Lost Chronicles

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Esper

Es war Vormittag, als es Esper in eine Gegend von Armadale verschlug, in der er sich sonst selten bis nie wiederfand. Ein Anschlag am schwarzen Brett hatte seine Aufmerksamkeit erlangt und ihn hierher geführt.
An dieser Stelle war Esper der Überzeugung, er hätte den richtigen Ort ausgemacht, als er sehr überzeugt an die Tür des Hauses klopfte.
Das Haus war in seiner Größe nicht zu verachten, mehr als Esper sich hätte leisten können oder wollen, gleichzeitig machte es jedoch auch den Eindruck, zumindest von außen schon bessere Tage erlebt zu haben. Natürlich sagte das alles noch nichts darüber aus, wie es innen vielleicht aussah oder gar darüber, wem diese Unterkunft gehörte. Allerdings war davon auszugehen, dass es sich hier um einen zumindest mittelmäßig erfolgreichen Händler handelte, anders war so ein Auftrag als Eskorte in den seltensten Fällen zu erklären.

Esper schlug die blaue Kapuze seines Umhangs nach hinten, um sein Haupt und Gesicht besser zu zeigen, er erachtete dies als Geste der Höflichkeit, wenn er sich um einen Auftrag bewarb. Sein ganzes äußeres verriet ziemlich genau, woher er kam und was er tat, genau so wie es verriet, worin er gut war. Wie es sich für einen Viking gehörte, war er jederzeit dazu bereit aufzubrechen und genau so sah er auch aus, auch wenn es eher unwahrscheinlich war, dass es direkt losging, so zeigte er zumindest Bereitschaft. Zugegeben war er ein wenig gespannt darauf, wer die Tür öffnen würde und was genau der Auftrag beinhalten sollte. Immerhin war die Aussage 'gute Bezahlung' ein recht dehnbarer Begriff. Sein Rundschild hing auf seinem Rücken, gleich über seinem Bogen, während seine rechte Hand auf dem Kopf seiner Axt am Gürtel lag und die Linke sich am Riemen des Köchers, gleich über seiner Brust festhielt. Ungeduldig war Esper sicher nicht, aber er rechnete damit, dass es in solch einem Haus durchaus etwas dauern konnte, bis man die Tür erreicht hatte. Ein Blick in den Himmel sollte checken, mit welchem Wetter er heute noch zu rechnen hatte. Natürlich war das keine sichere Einschätzung, aber zumindest konnte er sich diesbezüglich auf sein Gefühl meist verlassen. Heute, so glaubte er, könne es durchaus Regen geben. Ein Umstand der ihn nicht beunruhigte.
Neben dem Haus gab es eine Remise mit angeschlossenem Stall, in denen anscheinend Tiere und ein Gefährt untergebracht waren. Von außen sah man jedoch nichts; das große zweiflügelige Tor war geschlossen. Man hörte allerdings hin und wieder gedämpftes Wiehern und Schnauben. Auch Hundegebell war zu hören, man konnte allerdings nicht ausmachen von wo es genau kam. Es gruppierten sich allerhand Häuser im Armadaler Patrizierstil - die meisten schon älter - um den gepflegten Platz mit den Laternen und Blumenrondellen, die zum Flanieren einluden. Wer hier wohnte, hatte Geld. Altes Geld, welches schon lange in der Familie war, denn nur belächelte Neureiche hatten es nötig, sich ein pompöses Anwesen mit Seeblick in die Berge setzen zu lassen. Meist verloren sie das Geld ebenso schnell wie sie dazu gekommen waren, und so war es nicht verwunderlich, dass manche dieser Villen und Anwesen inzwischen Tieren und Räuberbanden als Versteck dienten. Dieses Viertel jedoch atmete den Duft gediegener Tradition - oder auch Spießigkeit, das kam auf den Blickwinkel an.

Eine Bewegung an der Hausecke konnte man vielleicht erahnen. Wenn man schnell genug hinsah, auch ein paar blaue Augen unter einem strohblonden Wuschelkopf, der um die Ecke lugte und dann blitzschnell verschwand, gefolgt von huschenden Schritten.

"Herr." Der Zwerg mit dem kastanienbraunen Bart nickte grüßend, nachdem er nach kurzem Klopfen ohne ein Herein abzuwarten eingetreten war. "Was gibt es, Gerrosch?" Der dunkelhäutige Mann mit den langen silberweißen Haaren sah von dem wuchtigen Schreibtisch auf, hinter dem er saß wie ein Zinnsoldat in seiner Festung. "Ein Besucher ist an der Tür. Bewaffnet. Womöglich wegen des Aushangs", gab Gerrosch knapp und präzise die Fakten plus seine Einschätzung wieder, denn sein Arbeitgeber mochte kein Geschwafel. Er selbst im Übrigen auch nicht, was wohl einer der Gründe war, warum sich Alb und Zwerg, ganz gegen ihre sonstige Natur, recht gut verstanden. "Ah." Der Silberhaarige machte ein säuerliches Gesicht. Es waren schon einige Bewerber deswegen aufgetaucht, aber keinem von ihnen hätte Malar auch nur eine Butterstulle mit gutem Gewissen anvertraut. Geschweige denn, eine Handelskolonne Richtung Waljagrad. "Hoffentlich nicht wieder eine Enttäuschung. Frag ihn das Übliche und lass ihn vor, sollte er geringfügig mehr Hirnvolumen besitzen als die Amöben vor ihm." Die landläufigen Annahme war anscheinend, dass man für die ausgelobte Tätigkeit einfach nur genug Dampf in den Fäusten besitzen und optional ein Schwert halten können musste. Diese Annahme war falsch, denn Malar Beradren hatte nicht vor dieselbe Sorte Strauchdiebe einzustellen, die seine Wagen überfielen.

Schwere, gemessene Schritte näherten sich von jenseits der Tür, die wenig später auch schon geöffnet wurde. Auf der Schwelle stand ein würdevoll aussehender Zwerg in Livree, der den Ankömmling aus scharfen blauen Augen prüfend von oben bis unten musterte, wobei ihm kein Detail zu entgehen schien. "Grüße", entbot er knapp. "Ihr wünscht?"

Esper

Selbstredend hatte Esper keine Ahnung von den Dingen, die im Innern vor sich gingen und auf der anderen Seite, hätte es ihn auch gar nicht interessiert. Er war allein und ausschließlich der Bezahlung wegen hier, nicht um Freunde zu finden oder ein Netzwerk aufzubauen, entsprechend gleichgültig war ihm auch, wer genau letztlich sein Auftraggeber war. Wichtig war nur, dass er angemessen zahlte. Das Leben hier oder anderswo, in einer größeren Stadt, war so viel teurer als das Leben bei den Vali. Einer der Gründe, weshalb Reichtum innerhalb der Vali-Gemeinschaft auch einen völlig anderen Stellenwert hatte, als es hier der Fall war. Die Leute in Armadale erschufen Reichtum als eine Art Statussymbol, weniger um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Und selbst wenn es oftmals Ziele gab, wurde die Erwirtschaftung von Reichtum nach erreichen nicht unbedingt eingestellt, sondern als eine Art Gewohnheit einfach fortgesetzt.
In seiner Heimat erwirtschaftete man Reichtum um Schiffe zu bauen, zu unterhalten, Ländereien zu erschließen, die Sturktur des Dorfes zu verbessern, Stahl zu kaufen, praktische Dinge eben, die notwendig erschienen und weniger an Luxus erinnerten.

Esper sah sich und auch die Leute hier in Armadale, in einer beneidenswerten Position, denn alles in allem war es zweifellos ein Luxus, Reichtum als Luxus betrachten zu können und nicht als Notwendigkeit. Jedenfalls machte das in Espers, vielleicht merkwürdiger Denkweise, durchaus Sinn.
Als sich ein Zwerg an der Tür zeigte, war Esper durchaus überrascht. Aus einem ihm nicht ersichtlichen Grund, ging er bei dem Anblick sofort davon aus, dass es sich um einen Bediensteten handeln musste, nicht um den Eigentümer dieses Domizils. "Ich komme wegen des Aushangs. Ich bringe Klingen und Wissen über die Wildnis. Jedoch wüsste ich gerne mehr über diesen Auftrag, bevor ich blind in mein verderben steuere. Und vielleicht auch eures.", Esper spielte damit ganz eindeutig auf die spärlichen Informationen des Aushangs an, der nicht klar erkenntlich machte, ob er für diese Expedition überhaupt zu gebrauchen war. Eine Frage, die sich jeder Teilnehmer an einer solchen Stimme immer fragen sollte. "Seid ihr der Auftraggeber?", hinterfragte er ohne dabei offen zu legen, welche Antwort er wohl erwartete.
Dass der Zwerg ein Bediensteter sein musste, erkannte man unschwer an der schmucken Livree, die ihn allerdings nicht als einfachen Diener, sondern schon als jemanden in höherer Position auswies. Die blauen Augen über der zwergentypisch knolligen Nase und dem gepflegten rotbraunen Bart sahen zwar aufgrund des Größenunterschieds zu dem Ankömmling hinauf, er reckte aber nicht den Hals oder zeigte sonst ein Anzeichen dass er sich klein fühlte. Das taten Zwerge nie. Sie sprachen immer auf Augenhöhe, egal welcher Lulatsch ihnen gerade gegenüber stand.

Gerrosch ließ den Besucher ausreden und nickte dann. "Wortgewandt seid Ihr ja", gestattete er sich eine Bemerkung. Sich Bemerkungen zu gestatten, ob sie gerade passend waren oder nicht, schien ebenfalls ein Vorrecht des Felsenvolks zu sein. Zumindest eines, was dieses grundsätzlich für sich in Anspruch nahm. Die Frage ob er der Auftraggeber sei beantwortete der Zwerg mit einem eben so kurzen wie bündigen "Nein." Um dann die Tür frei zu machen, indem er einen Schritt nach hinten tat. "Aber ich bin beauftragt Euch diesem vorzustellen, sofern Ihr... wie sagte er gleich... mehr Verstand als eine Amöbe besitzt. Oder... als die anderen Amöben?" Er dachte kurz nach und kratzte sich unter seinem Bart. "Zumindest besitzt Ihr einen größeren Wortschatz. Folgt mir." Damit drehte er sich um und stiefelte auf seinen kurzen Beinen wacker voran, in der Annahme dass der Besucher hinterher kam. Sollte er das nicht tun, würde sich die Tür in den nächsten Augenblicken wie von Zauberhand wieder schließen. Ansonsten eröffnete sich der Blick in eine gediegene, wenn auch etwas düster wirkende Empfangshalle, nur vom flackernden Licht des Kaminfeuers erhellt, wo schwere, ledergepolsterte Sessel auf Besucher warteten.

Der Ankömmling wurde allerdings nicht gebeten sich zu setzen, sondern weiter durch einen Flur mit dicken Teppichen auf blankgeschrubbten Dielen geführt. Von diesem zweigten mehrere Türen ab. Die meisten waren geschlossen, andere standen offen und man konnte geschäftiges Rumoren hören. Die vor der sie stehen blieben, war die einzige die gepolstert war. Der Zwerg machte sich nicht die Mühe anzuklopfen - man hätte es ohnehin nicht gehört - sondern drückte die Klinke herunter und streckte den Kopf durch die Tür, wobei die Spaltbreite nicht sehr viel vom Inneren des dahinterliegenden Raums offenbarte. Es schien darin aber - wie in den anderen Räumen auch - nicht sehr hell zu sein. Der Zwerg wechselte mit jemandem gedämpft einige Worte in einer fremden, kehligen, bedrohlich klingenden und dennoch auf merkwürdige Weise melodischen Sprache. Dann öffnete er die Tür vollends und wies mit einer einladenden Geste ins Innere. "Der Herr lässt bitten."

Auch in diesem Raum brannte ein Feuer im Kamin und verbreitete angenehme Wärme. Dazu flackerte das Licht mehrerer Kerzenleuchter. Der Feuerschein ergoss sich über schwere, dunkle Möbel, von denen es nicht viele im Raum gab. Die Wände wurden von Bücherregalen eingenommen, sonst war da nur ein Sekretär, ein Sessel, anscheinend für Besucher gedacht, sowie ein nahezu gigantischer Schreibtisch vor einem großen Fenster, welches jedoch durch schwere, drapierte Vorhänge verhängt war. Von hinter dem Schreibtisch blickte dem waffentragenden Gesellen ein Paar tiefroter Augen entgegen, die im Dämmerlicht zu glimmen schienen. Oder war es nur der Feuerschein, der sich darin fing? Man sagte über Albenaugen vieles. Dass schon der Blickkontakt mit ihnen tödlich sei. Dass sie einem die Seele aussogen. Dass die ganze Verschlagenheit dieses verderbten Volkes darin nistete. In Wahrheit jedoch waren diese Augen nur aufmerksam auf den Besucher gerichtet. Sie blinzelten nicht, was ihren Blick durchdringend und vielleicht ein wenig unangenehm erscheinen ließ.

"Sieh an." Die Stimme klang dunkel, wohlgesetzt, versehen mit dem leisen Anklang dieser düsteren Sprache, die vorhin auch der Zwerg gesprochen hatte. "Ein Nordmann. In Armadale ansässig, oder eben erst dem Meer entstiegen?" Eine feingliedrige Hand, an deren samtdunklen Fingern eine Reihe mondsilberner Ringe blitzte, wies mit beiläufiger Geste auf den Besuchersessel. Die Teilnahme schien freiwillig zu sein. "Etwas zu trinken?" Die Hand war bereits weiter gewandert zum Verschluss einer kristallenen Karaffe, die eine honigfarbene Flüssigkeit enthielt. Desweiteren standen dort zwei Gläser bereit, ebenfalls aus Kristall geschliffen.

Esper

Für Esper war das Tragen einer solchen Uniform für Bedienstete genau so abstrus wie der feine Zwirn eines Herren, entsprechend machte die Form der Schneiderei dieser viel zu teuren und edlen Stoffe für ihn überhaupt keinen Unterschied. Gewänder aus Seide, Samt und anderen, edlen Materialien waren so weit weg von seiner Welt, dass er gar nicht auf die Idee gekommen wäre, einen Diener von seinem Herren an Hand der Bekleidung zu unterscheiden. Das ein reicher Mann jedoch alleine die Tür in seinem Haus öffnete, schien allerdings weit weniger unwahrscheinlich, als ein Bediensteter in feiner Seide.

Das Espers Wortwahl beeindruckte, überraschte ihn selbst wenig, denn die Meisten seiner Zunft waren weit weniger Belesen. Allerdings hatten die Vali bereits vor Jahrhunderten gelernt, dass der Unterschied auf dem Schlachtfeld häufig weniger daran lag, wer den größeren Oberarmumfang aufweisen konnte, als viel mehr, wer dazu in der Lage war seinen Verstand entsprechend einzusetzen.

Doch auch hierfür gab es Grenzen. So entzog sich Esper beispielsweise der Vergleich zu einer Amöbe, was auch immer das war. Für den ersten Moment tippte Esper auf eine besonders dumme Vogelspezies, aber man wusste ja nie. Also ging es nun ins Domizil des Auftragsgebers, Esper folgte dem Zwerg, weniger unauffällig als man vielleicht meinen konnte. Der Vali hielt zwischenzeitlich an, sah sich um, betrachtete die angesammelten Reichtümer, griff hier und da ungeniert nach Dingen die wie wertvolle Dekorationen aussahen, um sie dann wieder an ihren angedachten Platz zu stellen. Es war teilweise verlockend, Dinge nicht in seiner Tasche verschwinden zu lassen, denn alles hier stank förmlich nach Geld.

An der Tür zum Zimmer des vermeidlichen Auftraggebers angekommen, tauschen Zwerg und der mysteriöse Fremde ein paar Worte aus, bevor Esper hineingelassen wurde. Im Innern zeigte sich dann ein Alb, der mit roten Augen in seine Richtung blickte. Die Augen eines Alb konnten einem Nordmann, der bereits Angesicht zu Angesicht einem Eistroll gegenüber gestanden hatte, wenig Angst bereiten.
Das man ihn als Nordmann erkannte war kein Zufall, Esper verbarg seine Herkunft nicht gerade. Sei es Zopf, Schild oder Axt, oder auch einfach nur der ungepflegte Bart, Hinweise gab es genügend. Esper stellte sich neben die dargebotene Sitzgelegenheit, lehnte sich mit einem Arm dagegen und schüttelte auf das Angebot etwas zu trinken den Kopf. Er war nicht hier um einen gemütlichen Plausch zu halten oder Tee zu trinken, wie es die feinen Leute taten, oder was auch immer sonst sich in diesem Gefäß befand. Ganz sicher war es kein Bier. "Wie sieht der Auftrag aus, und wichtiger, wie die Bezahlung?", erkundigte er sich forsch. Er war sich sicher, dass der Alb ihn nicht als Freund gewinnen wollte und auch ganz sicher nicht als Mitglied in seinem Buchclub.
Wenn der Herr des Hauses irgendwelcher Steckenpferde fröhnte, dann war es zumindest nicht das Sammeln von Tinnef. Die Gegenstände, die der Besucher ohne um Erlaubnis zu fragen betatschte und begutachtete, waren allesamt nichts Besonderes. Gerade wertvoll genug um nicht geschmacklos zu wirken, aber nicht außergewöhnlich kunstfertig, und wahrscheinlich stammten sie aus lokaler Produktion. Auf keinen Fall hätte es sich gelohnt, sich für den Diebstahl einer Marmorstatuette der Göttin Maretita mit der Stadtwache anzulegen - zumal bereits eine Hummerschere angeknackst war. Der zwergische Hausdiener beäugte das Verhalten des Bewerbers mit Missbilligung, sagte aber nichts weiter dazu. Es hätte sich ebensowenig gelohnt wie der Diebstahl eines der wenig erlesenen Stücke, die eher den Eindruck erweckten hingestellt worden zu sein damit überhaupt etwas dort stand.

Eine andere Hausnummer war das Arbeitszimmer. Hier konnte man sehr wohl das eine oder andere Kleinod bewundern, zum Beispiel fremdartige Miniaturen aus geschliffenen Edesteinen, die in Vitrinen und Setzkästen standen und im Licht der Kandelaber funkelten. Ansonsten schien hauptsächlich darauf geachtet worden zu sein dass nichts im Weg herumstand, denn alle Einrichtungsgegenstände befanden sich nahe der Wand. Abgesehen vom Besuchersessel, der vor dem Schreibtisch stand. Gebrauchsgegenstände dagegen befanden sich sämtlich auf oder in der Nähe des Schreibtischs. So wie zum Beispiel die bauchige kristallene Karaffe mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit darin, von der die Hände des Alben nun wieder verschwanden. Die silbrigen Brauen über den glutroten Augen, die eben noch mit geschäftsmäßigem Interesse auf dem Ankömmling geruht hatten, hoben sich um eine Winzigkeit. Langsam glitt der Blick an dem Hünen hinab, dann wieder hinauf, verweilte einen Moment flüchtig auf den Waffen, und zischte dann pfeilschnell an ihm vorbei, um sich in den Zwerg zu bohren, der in der Tür stehen geblieben war.

"Gerrosch. Soll das ein Scherz sein?"

"Es tut mir aufrichtig leid, Herr." Gerrosch seufzte betrübt. "Als er vor der Tür stand, konnte er noch sprechen."

"Ist das so?" versetzte der Alb kalt. "Nun, dann scheint er es von der Haustür bis hierher verlernt zu haben, denn anscheinend kennt er weder die Tageszeit, noch ist er imstande eine Frage mit Ja oder Nein zu beantworten oder seinen Namen zu nennen. Ich sagte doch, mir hängen diese Primaten zum Halse heraus, die an menschlicher Sprache nur zwei Sätze in unterschiedlicher Reihenfolge beherrschen. Davon hatten wir heute schon ganze fünf!" Malar schüttelte den Kopf und griff nach einem Federkiel, den er in ein Tintenfäßchen tauchte. Mit der anderen Hand machte er eine scheuchende Bewegung. Die Unterredung war anscheinend beendet.

Gerrosch brummte leise und kratzte sich unter seinem Bart. "Tjoa", sagte er an den Viking gerichtet. "War'n kurzes Vorstellungsgespräch. Dann kommt mal wieder mit. Vielleicht habt Ihr mit dem nächsten Aushang mehr Glück."

Esper

Als der eingebildete Händler sich an den Zwerg wandte und fragte, ob das hier ein Scherz war, hätten die meisten anderen die Antwort des Zwerges wohl als Beleidigung aufgefasst und sich mit einer entsprechenden Retourkutsche dafür revanchiert. Für Esper war es jedoch schwer, die gesprochenen Worte wie eine Beleidigung aufzufassen, denn er wusste um sein Auftreten und seine Art gut bescheid. Nicht zuletzt waren sie Teil seines Wesens und durchaus ein Vorteil gegenüber einem Feind oder Gegner, der einen schnell unterschätzte und sich überlegen fühlte, genau wie das Rotauge vor ihm nun.

"Wenn ihr einen Edelmann sucht, der sein Leben damit verbracht hat sich seinen Hintern pudern zu lassen, um ihn nach diesem Auftrag zum Ritter zu küren, dann sucht ihr sicherlich besser weiter. Wenn ihr einen gestandenen Krieger wollt, der mit dem Bogen in der Hand aufgewachsen ist und der Axt unterm Kopfkissen, der dazu in der Lage ist euren Arsch durch die dunkelsten Gefilde dieser Länder zu führen und der bereit dazu ist, für eine angemessene Bezahlung euer Leben über das eigene zu stellen, dann werdet ihr die Entscheidung mich fortgeschickt zu haben spätestens dann bereuen, wenn die Messer von Waljagarder Kehlenschlitzern in eurem Hals stecken und eure Karren geplündert und brennend im letzten Moment eures schwindenden Atems das letzte sind, was euch in eure roten Augen sticht. Verwechselt nicht fehlende Höflichkeiten mit fehlender Kompetenz. Ob ich meinen Namen fehlerfrei Schreiben kann, oder euch Gedichte vortrage, sollte für euch weniger von Interesse sein als die Tatsache, dass meine Axt und mein Wissen über die Wildnis und Pfade dieser Länder zwischen eurem Leben und eurem Tod entscheiden können.", Esper wandte sich auf der Stelle und bewegte sich nun zielstrebig auf die Tür zu.

"Der Name ist Esper, solltet ihr euch umentscheiden und nach mir suchen. Man findet mich zumeist in der Grauen Ente.", ließ er noch im laufen zurück und ging an dem Zwerg vorbei, in Richtung Ausgang. Nicht das er den Zwerg gebraucht hätte, um diesen wieder zu finden.