Alle Jahre wieder kommt der Yrqon. Wie jedes Jahr ist an diesem Tag ein intensiver „Hausputz“ im Schloss angesagt. Der Ramsch muss raus, die Bilder werden entstaubt, die Teppiche geschlagen, aufdass sie jedes noch so kleine Schmutzkörnchen verlieren, unter den Kästen wird gewiehert und gefegt, und das Holz des Mobilars mit Öl gepflegt. Doch weit gefehlt wer denkt dies wäre alles. Keinesfalls, denn der heutige Tag als Ganzes wird gleich genutzt fürs „umdekorieren“. Eine vortreffliche Arbeit für die Bediensteten! So möchte man meinen... doch.. Firnwacht ist anders. So einige Zwischenfälle zur letzten Rundumerneuerung mit Entrümpelung inklusive schrecklich entstellter und verschollener Personen zeigte eines klar: Der Hausputz im alten Schloss ist eine Aufgabe für furchtlose Abenteurer und gestandene Männer! Für wahre Veteranen denen ein türmendes Schattenmonster nicht mehr als ein müdes Wimpernzucken abverlangt, denn wahrlich, hier könnte es hinter der nächsten Nische lauern.
So wurde eine Ausschreibung bei den einzigen Helden getätigt die dafür in Frage kommen (und sich für solch fragwürdige Zuverdiensttätigkeiten hergeben) – den Drachenreitern!
Hausputz auf Schloss Firnwacht - welch ein Angebot, wahrlich eine Annonce mit dem Duft nach Ruhm und Heldenmut! Welche tapferen Recken stellen sich dieses Mal der Gefahr einer Begegnung mit wahrlich wunderlichen Kreaturen, exzentrischen Großmüttern, bleichen Schreckgespenstern, übellaunigen Kobolden, dubiosen Wandgemälden und giftgeifernden Spinnengetier in dunklen Kellerecken?
Gerade eben beschäftigte sich die hohe Magierin des Hauses mit einer überaus wertvollen Tätigkeit: Dem lesen eines magischen Kompendiums. Sie hatte sich extra ein Weich gepolstertes Sofa und Sesseln zur Vorburg tragen lassen und bemerkte beim Möbelanheben bereits die solide Grundunruhe ihrer Bediensteten, eine die ein jedes Mal aufkam seit dem letzten fraglichen Vorfall. Doch zu ihrer Angestellten Glück und deutlichen Überraschung flog kein Feuerball durch den Raum um den dreisten Möbelrücker zur Flammensäule zu degradieren, sondern es blieb alles ruhig und friedlich.
So saß die Erbgräfin nun also gemütlich auf dem Sofa im Schatten vorm Eingang zur Vorburg. Neben ihr stand ein Beistelltisch mit Milchbrötchen und eine wohlduftende Kanne Tee samt überzähliger Teetassen. Die Kühle der morgendlichen Luft zog mit sanften Säuseln über sie hinweg und konnte doch nicht ihre Krallen in sie schlagen, denn eine warme weiche Decke wärmte ihren Schoß, währenddessen sie gelegentlich den Ausblick zum schlosseigenen Anlandesteg für Luftschiffe und hoch zum Firmament genoss. Kleine Schäfchenwolken bedeckten das strahlende Blau und luden ein darin verschiedene Figuren zu erkennen. Schon wurde eine neue Stunde mit dem melodiösen Klang der Luftorgel angestimmt. Auch eine begnadete Idee ihrer geschätzten Großmutter, die Turmuhr mit einer vom Wind angestimmten Melodie auszustatten, als Zeichen für den fortschreitenden Tag für die Bediensteten im Schlossgelände und Bewohner Emeralds.
Wann wohl die Besucher eintreffen würden? Bevor oder nachdem der Tee der hier zu ihrer Begrüßung bereit stand kalt geworden war?
Noch während die ersten Sonnenstrahlen bestechend eindringlich gegen die Dämmerung drängten, hatte Thea ihre Augen aufgeschlagen. Hellwach, noch bevor die ersten Bediensteten durch die Flure wanderten. Es war die Vorfreude auf den heutigen Tag. Hach, es würde wundervoll werden!
Nicht nur für die Sicherheit des Personals hatte sie Unterstützung von den Drachenreitern gefordert - äh, erbeten. Obwohl das natürlich höchste Priorität hatte. Sie mochte die fleißigen Männer und Frauen des Haushaltes, die ihr Leben keinesfalls für so etwas Nichtiges wie Staub riskieren sollten. Aber zusätzlich, quasi als Kirsche auf der Torte, versprach ein Besuch solch ehrenwerter Helden schlicht einen höchst spannenden Hausputz.
Dorothea verbrachte die frühsten Morgenstunden damit, brav in ihrem Bett zu liegen und sich vorzustellen, wie muskulöse, halbnackte Helden mit einem feuerspuckenden Schrank rangen.
Warum halbnackt? Na, als Drachenreiter sollten die doch wenigstens Hosen besitzen, die nicht so leicht verbrannten! Das gehörte sicherlich zur Standardausrüstung. Außerdem würde sonst wohl die ein oder andere Magd in Ohnmacht fallen.
Geduldig, wie sie war, wartete die alte Dame darauf, dass die Bediensteten sich endlich trauten, sie zu 'wecken'. Damit ließen die sich heute natürlich ausgesprochen viel Zeit. Hätte Thea nicht anders gemacht. Wenn sie erstmal aufstand, bedeutete dies Arbeit für alle. Natürlich hätte sie auch allein aufstehen und den Tag starten können. An praktisch jedem anderen Morgen hätte sie dies auch getan - das letzte Mal, dass sie wirklich darauf gewartet hatte, war wohl nun genau ein Jahr her, richtig? Aber es war eben irgendwie ihre eigene, kleine Tradition, sich an diesem Tag wecken zu lassen. Somit konnten alle noch ein wenig Energie sammeln, bevor es los ging. Und besonders in ihrem Fall wollte sie sich möglichst viel Energie für ihre Gäste aufheben.
Schlussendlich aber war es so weit. Man konnte sich nicht ewig vor der Arbeit drücken, auch ihre Magd nicht. Sie berichtete Thea, dass die wundervolle, fleißige Atevora bereits auf die Gäste wartete. Mit Tee! Es war eben Verlass auf das wundersame Kind. Auf ihrem gemächlichen Weg zur Vorburg ließ Thea sich Zeit damit, jede (Menschen-)Seele, die ihr begegnete, mit einer unglaublich wichtigen Aufgabe zu betrauen. Es gab so viel zu tun. Zum Beispiel musste sie Atevora noch von ihrer grandiosen Idee überzeugen, diesem dunkelgrünen Sessel aus der Bibliothek ein neues Zuhause in ihrer Werkstatt zu schenken. Er beheizte - meistens zumindest - den Rücken und das Gesäß von seinem Nutzer. Wer könnte das besser schätzen als ihre müden Knochen?
Es erklang gerade die Luftorgel mit einer faszinierenden Melodie, als Thea das Tor der Vorburg öffnete. Hach, es gab ja sogar Tee!
"Guten Morgen, mein liebes Kind!", frohlockte die ältere Dame, während sie noch einen Moment stehen blieb und zum Horizont spähte. Ob sie dort die Gäste entdecken könnte?
"Ernsthaft?" Athaín schnaubte hörbar und der junge Wildling zog den Kopf ein. "Hausputz??? Die haben doch wohl nicht mehr alle Teetassen in der Anrichte! Seh ich aus wie ein Zimmermädchen?" Der flachshaarige junge Mann schüttelte eilig den Kopf, dann fiel ihm ein dass sein Gegenüber ihn ja gar nicht sehen konnte. "N-nein!" Die Beteuerung schien es nicht besser zu machen. "Das war eine rhetorische Frage! Du musst darauf nicht antworten!" "J-ja..." "Hrmpf!" Der Halbdrache drehte sich um und stapfte wütend davon, auf den Lippen eine Reihe Flüche, die sogar eine Hafendirne hätten rot werden lassen. Athaín war sauer. Am Morgen beim Frühstück hatte ihn der zuständige Quartiermeister beiseite genommen und ihm eröffnet, dass man ein Sonderkommando für ihn habe. Und, dass der Windmeister persönlich seine Teilnahme wünsche. Seine und die seines Schwingenbruders Caius. Näheres wollte er dann überbringen lassen...
Das war auch eine verdammt schlaue Idee gewesen, denn der vor Wut kochende Halbdrache hätte vermutlich den Frühstückstisch abgeräumt. Mindestens einen. Für derlei Unbeherrschtheiten war Athaín berüchtigt, deswegen hatte der Quartiermeister es so eingerichtet, dass er keinen größeren Schaden anrichten konnte. Natürlich konnte er sich denken was, und auch wer dahintersteckte, und selbstredend war es nicht normal, dass man den Ordo Draconis zum Reinemachen kommen ließ. Wahrscheinlich hatten alle herzhaft gelacht bei diesem Aushang und ihn für einen Scherz gehalten, und das Ganze hatte sich bis zum Kommandanten herumgesprochen, dem schließlich eingefallen war, dass er noch eine Beschwerde über einen gewissen Drachenreiter vorliegen hatte, welcher kürzlich im Schlossgarten gelandet war und dabei Gräfin Waílamereis' preisgekrönte Prinzessrosen zertrampelt - oder vielmehr: plattgesessen - hatte. So oder ähnlich ließ sich der Vorgang wahrscheinlich rekonstruieren, was Athaíns Laune zwar nicht unbedingt verbesserte, aber Sinn machte. "CAIUS!" brüllte er über den Hof, sodass es auch sicher bis in den letzen Winkel zu hören war. "Trab an! Wir haben zu tun!"
Der arme Caius hatte natürlich nichts mit der Rosengeschichte zu tun, wohl aber mit einer anderen, die ähnlich wenig ruhmreich verlaufen war. Und da er mit dem Halbdrachen unter einer Decke steckte, war man wohl auf die Idee verfallen dass er seine Scharte gleich mit auswetzen könne. Eine halbe Stunde später befanden sich die beiden in der Luft; Athaín auf seiner rot-goldenen Feuerdrachin Alachia, die selbstredend nicht mit bissigen telepathischen Bemerkungen sparte, Caius auf seinem schlanken silbernen Luftdrachen Nero.
So musste Großmutter Waílamereis auch nicht lange warten, bis zwei majestätische Silhouetten am ätherblauen Himmel auftauchten und nach einer eleganten Kehre über dem Schlosspark in ebendiesem landeten. Diesmal zum Glück nicht in den Rosen und auf offizielle... nun ja... Einladung hin. Dennoch war es kaum vermeidbar, dass zwei mehrere Tonnen schwere Echsen mit scharfen Klauen und einer Spannweite von annähernd zehn Schritt die gepflegten Grünflächen nicht ganz ungeschoren ließen, auch wenn das gänzlich unbeabsichtigt geschah. Irgendwo mussten sie schließlich landen, um ihre Reiter absteigen zu lassen. Es hätte ein malerischer Anblick sein können, wie der hochgewachsene Halbdrache mit dem langen platinfarbenen Haar sich aus dem Sattel gleiten ließ, zwar nicht mit blankem Oberkörper, aber die Statur ließ dennoch erahnen dass sich kein Gramm überflüssiges Fett an seinem Körper befand, wäre da nicht die überaus sauertöpfische Miene gewesen, die trotz Augenbinde gut zum Ausdruck kam. Die prächtige Drachenklinge an der Hüfte wirkte ein wenig deplaziert zu der Hose aus speckigem Leder und dem verschossenen Hemd, aber so wie der Kerl sich bewegte, schien er sie nicht nur zum Angeben zu tragen.
"Heda!" Athaín stemmte die Arme in die Seiten. Hier einen auf artig zu machen fiel ihm ja mal gar nicht ein. Außerdem sah er nicht wo er hin musste, aber das war nur der zweite Grund. Da hätte sicher auch Caius weiter helfen können. Das tat aber nichts zur Sache. Es ging um's Prinzip, verdammte Axt! "Frau Gräfin? Ordo Draconis, wir kommen wegen des... Auftrags!" Wobei er wieder wütend schnaubte.
Es gab so Tage an denen man am besten einfach im Bett blieb und darauf wartete, dass sie wieder vorüber gingen. Denn ganz egal was heute passierte, es konnte einfach nichts gutes sein.
"Ein Sonderkommando… wofür?" Heute war so ein Tag! Sonderkommando waren normalerweise eher spezielle kleine Einsätze, mehr oder minder gefährlich und im Grunde dazu da um die Finanzen ein wenig aufpolieren. Also im Grunde hatte Cai nichts dagegen einzuwenden, Sonderkommandos zu fliegen, ganz und gar nicht. Aber das hier… klang wohl eher nach einem schlechten Scherz. Aber schon Athaíns grottenschlechte Laune machte klar, dass der Scherz wenn dann wohl allein auf ihre Kosten ging.
Wer kam auf die Idee Drachenreiter zu einem Hausputz zu schicken?
Aber Ja, selbst Cai konnte sehen warum man außgerechnet sie für dieses Sonderkommando ausgewählt hatte. Manche Dinge, wie ein Gefängnisaufenthalt wegen zertrümmerte Taverneneinrichtung, musste man wohl länger büßen… oder zertrampelte Blumenbeete..
Irgendwer konnte darüber wohl recht herzhaft lachen.
Sogar Nero konnte darüber lachen, auch wenn das bei dem weißen Luftdrachen eher nach einem rhythmischen Grollen klang, während sie in einem weiten Bogen über dem Schloss zur Landung ansetzten. Aber dem Drachen stand auch nicht in Aussicht schwere Möbelstücke schleppen zu müssen…
Athaín und Alachia landeten auf einer der schön gepflegten Wiesen nahe der Vorburg, entweder hatten sie den Landungssteg übersehen oder, was Cai schon eher annahm, bewusst ignoriert. Das versprach noch ein sehr interessanter Tag zu werden…
Cai und Nero landeten nur wenig später neben dem Feuerdrachen und seinen Reiter und der junge Drachenreiter ließ sich aus dem Sattel rutschen.
Jemand hatte sich die Mühe gemacht ein Sofa, gepolsterte Sessel und ein Tischchen nach draußen zu tragen und dort Tee zu servieren.
”Heda!” Cais Mundwinkel zuckten unwillkürlich zu einem Grinsen nach oben, Athaín hatte immer ein Gespür dafür wie man den richtigen Auftritt hinlegte.
Auch wenn sein Schwingenbruder anscheinend schon wieder auf Alachias Hilfe verzichtete, denn es war schnell zu sehen dass er noch nicht wusste wohin er sich richten sollte, solange keine der beiden Damen, welche ihre Ankunft anscheindend bereits erwartet hatten, etwas gesagt hatte. Cai beeilte sich also neben ihn zu treten und mit sanften Druck auf die Schulter erst mal in die korrekte Richtung zu drehen, damit er nicht einfach ins blaue hinaus reden musste. “Unsere Werten Auftraggeberinnen befinden sich da drüben"
“Ja, Sonderkommando zur Umsiedlung einiger Schrankmonster… oder sowas in der Art. Melden uns zum Dienst.” fügte er lauter und mit einem Schmunzeln hinzu, während er die Daumen hinter die gekreuzten Schultergurte seiner Kurzschwerter hakte. Welche er dabei hatte, obwohl er nicht ganz wusste warum, immerhin ging es hier um einen Hausputz und er nahm nicht an dass die Spinnen hier groß genug waren dass man ihnen mit Schwertern zu Leibe rücken konnte.
Es war ganz offensichtlich dass Caius die Geschichte noch mit mehr Humor nahm als sein Schwingenbruder, was wohl daran lag dass er sich mit ihren heutigen "Gegnern", also schwere Schränke, Polstermöbel und dergleichen, noch nicht hatte stellen müssen.
Eine schöne Idylle herrschte hier im Schatten der Vorburg. Die Sitzgarnitur thronte förmlich auf dem terassenhaften, gepflasterten Platz und wirkte in der paradiesischen Atmosphäre des angrezenden Innenhofes noch nicht einmal gänzlich fehl am Platz. Am Rasen streckten die ersten Primeln ihre Gelben Köpfe aus der Erde und hielten mit nickenden Himmelsschlüsseln einen kleinen Plausch, Palmkäzchen auf Haselsträuchern lockten mit grauer Flauschigkeit und Buschwindrösen hatten sich im Schatten des noch kahlen walnusstrauches herausgewagt und imitierten mit ihren weißen Blüten den noch nicht lange zerronnenen Schnee.
Natürlich würde niemand mit weichem Samt gepolstertes Mobiliar auf Dauer hier im Freien ungeschüzt vor Regen, Wind und Wetter vor der Vorburg stehen lassen. Ja, noch nicht mal die für ihre Wunderlichkeiten bekannte Familie Waílamereis, weshalb auch schon leicht absehbar war, das diese Umgebung hier nicht zu, natürlichen Habitat der Einrichtungsgegenstände zählte. Vermutlich waren es auch die ersten Mögelstücke, welche die erwarteten Gäste zurück tragen durften. Doch bis dahin wirkten sie einladend und gemütlich, und sie sahen nicht nur so aus, sie waren ein auch. Schon allein das Bild der Erbgräfin, wie sie dort zurückgelehnt saß, mit einer Tasse vorzüglichen Tees in direkter Griffweite und einem dicken Schmöcker in den Händen reichte für diese Gewissheit aus. Das Buch hingegen sah so aus als ob Atevora jemanden damit leichthin erschlagen könnte, sowohl mit dem darin gesammelten Wissen als auch mit dem gewichtigen Buch selbst. Gerade blätterte sie auf die nächste Seite, welche eine magische Flechte aus Waljagrad behandelte. Wahrlich die Maga hatte nicht viel Zeit sich möglichst viel Wissen für ihre nächste Mission anzueignen, also nutzte sie sogar die Zeitspanne in der sie nur auf die Ankunft von jemanden wartete damit ihren Studien nachzugehen. „Blutflechte. Das klingt interessant..“ Murmelte sie und inspizierte die zur Beschreibung abgebildete Grafik akribisch genau, als sich mit einem deutlichen Luftzug das Tor öffnete, eine Betagte Dame mit ungeniertem Elan heraus trat und ihr einen guten Morgen wünschte.
Sofort hob sich die bleiche Nase aus dem dicken Wälzer und der Magierin blaue Augen richteten sich auf die Familienälteste.
„Einen guten Morgen wünsche ich ebenfalls.“ Ihre Großmutter wirkte in bester Laune, das Lächeln auf dem faltigen Gesicht war gütig warm und einnehmend. Der Höflichkeit gerecht werdend klappte Atevora das Buch zusammen. „Ich habe süßes Milchbrot und Tee vorbereiten lassen, falls unsere Gäste eine Stärkung benötigen. Und im Keller warten zwei Kuhhälften für die Drachen. Wisst ihr näheres wann die Herren am Morgen eintreffen wollten? Ich sorge mich ein wenig, dass der Tee zu kalt werden könnte..“ Die Magierin konnte nicht anders als dem Blick der Großmutter in die Ferne zu folgen, und erkannte doch tatsächlich vertraute Silhouetten vor dem hellen Blau die ihre Sorgen nichtig werden ließen. Es waren eindeutig Drachenreiter welche sich rasch näherten, um galant über dem Landesteig hinweg am Himmel eine Schleife zu ziehen. „Sie werden doch nicht..“ Oh doch und wie!
Mit einem Seufzen auf den Lippen beobachtete die Magierin wie die Drachenreiter auch schon auf dem unschuldigen Grün landeten. „Landestege werden auch überbewertet..“ Sprach sie mehr zu sich selbst als zu ihrer geschätzten Großmutter, als sich schon der erste der beiden Reiter vom Drachen schwang. Sie erkannte ihn sofort. Athain. Er wirkte nicht nur mit seinen Mundwinkeln welche versuchten die gesamte Kinnpartie einzurahmen, sondern mit seiner gesamten Haltung äußerst miesepetrig und mit der geballten Wucht schlechter Laune donnerte auch gleich seine Stimme über den malerischen Innenhof. Kurz danach landete auch Caius auf seinen Beinen, und seine erste Handlung war es seinen Ordensbruder mit einem verschmitzten Grinser auf den Lippen in die richtige Richtung zu drehen. „Ich überlasse euch gerne den Vortritt damit unsere Gäste zu begrüßen, Frau Großmutter.“ Wahrlich, das war ein Fall für Oma Theas großmütterlichen Charme.
Die Großmutter nickte bestätigend, als ihre Enkelin von den getroffenen Vorbereitungen erzählte. Tatsächlich wurde eine Antwort überflüssig, da die erwarteten Besucher bereits am Himmel auftauchten. Und ungeniert, wie es sich für schlecht gelaunte Drachenreiter gehörte, direkt vor ihrer Nase landeten. Der Rasen hatte auch dringend mal eine Umgestaltung nötig, schon recht. Aber war nicht erst vor kürzester Zeit ähnliches mit dem Rosenbeeten geschehen? Die Dame fragte sich, ob es die Reiter waren, die auf diese Weise protestierten, oder ihre Drachen, die es einfach nicht besser wussten. Vielleicht sollten sie Schilder aufstellen, die den geflügelten Echsen den Weg zum Landesteg wiesen.
Als der erste Mann von seiner Echse sprang, und sie mit einem vor Trotz triefendem 'Heda' begrüßte, wurde Oma Theas Lächeln noch breiter. Es versprach ein ganz wundervoll aufregender Tag zu werden! Genau so hatte sie sich das vorgestellt. Naja, zumindest fast. Aber man nahm, was man kriegen konnte, nicht wahr?
Dieser Mann schien ein bisschen verwirrt bezüglich der Richtung, in die er sprach, aber sein Anblick war definitiv das, was sie sich erhofft hatte. Stattlich gebaut, mit einer wirklich hübschen Eidechse und einem ach so bedrohlichen Schwert. Ein richtiger Mann. Ganz im Gegensatz zu dem anderen Jüngling, der ... nun ja. Er musste wohl noch ein bisschen in die breite arbeiten. Er war viel schlaksiger, als er von seinem silbernen Drachen stieg. Allerdings schienen ihm Manieren besser zu liegen als seinem Kumpanen, den er dabei unterstützte, sich in die richtige Richtung zu drehen. Seine viel humorvollere Ansprache machte ihn sogleich um Längen sympathischer.
Atevora, das liebe Mädchen, bat sie darum die Begrüßung zu übernehmen. Was sie natürlich sehr gerne tat, auch wenn sie nicht erwartete, den Weißhaarigen mit ein paar netten Gesten plötzlich in eine angenehmere Laune zu versetzten. Drachenreiter, wenn sie unzufrieden waren, waren ähnlich wie kranke Männer. Unerträglich. Sie hatte da mal eine Bekanntschaft gehabt, die ihr das ganz deutlich gelehrt hatte. Am schlimmsten waren unzufriedene, kranke Drachenreiter. Da hielt man am besten Sicherheitsabstand von einer Insellänge. Wobei das hier ja leider nicht möglich, und ganz hoffentlich auch nicht nötig sein würde.
"Ach, unsere verehrten Gäste", Dorothea winkte die beiden freundlich näher. Alles an ihr sprach ihre Freude aus, die beiden zu sehen: Ihre Stimme, die vom Lächeln gefärbt wurde, ihre Haltung, ihre einladende Geste. "Kommt nur heran, es gibt Tee und Brötchen." Natürlich schenkte sie direkt die Tassen ein. War ja keine Frage, selbstverständlich wollten die Herren zunächst einen Schluck trinken. Sie selbst würde an deren Stelle auch keinerlei Handschlag tun, ohne sich zuvor erst gestärkt zu haben. Und zudem war sie so neugierig auf die zwei Fremden! Ob es Gelegenheit geben würde, sich den Drachen zu nähern? Es schien Äonen her zu sein, dass sie ein paar Worte mit einem solchen Wesen gewechselt hatte. Besonders faszinierend fand sie immer schon deren Schuppen, mit denen sie früher auf Windhall bei der Entwicklung der Luftschiffe herumprobiert hatten. Unglaublich interessantes Material.
"Dies ist meine bezaubernde Enkelin, Magistra Atevora, und ich bin die leider nicht mehr ganz so junge Großmutter der Waílamereis, Dorothea. Es freut mich ja so sehr, dass ihr die Zeit gefunden habt, uns zu Hilfe zu eilen! Ich weiß, ich weiß, es klingt wie ein schlechter Scherz. Aber wir wüssten wirklich nicht, was wir sonst tun sollten. Ich verspreche euch, es wird ein aufregender Tag werden!" Sie plapperte, ganz bewusst, und schob ihr Alter mal wieder vor, um den Reiter mit dem roten Drachen vielleicht ein wenig milder zu stimmen. Meistens hatten diese Männer kein steinernes Herz, sondern waren nur schlecht gelaunt, und ließen sich von echter Not erweichen. Und sie konnte es ihm kaum verübeln. Ein stolzer Drachenreiter, von dem erwartet wurde, seine hohen Dienste an staubige Schränke zu verschwenden? Sie stellte sich einen Moment Gavron vor, wie er mit einem Grinsen ihre Nachricht aufnahm, um sich dann genau zu überlegen, wen er ihr schicken wollte. Wenn diese Echsenbuben nur wüssten, wie ernst die Lage war!
Genau dies gedachte die betagte Dame ihnen bei einem Tässchen Tee klar zu machen. Sie würden wohl nicht den Ruhm und die Ehre finden, die eine große Schlacht ihnen bringen würde - aber dafür die Dankbarkeit einer hilfebedürftigen Großmutter. Und letzteres zählte in den Schriften des Karmas ja bekanntermaßen dreifach.
"Hrmpf? Danke." Athaín brummte leise, als Cai ihn an der Schulter packte und in die richtige Richtung drehte. Der Landungssteg war ihm nicht aufgefallen, was möglicherweise daran lag, dass es in Accipetris bei saftigen Strafen verboten war seinen Drachen darauf zu landen. Es entwickelten sich eben gewisse Automatismen. Zum Beispiel, dass man einen großen Bogen um jede Konstruktion flog, die irgendwie nach Geldstrafe aussah. Ja, es wäre vielleicht praktischer gewesen sich der visuellen Verbindung zu bedienen, zumindest um sich einen groben Überblick zu verschaffen. Aber erstens war der Halbdrache gerade zu sauer um soweit zu denken, und zweitens hätte er nicht die Blöße riskiert einem gewissen hochnäsigen Fräulein vor die Pantöffelchen zu kotzen. Was unweigerlich früher oder später geschah, wenn er sich zu weit von Alachias Blickwinkel entfernte. Das hatte irgendwas mit dem Innenohr zu tun, hatte ihm mal jemand Kluges erklärt. Also musste es eben so gehen.
"Sag mal...", murmelte Athaín seinem Schwingenbruder zu, während sie überraschend freudig, fast schon überschwänglich begrüßt und zu Tee und Brötchen eingeladen wurden, "hab ich was mit den Ohren, oder hat sich die Stimme dieser Frau Magistra ganz schön verändert?" Selbstredend war der Drachenreiter davon ausgegangen, dass Ihro Gräfin von Spitzfindig diese Scharade nur eingefädelt hatte um ihm eins reinzuwürgen. Naja, vielleicht nicht nur deshalb, so wichtig nahm er sich nun wieder auch nicht. Aber nach dem Lamento über die plattgetretenen Rosen, sowie dem alles andere als erbaulichen Zusammenstoß neulich in einer gewissen Taverne lag der Verdacht auf persönliche Gründe doch recht nah. Wieso sonst hätte Gavron darauf bestehen sollten dass ausgerechnet er mit von der Partie war? Sicher hatte sie ihn angespitzt, es konnte gar nicht anders sein! So zumindest hatte der Halbdrache bis vor wenigen Augenblicken gedacht. Bis nun plötzlich...
Er brummte leise, als die Stimme weiter sprach. Eine Großmutter Dorothea änderte natürlich alles. Zu allem Übel klang die Großmutter tatsächlich wie eine betagte, freundliche Dame, die von nichts wusste. Verflucht! Auf wen zum Kuckuck sollte er denn jetzt sauer sein?
Langsam setzte er sich in Bewegung und ging neben Caius her über den Rasen in Richtung der Stimme. Eigentlich hatte er vorgehabt das provozierenderweise im Schneckentempo zu tun. Aber nun wurde es... nun ja... nicht gerade ein zackiger Stechschritt, aber doch einigermaßen zügig. "Da brat mir doch einer 'ne Flugschnecke und den Rüssel recht knusprig", brummte er dabei, nur für seinen Nebenmann hörbar. "Der Teufel hat eine Großmutter..."
Laut sagte er stattdessen, indem er sich seitlich gegen die Augenbinde in Ermangelung eines Helms tippte: "Ist uns natürlich ein Vergnügen, Madame... Frau Gräfin senior?" Athaín wusste nicht, welchen Titel die Großmutter einer Gräfin führte. Für gewöhnlich bewegte er sich nicht so hoch in adligen Kreisen um sich darüber jemals Gedanken gemacht zu haben. "Und... die bezaubernde Magistra Enkelin und ich hatten schon das Vergnügen." Wenn Blicke töten könnten...
...hätte man das bei dem Halbdrachen ohnehin nicht feststellen können, weshalb er sich darauf beschränkte leicht bärbeißig zu lächeln und die Hand auszustrecken, auf dass Frau Gräfinnengroßmutter die Ihrige hinein lege. Ein Handkuss wurde von höhergestellten Damen immer erwartet, und die Entschuldigung man sähe nichts war immer wieder reichlich dämlich. Weshalb sich Athaín angewöhnt hatte, derlei Peinlichkeiten zuvor zu kommen.
Nero faltete artig die großen Flügel zusammen während sich sein langer Hals neugierig in alle Richtungen reckte, ganz im Gegensatz zu Alachia hatte er noch keine Gelegenheit gehabt hier Rosenbeete zu zertrampeln und sich dabei ein wenig umzusehen. Und vom Boden aus sah doch immer alles ein wenig anders aus als aus der Luft.
Cai ließ unterdessen, auf die scheinbar leicht irritierten Worte seines Schwingenbruders, ein leises aber durchaus amüsiertes Lachen hören “Du hättest vor dem Landen einen Blick riskieren sollen, Bruder.” antwortete er belustigt, da er durchaus um die Nachteile und Unannehmlichkeiten wusste, die es Athaín bescherte wenn er durch Alachias Augen sah. Aber dieses Mal hätte es sich wohl ausgezahlt. “Denn deine Ohren täuschen dich nicht, dass ist nicht die Lady Waílamereis, die da das Wort erhoben hat. Aber ich hab genau so viel Ahnung wie du, wenn es darum geht, wer das sein könnte! Aber ich würde mal stark auf Verwandtschaft tippen?” In etwas gehobeneren Kreisen hätte man wohl bescheid gewusst, wer die, höflich gesagt, ältere Dame war die sie gerade so herzlich zu Tee und Gebäck einlud. Wahrscheinlich war es sogar ein erheblicher Faux pas es nicht zu wissen, aber Cais Wissen über Adelsfamilien endete kurz nach den gängigsten Familienwappen und den ersten Namensträgern die wahrscheinlich gerade das Sagen hatten und bis jetzt hatte das auch mehr oder weniger ausgereicht. Aber jetzt blieb auch ihm nichts anderes als höfliches Lächeln und die Hoffnung, das die Dame gnädig genug war sich vorzustellen und sie nicht raten mussten.
“Und mit Tee und Brötchen hab ich auch nicht gerechnet!” Aber es würde ihm nie einfallen eine solche Einladung auszuschlagen, wenn es bedeutete dass das Möbelschleppen dafür noch ein wenig warten konnte.
Cai lief neben Athaín über den ebenen Rasen, auf ihre beiden Auftraggeberinnen und Gastgeberinnen zu, während die Frau Lady Großmutter munter weiter davon redete wie aufregend dieser Tag wohl werden würde. Was Cai leider irgendwie bezweifelte, staubige Einrichtungsgegenstände durch die Gegend zu schleifen war nicht gerade das was er unter aufregend verstand, da hegte er doch eher die leise Hoffnung, dass sich vielleicht doch das ein oder andere Monster im Schrank versteckte.
Dabei wäre erganz und gar nicht abgeneigt seine neugierige Nase hier in ein paar Zimmer hinein zu stecken, die er sonst wahrscheinlich nie im Leben zu sehen bekommen hätte, auch wenn er leider stark bezweifelte, dass sich die Gelegenheit dazu ergeben würde.
Und für einen Moment presste er die Lippen aufeinander und schien sich anschließend kräftig räuspern zu müssen, ganz so als hätte er etwas im Hals und könnte wirklich dringend einen guten Schluck Tee vertragen.
Die andere Option wäre prustendes Gelächter gewesen “Willst du die Flugschnecke zum Tee oder nachher?” gab er ebenso leise zurück, bevor er neben seinem Schwingenbruder stehen blieb der mit der Begrüßung schon begonnen hatte, wobei Cai die Gelegenheit für den Salut auch prompt verpasste und es stattdessen mit einer höfliche kleine Verbeugung in Atevoras Richtung versuchte, während Athaín anscheinend den Handkuss übernahm.
Und da er nicht wusste wieviel die Frau Lady Großmutter schon von ihnen gehört hatte, war es wahrscheinlich nur höflich sich dann auch vorzustellen.
“Mein Name ist Caius und das ist mein Schwingenbruder Athaín, wir haben heute die Ehre. Sehr erfreut, ebenfalls!” meinte er mit einem Lächeln, welches neben Athaíns bärbeißiger Variante davon geradezu lieblich wirkte.
Der junge Drachenreiter schien es nicht besonders eilig zu haben, sich ihrem eigentlichen Auftrag hier zu widmen und außerdem hatte man ihnen doch erst eine Stärkung angeboten und es wäre schrecklich unhöflich gewesen diese auszuschlagen.
Urgroßmutter Thea war einfach großartig. Ein Inbegriff von Großmütterlicher Freundlichkeit. Etwas das sie von den beiden Drachenreitern nicht behaupten konnte. Sie tuschelten kurz miteinander und Caius kicherte. Das Gebaren der Beiden erinnerte die Magierin einen Augenblick lang eher an verzogene Adelige, die beim Kaffeekränzchen mit spitzen Bemerkungen das Umfeld und ihre Untertanen herabwürdigten. Die leisen Wortfetzen die der Wind an Atevoras Gehör herantrug unterstützten diese Wahrnehmung sogar noch. Vielleicht hatte der Große nicht genügend gegessen? Man wurde unleidlich wenn man zu wenig gefrühstückt hatte.
Während Thea also ihre Möbelrücker Willkommen hieß, wandte sich Atevora gleichmütig dem bereit gestellten Gebäck zu und griff nach dem Körbchen mit den süßen Frühstücksbrötchen. Mitten in der Bewegung schoben sich der weißhaarigen Frau Augenbrauen dezent in Richtung Haaransatz als sie Athains Begrüßung an Dorothea hörte. Dieser Mann war angeblich über 300 Jahre alt, und in all der Zeit hatte er es nicht geschafft mal nebenher eine einigermaßen korrekte Anrede aufzuschnappen? Eigentlich war das schwer zu glauben, ebenso könnte es natürlich auch möglich sein, dass er sich rein absichtlich blöd stellte.
„Ja. Guten Morgen.“ Entgegnete Atevora ausgesucht neutral, sogar ein wenig beschwingt und höflich auf den brummig unfreundlichen Tonfall und stellte sich an Großmutter Theas Seite. Nebenher fühlte sie sich darin bestätigt, dass dem Mann der Magen in die Kniekehle hängen musste und die üble Laune insgeheim daher rührte, insbesondere da er die Hand nach vorne streckte um das angebotene Gebäck einzufordern. Jedenfalls deutete sie es so.
Ganz die gute Gastgeberin packte Atevora ein Milchbrötchen und wuchtete es mit Elan es auf des Drachenreiters Handfläche. Schließlich konnte der Rüpel nichts sehen um sich selbst zu bedienen. „Bitteschön. Zur Stärkung vor dem Abenteuer und um die Laune zu heben. Caius? Möchtest du auch eines?“ Herrlich süß duftend schwebte das Körbchen mit dem Gebäck vor des jungen Drachenreiters Nase. „Haben eure Gefährten auch etwas Hunger? Wir können ihnen etwas Fleisch bringen lassen. Achja übrigens: Anders als in Accipetris könnt ihr bei uns gerne den Landesteg zum Landen benutzen, nicht wahr, Uhrgroßmutter? Oder hatten du oder Baidjan mit dem Windmeister etwas anderes vereinbart?“ Ihr selbst wäre nämlich nichts dergleichen bekannt. „Ich würde vorschlagen wir setzen uns einen Augenblick und erörtern bei einer schmackhaften Tasse Tee die .. Eigenheiten des Schlosses und weshalb wir Kampferprobte Helden mit stählernen Nerven für eine scheinbar ganz profane Aufgabe erbeten haben.“
Die lieben Buben verhielten sich genau so, wie Thea es erwartet hatte: Wie Buben eben. Und gleichermaßen überhaupt nicht so, wie sie es sich erträumt hatte. Wo waren die stattlichen Ritter die sich in Manier und Pflogenheiten nicht zu fein waren, einer armen Dame zur Hilfe zu eilen?
Ja, ihre Vorstellung war leicht zwiegespalten. Man mochte das eine wohl Träumerei nennen, das andere von Erfahrung geprägte Einschätzung. Natürlich hatte die Erfahrung dann wohl wieder recht behalten. Die Buben tuschelten und posierten und waren erfrischend locker, wie es beim gemeinen Volk nun mal so üblich war, aber hatten wenig von charmanten Helden.
Hinreizend, ganz hinreizend. Sie würde wohl nie aufhören, erstaunt zu sein, welch faszinierende Titel und Namen man sich für eine einfache Gräfin einfallen lassen konnte. Es entlockte ihr ein Glucksen, während ihre Enkelin, das gute Herz, dem Hellhaarigen ein Brötchen reichte, und auch seinem Kumpanen eines anbot. Die stickigen Blicke übersah die gut gelaunte Großmutter dabei großzügig.
"Ach bitte, nennt mich Dorothea" , schlug sie lieblich lächelnd vor. Die neugierig darauf folgenden Worte schluckte sie herunter und bat nicht, direkt auch den Echsen vorgestellt zu werden. Sicherlich war es das Beste, zunächst ein wenig Frühstück in die Herren hinein zu bekommen, besonders, nachdem sie es so dringend nötig hatten. Der jüngere der beiden brauchte auch wohl ein paar Schlücke Tee, um seinen trockenen Hals zu beruhigen. Ob er wohl auf den Staub später empfindlich reagieren würde? Sie sollten daran denken, immer einen Schluck Wasser parat zu haben.
Atevora machte das gut, leitete gleich zum Grund über, der sie heute zusammengeführt hatte. Thea nickte bekräftigend und tätschelte den Rücken des nächsten Sessels, während sie mit der anderen Hand den Jungen heranwinkte und ihm bedeutete, doch Platz zu nehmen. Wie hieß er noch gleich? Ach herrje, sie hatte es sofort wieder vergessen. Was ein Schlamassel. Wie war das bloß.. Mit A? Mit E? Oder war er doch der andere? Mit K oder G oder...
"Ganz recht, ganz recht. Darf ich Tee einschenken?", fragte sie, während sie schon die erste Tasse zur Hälfte gefüllt hatte. Dabei zitterten ihre alten Hände unter dem Gewicht der gut gefüllten Teekanne. Einfach war es dabei nicht, das Verschütten zu vermeiden, aber so alt würde sie nicht werden, dass sie nicht selbst Tee einschenken konnte.
"Da haben wir gar nicht drüber gesprochen. Seit jeher ist der Landesteg glücklich, unsere Gäste zu empfangen ... Aber es scheint, als müssten wir ihn wohl besser ausschildern. Was meinen unsere Drachenreiter: Wären in der Luft schwebende Richtungsweiser hilfreich, um unsere Gärten zukünftig zu schonen?" Sie zwinkerte den Männern zu, während sie sich nach ihren Gästen nun endlich ebenfalls setzte.
"Was wurde euch denn zu diesem besonderen Auftrag erzählt, werte Herren?", fragte Thea anschließend. "Was erzählt man sich so über das Schloss? Werden die schaurigen Schatten erwähnt, oder die feuerspeienden Monster, die ihre Schränke verteidigen? Oder die hundsgroßen, fleischfressenden Spinnen, die in den Dachgewölben hausen?" Sie wollte gerade einen Schluck trinken, als sie die Tasse wieder absetzte und aufgeregt hinzufügte: "Oh, aber sicher doch die berühmten Wassertoiletten von Firnwacht, nicht wahr? Die muss man kennen!"