gemeint hatte als sie selbst, und von körperlicher Arbeit gesprochen hatte. Wohl wahr, sie wäre reichlich unpassend besetzt wenn es darum ging, mit einem Ochsenkarren ein Feld zu pflügen, oder mit Muskelkraft einen alten Baumstumpf auszugraben. Geputzt hatte sie bisher auch nur ihren Arbeitsplatz und von Haushaltstätigkeiten verstand sie ebenfalls nicht viel. Womöglich bekam sie es aber noch hin ein Süppchen zu kochen das genießbar war. Sie hatte schließlich die Grundzüge der Alchemie vermittelt bekommen und vermochte den einen oder anderen Trank zu brauen, wie schwer konnte es da schon sein ein Suppenhuhn zu sieden? „Und eure Vermutung strebt in die richtige Richtung. Allerdings bin ich keine zwielichtige waljagrader Dorfhexe.“ Oder eine sonstige gewöhnliche Heckenmagierin. „Also mit geworfenen Knochen und dubioser Wahrsagerei kann ich leider nicht dienen, aber ich werde mich Herausforderungen magischer Natur stellen, oder meine Heilkünste anbieten, sollte jemand v e r s e h e n t l i c h in einen Pfeil, eine Schneide oder ein Monstergebiss laufen.“

Auf ihre Aussage zum Bösewicht stieg der noch Unbekannte auch ein, allerdings auf eine Weise die sie auf grund ihres Nachsatzes so nicht erwartet hatte. „Tatsächlich? Das könnte interessant werden.“ Die Magierin neigte sich eine Nuance nach vorne und Schmunzelte katzenhaft. „Ich werde auf das Angebot zurück kommen.“ Ob er ahnte welchen Handel er hier mit ihr gerade Eingengagen war? Vermutlich hüpften im Kopf des Mannes ganz andere Bilder herum als in ihrem.
„Wegelagerer wie ihr. Hm. Und wir meiden sie? Dabei seid ihr doch hübsch anzusehen und wirkt eigentlich ganz sympathisch. Ein paar mehr eurer Sorte wären doch gar nicht so verkehrt. Inglander hingegen....“ Sie als fremdländische Streit- und Besatzungsmacht die vom Nachschub abgeschnitten wurde, würde sich alle Finger nach einer Wagenladung mit Proviant und Ausrüstung ablecken, folglich würde sie selbst Gebiete welche von dieser Fraktion besetzt gehalten wurden mit einer Handelskaravane eher meiden. Obendrein wenn ein zartes Magiernäschen als Bonus darüber gestreuselt lockte. „Ihr kennt euch sicher aus und könnt die Lage gut einschätzen. Ich habe aufgrund meiner Profession wohl leider eine natürliche Abneigung gegenüber inglander Truppenverbänden. Diese Barbaren verbrennen angeblich Magiekundige unter großer zur Schau Stellung vor der Masse bei lebendigem Leibe.“ Der Magierin schauderte es bei dem Gedanken daran und schlang die Arme um sich. „Stimmen diese Gerüchte? Ach übrigens ihr habt mir euren Namen noch nicht verraten.“ Hinsichtlich Aussprache, Akzent und Aussehen war sich die Magierin inzwischen sehr sicher, dass dieser Mann nicht zu dem Volk Waljaren zählte. Vielleicht war es bei seinem Stamm üblich, aber in Aeria galt es als wirklich sehr unhöflich eine Vorstellung nicht zu erwidern.

Während sie miteinander sprachen ging langsam eine Änderung der Geräuschkulisse von statten und eine gewisse aufkommende Unruhe war zu bemerken. Auch die Pferde nahmen davon Notiz und scharrten ungeduldig mit den Hufen über den Asphalt. Die Leute machten sich bereit aufzubrechen.

Esper

Als seine Vermutungen sich als richtig rausstellten, war Esper nicht sonderlich überrascht. Dass sie sich selbst als mehr als eine Dorfhexe sah, kam ebenfalls wenig überraschend und zugegeben, war sie deutlich hübscher als die Orakel der nördlichen Grade, die sich häufig als geplagte und gepeinigte Seelen herausstellten, die mit Verkrüpplungen zu kämpfen hatten. Vermutlich waren die meisten von ihnen Schwindler, die ihr Leben lang lügen mussten, getrieben von den eigenen Eltern, um nicht aus dem Dorf verstoßen zu werden. Esper hatte über die Jahre eine Art Mitleid für diese Leute entwickelt, jedoch keinen Respekt.
"Hexen, Wahrsager, Magier. Macht für mich wirklich keinen Unterschied.", stellte er kurz und knapp dar. Er hatte eben einfach eine gewisse Vorsicht gegenüber solchen Wesen, ganz egal wie sie sich selbst nannten. Und schlimmer noch waren jene, die von außen so aussahen, als könnte man ihnen leicht verfallen. Leichter als einer abgranzten Hexe zum Beispiel. Heikünste zu besitzen war hingegen ein durchaus schöner Vorteil, den Esper durchaus zu würdigen wusste. Fragte sich eben nur, was neben diesen Fähigkeiten in den Möglichkeiten der jungen Frau schlummerte. Vielleicht war sie ja eine alte, runzelige Frau, die ihre Äußeres nur verzaubert hatte. Alles im Rahmen des Möglichen, wenn es nach Esper ging.

Ein solches Spielchen hätte für beide Parteien interessanter werden können, denn entgegen seinem Auftreten, gehörte Esper nicht zu den Leuten die davor zurück schreckten, auch einer hübschen, jungen Frau den Kopf abzutrennen, wenn es denn nötig erschien. Nicht, dass er das an dieser Stelle unbedingt in Erwägung gezogen hätte, aber es war durchaus im Rahmen des möglichen. Um diesen hübschen Kopf allerdings wäre es eindeutig viel zu schade gewesen.
"Ich fürchte nicht alle wegelagernden Banditen werden euch mit dem selben Respekt entgegen treten wie ich. Und auch nicht mit solch verzückendem Anblick.", stellte er dabei klar und fuhr sich selbstdarstellerisch durch den Bart. "Ich denke, wir können ein paar Änderungen vornehmen, um den Inglandern weitesgehend auszuweichen, wenn euch das besser schlafen lässt."

Über irgendwelche Gerüchte von Inglandern die Magier und Hexen verbrannten wusste Esper wenig, was wohl daher rührte, dass er selbst jemand war, der, wenn die Zeit und Notwendigkeit kam, einen brennenden Magier durchaus hätte verschulden können, wenn man so wollte. "Ich weiß davon nichts. Aber wenn ihr lieb und artig seid, werde ich euch schon beschützen.", meinte er etwas amüsiert, auch wenn er sicher war, dass sie durchaus gut dazu in der Lage war auf sich selbst aufzupassen.
"Der Name ist Esper.", für ihn war es keinesfalls unhöflich sich selbst nicht vorzustellen. Allerdings kam er auch aus einer Region, wo es nicht gerade unüblich war, einen fremden Unbekannten mit einer Axt im Kopf zu begrüßen, bevor man andere Nettigkeiten austauschte, deshalb war die Differenz in der Wahrnehmung diesbezüglich wohl kein großes Wunder.

Esper erhob sich, als es unruhiger wurde und es Zeit zum Aufbruch schien. "Wollt ihr mich zur Spitze des Karawane begleiten?", fragte er die junge Dame. Immerhin stellte sie sich bisher als interessanter Reisepartner heraus.