Lost Chronicles

Normale Version: Das Leben ist kein Ponyhof
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Athios

Es schien ein ganz gewöhnlicher Tag werden zu wollen, in dessen Morgendämmerung Athios erwachte, wenigstens seitdem er die Fensterläden und Tür seiner Kammer gewissenhaft verriegelte, bevor er sich zum Schlafen niederlegte. Denn weiß Eyva* warum, aber wenn er im Schlaf wandelte, schien er genau daran zu scheitern und blieb wenigstens in seiner Kammer. Wer wacht auch schon gern mitten in der Nacht halb abgesoffen in der Schwarzwasser auf? In lauen Sommernächten mochte sich das ja noch irgendwie witzig anhören. Aber mitten im Winter hatte ihm das schon böses Fieber eingehandelt, eine ganze Woche ans Bett genagelt und mit Wahnvorstellungen malträtiert. Gut, zu Wahnvorstellungen brauchte Athios nun nicht unbedingt Fieber. Sie kamen und gingen, wie sie wollten, meistens allerdings nach ruhelosen Nächten mit wirren Träumen, aus denen er schweißgebadet hochschreckte. Heute aber war eine gute Nacht und der Traum einzig ein Gleiten durch sich schlierig, waberndes Unterwasserpflanzenzeugs, für das Athios keinen Namen weiß. Er hätte genauso gut vom Maisfeld hinterm Gemüsegarten träumen können, nichts was ihn aus der Fassung gebracht hätte.

Erst als Athios die Fensterläden geöffnet und sich nach seinem Beinkleid bücken wollte, bemerkte er den fetten, roten Fleck auf seinem Oberschenkel, der sich schon blau einzufärben begann. 'Wohl doch nicht so gut geschlafen', eilte er nun stattdessen zum Waschtischchen, um in dem alten, schon halbblinden Spiegel nach verräterischen Spuren in seinem Gesicht zu suchen. Aber da war nichts, kein geschwollenes Auge, kein geronnenes Blut unter der Nase, keine Schramme, keine aufgeschlagene Lippe, nichts. Also gab es auch nichts, dass wieder Sorge auf Garalds und Hermijas Züge meißeln würde und Athios war zufrieden, wusch sich und kleidete sich an, um sich ans Tagewerk zu machen.

Die Aufgaben waren klar verteilt. Noch vor dem Morgenmahl fiel ihm das Wasserholen zu, Wasser für Hermija, die das Morgenmahl zu- und das Mittagsmahl vorbereitete, Wasser für die Tränken auf den Viehweiden und Wasser für den Bottich in der Waschküche, derweil Garald die Kühe und Ziegen molk, bevor er sie auf die Weiden ließ und natürlich galt es auch noch die Eier aus dem Hühnerstall zu holen. Heute fiel diese Aufgabe Athios zu, weil sich der sture, alte Ochse nur mit einigen Kniffen auf die Weide bewegen wollte. Altersstarrsinn pflegte Hermija dazu zu sagen und warf dabei stets lange aber gutmütige Blicke auf Garald, dass sich Athios das Schmunzeln nicht verkneifen mochte. Ja manchmal war auch sein Ziehvater ein sturer, alter Ochse.

Zu Tisch besprachen sie dann all die Dinge, die sonst noch so getan werden mussten. Athios war klar, dass sich Garald und Hermija dabei besondere Mühe darin gaben, ihn auf Trab zu halten. Es lag einfach in seiner Natur nicht Nichtstun zu können. Selbst jetzt am Tisch huschte seine Schwanzspitze unablässig über die Bodendielen, als wolle sie imaginäre Brotkrumen aufkehren, ungeachtet der Brote, die er sich schmierte und ganz gleich, worüber er gerade mit seinen Zieheltern sprach und er bemerkte es nicht einmal. In diesen Tagen gab es unter den Männern des Hauses allerdings nur ein Thema: Sollte der Mais jetzt gesät oder besser noch ein, zwei Wochen gewartet werden? Athios war für gleich, denn Eyva* war mit ihnen. Der Winter war mild, hatte schon im frühen Yrqon, den Kampf gegen den Frühling aufgegeben. Bäume und Sträucher regten sich im erstem frischem Grün. Der Ackerboden würde bald gut abgetrocknen und tragfähig werden. Worauf warten? „Ungeduld tut selten gut“, war jedoch Garalds Auffassung. „Wenn wir die Ställe ausgemistet haben, wär's gescheiter, wir streichen die Außenwände. Hab vom Markt ein Fässchen Leinöl mitgebracht. Und wenn wir das erledigt haben, d a n n bringen wir den Mais aus.“ Athios und Hermija wechselten einen vielsagenden Blick. Es brachte nichts, noch länger mit dem Vater zu diskutieren. Am Ende wurde es ja doch so gemacht, wie der es wollte.Das hieß bei einem Dreiseitenhof, wie dem ihren, dessen Stallungen und Scheune reine Holzbauten waren, die nächsten Tage stumpfsinniges Anpinseln ewig langer Holzlatten. 'Hurra!'



*Eyva – Weltenmutter, die gute Seite im Zweigötterglauben, dem viele aus der einfach gestrickten Bevölkerungsschicht der Grafschaft Toscia anhängen. Ihr Pendant ist Arcos, Vater der Leere und natürlich verantwortlich für alles Schlechte
nerionMit einem Seufzen rutschte Pares Nerion seinen Hintern im Sattel des Pferdes zurecht und tätschelte dem Braunen den Hals. Das Tier konnte ja nichts dafür, dass er sich auf dem Rücken eines Drachen tausendmal wohler fühlte als auf einem Pferderücken. Wie selbstverständlich tasteten seine Sinne nach Luna, der silbrigblau glänzenden Drachendame, die die andere Hälfte seiner Seele war. Wie auch ihr Reiter hatte sie einen ausgeglichenen, ruhigeren Charakter, fast atypisch für einen Luftdrachen. Im Augenblick befand sie sich, wie schon die ganze Reise hindurch, zwar in der Nähe aber ausserhalb des Blickfeldes etwaiger Beobachter. Auch die – für Drachenverhältnisse – freundlichste Echse konnte ganz schön einschüchternd wirken, vor allem wenn sie im Versuch eines Lächelns die Zähne zeigte. Und Einschüchterung konnte er auf diesem Auftrag am allerwenigsten gebrauchen, ging es doch darum, einen potentiellen Wildling in den Schoß des Ordo Draconis zu geleiten. Wenn er denn einer war und nicht ein anderwärtig magisch begabter Junge. Und um das festzustellen war er auch nicht allein unterwegs. An den Toren der Akademie hatte er sich mit einer Magierin getroffen, die eben genau das abzuklären hatte. Allerdings schien die junge Dame nicht sehr erbaut von der ihr zugedachten Aufgabe zu sein. Bei seiner Ankunft hatte er sie in einer Diskussion mit einem anderen Magier vorgefunden und der Gestik und Mimik nach schien sie sich für die bevorstehende Reise nicht erwärmen zu können.

Nerion seufzte. Zumindest ließ die junge Dame, die sich als Irene Ashe vorgestellt hatte, ihre Frustration nicht an ihm aus und auch wenn sie mit reichlich ernstem und auch ein wenig genervten Gesichtsausdruck auf ihrem Reittier hockte, gab es zumindest kein Gezicke oder Gekeife. Die Aufgabe war schon so heikel genug: Ein Bauer aus einem kleinen Bauerndorf hatte sich gemeldet, ihm seien an seinem Ziehsohn diverse ‚Absonderlichkeiten‘ aufgefallen, die ihn in Sorge um dessen Wohlergehen versetzten. Es war nicht das erste Mal, dass der Windmeister ihn losschickte, junge, unwissende Wildlinge einzusammeln und nur ein Teil war von der Aussicht, einen Drachen als Seelengefährten zu haben, begeistert. Die motivierten, das waren meist die Jüngeren, die es als Abenteuer ansahen. Doch wenn er Gavron richtig verstanden hatte, handelte es sich bereits um einen Burschen an der Schwelle zum Mann, so an die zwanzig Länze zählend. Und diese Kandidaten waren meist nicht sehr erbaut darüber, eingezogen zu werden. Du schaffst das schon! vernahm er Lunas Stimme in seinem Geist. Ausserdem, besser wir passen auf den Bengel auf als die Magier! Und je schneller wir ihn haben, desto her können wir fliegen … und darf ich dann das Pferd haben? Nerion konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die Drachendame war ja im Grunde ein verträgliches Wesen, aber wenn es ums Fressen ging, war sie ein sprichwörtliches Fass ohne Boden. Wie sie es schaffte, immer noch die schlanke Figur eines Luftdrachen zu halten, war ihm ein Rätsel. Meine Liebe, wir haben das Thema doch schon besprochen: Reitpferde sind KEIN Imbiss! Konzentrier dich lieber darauf ob hier nicht irgendwo ein desorientierter Drache rumflattert! Die Reaktion war ein gedankliches schmollendes Schnauben.

Nerion wandte sich an die Magierin, die seit ihrem Aufbruch schweigsam an seiner Seite geritten war. „Verzeiht wenn ich eure Gedankengänge störe, aber es wird nicht mehr allzu lang dauern bis wir das Dörfchen erreicht haben. Vielleicht sollten wir unser geplantes Vorgehen absprechen?“ Sonst könnte das womöglich in einem Desaster enden.

Irene

‘Irene, ihr beherrscht doch einen Zauber um magisches Potential festzustellen?’ Mit dieser unschuldig anmutenden Frage hatte der ganze Ärger begonnen. Natürlich kannte sie so einen Spruch, es war schließlich ihre Hauptaufgabe in Ingland nach neuen Magiern zu suchen. Das wäre schwer zu leugnen gewesen, selbst wenn sie gewusst hätte wozu das führte. Nun ritt sie zu irgendeinem Hof in Aetheria und presst die Kiefer so fest aufeinander dass die Zähne fast schon knirschten. ‘Sehr gut, wir bräuchten da mal jemanden…’ Oh sie hatte versucht nein zu sagen, mit einer Vehemenz die ihres gleichen suchte, aber letztendlich war sie doch unterlegen. Nachdem Versprechungen wie ‘Es dauert sicher nicht lang.’ und Entschuldigungen wie ‘Sonst steht grad niemand zur Verfügung.’ nicht gefruchtet hatten, hatte man sie da angegriffen wo es weh tat, fing mit Verpflichtungen an und drohte ihren nächsten Aufbruch nach Ingland nur noch mehr zu verzögern wenn sie sich weigern sollte. Natürlich könnte sie eine schriftliche Beschwerde einreichen! … Hinterher, denn der Drachenreiter war ja schon da. So schmorte sie im Sattel vor sich hin, spie innerlich Flüche und schaffte es schlichtweg nicht sich abzulenken. Letztendlich hatten sie ja irgendwo recht, das hier war ihre Aufgabe… wenn auch der Rahmen in dem Irene sie ausführen musste ein völlig anderer war.

Dass der Drachenreiter der sich als Pares Nerion vorgestellt hatte der letzte war der etwas dafür konnte war ihr natürlich bewusst. Wer wusste schon ob er sonderlich Lust auf diese Mission hatte? Zu irgendeinem Bauernhof reiten… auf einem Pferd, wo man sonst König der Lüfte war? Sie bemerkte erst wie sie ihn angestarrt hatte als er sich zu ihr wandte um das Wort an sie zu richten. Um ein wenig den peinlichen Moment zu Überbrücken überprüfte sie kurz den Sitz ihres in einem streng in einem Dutt gebändigten blonden Haares ehe sie sich ihm wieder zuwand. “Wie geht ihr bei sowas denn sonst vor? Ich schätze meine üblichen Rekrutierungsversuche sind nicht unbedingt vergleichbar… das Argument ‘Wenn du nicht mit uns kommt richtet Euch die Kirche des heiligen Lichts hin’ wird in Aeria wohl kaum auf fruchtbaren Boden stoßen. Ich muss auch zugeben mit der ganzen Drachengeschichte hab ich nicht unbedingt Erfahrung. Droht uns Gefahr? Sollten wir Kampfbereit sein? Dass ein ‘Nein’ nicht zu akzeptieren ist wurde mir allerdings schon beigebracht… also nehm ich mal an ihr habt ein Seil dabei? Ich kann zwar jemanden beruhigen, aber ihn nicht einschläfern… und auch nicht seine Meinung ändern. Zumindest nicht mit Magie.” Der Rücken wurde wieder gerade durchgestreckt und der Sitz des Stiletts am Gürtel überprüft. Sie hatte natürlich nicht vor ihn zu benutzen, hatte aber gelernt wie wichtig es war auf alles Vorbereitet zu sein. Immerhin hatte sie das Kurzschwert an der Akademie zurückgelassen um nicht direkt den Eindruck eines bewaffneten Überfalls zu erwecken. Der strenge und ernste Blick der sich in letzter Zeit in ihre Mimik eingebrannte hatte würde an Bedrohlichkeit schon Ausreichen. Nicht dass die mit 1,79 recht hochgewachsene Magierin wie eine Muskelbepackte Schlägerin wirkte, das nun wirklich nicht.. aber mit einer Soldatin hätte man sie nun durchaus verwechseln können… oder - und das würde sie nie zugeben oder auch nur denken - mit einer Inquisitorin… doch dieser Hintergedanke ließ sich nicht ganz ausblenden. Zum ersten mal fühlte sie sich nicht völlig im Recht… sonst rettete sie magische Begabte… jetzt galt es solch jemanden möglicherweise gegen seinen Willen aus einem ruhigen Leben zu reißen. Natürlich kannte sie die Gründe, dennoch war da dieser fahle Beigeschmack.

Athios

Doch manchmal kommt es anders, als man denkt. Der Vormittag war schon vorangeschritten und Garald und sein Sohn gerade noch damit beschäftigt, den Stallmist auf den Schubkarren zu verfrachten, der schließlich auf dem Misthaufen hinter der Scheune landen sollte, als die Tochter vom Nachbargehöft völlig außer Atem am Stalltor auftauchte. Alarmiert hielten die heiden Männer inne und starrten auf den jungen Rotschopf, der sich da noch keuchend um Luft ringend gegen den Torpfosten stützte. „Marja, um Eyvas Willen, was ist denn los?“ Kurzerhand drückte Garald seinem Ziehsohn die Mistgabel in die Hand und eilte dem jungen Ding entgegen. Er hatte zwar noch so gar keine Ahnung, was mit ihr war und wie er sie beruhigen sollte, aber vielleicht half es ja, wenn er sie erst einmal auf den umgestülpten Holzeimer setzte und ihr gut zuredete. Es gab für alles eine Lösung. Man musste sie nur finden. In Athios' Fall hatte er dafür sogar die Drachenreiter angeschrieben, natürlich nicht selbst, aber dieser Schreiberling in Schwarzvald*, Da hatte er ohnehin hin gemusst, um den Ballen Fluuffilz abzuholen, der ihnen ein ordentlichen Sümmchen einbringen würde. Da war es um die paar Münzen auch nicht schade, die er dem Kerl in die knochigen Hände gedrückt hatte, damit der bloß ja die Klappe hielt. Nun ging es aber nicht um Athios oder Fluuffilz sondern um Marja. Doch statt sich von ihm zum umfunktionierten Holzeimer geleiten zu lassen und artig hinzusetzen, klammerte sich das Mädel an seinen Ärmel und stammelte etwas von mitkommen und Hilfe. „Nun mal langsam, junges Fräulein. Sag doch erstmal was passiert ist.“ „Bitte, Bertra** kalbt und etwas stimmt nicht und Fridel*** kommt nicht ran und Vater ist noch in Büllerbüh**** Saatgut kaufen und Bertra dreht durch., bitte!“ Vater und Sohn wechselten nur einen Blick und waren sich einig. Athios würde mitkommen. Er überragte seinen Vater um einen ganzen Kopf, hatte die längeren Arme und war trotz seiner Größe entschieden wendiger, seiner Jugend sei Dank. „Nimm einen Strick mit“, mahnte Garald. Denn wenn er Marja recht verstanden hatte, war die Kuh so in Panik, dass sie selbst die Menschen, die sie versorgten, nicht mehr an sich heran lassen wollte. „Und Eyva mit euch!“ Mit Kälbern, die es nicht von allein auf die Welt schafften, war nicht zu spaßen. Blieb nur zu hoffen, dass es sich noch nicht verkeilt hatte. Mit gerunzelter Stirn schaute er den beiden Davonhasteten nach. Hoffentlich nahmen sie nicht die Abkürzung über die Weide. Nicht auszudenken, was passierte, wenn sie die Fluufs erschreckten. Aber Athios war schließlich auch kein dummer Junge mehr und schien heute einen seiner ruhigeren Tage zu haben. Das Stallausmisten war jedenfalls ohne irgendeinen spinnerten Anfall über die Bühne gegangen.
„Was wollte Marja denn?“ Auch Hermija musste die Beiden vom Küchenfenster aus über den Hof rennen sehen haben und steckte nun ihren schon ergrauten, aber unvermindert neugierigen Kopf aus der Tür. „Ach, sie brauchen nur Hilfe beim Kalben und Henning***** ist noch nicht zurück.“ „Achsooo“, war seine Frau beruhigt, dass es nichts wegen Athios war und schickte sich wieder an, sich um ihre eigenen Dinge zu kümmern. Das sollte auch Garald tun. Der Mist brachte sich schließlich nicht von allein fort. Mit einem letzten Blick in der Himmel, an dem sich aber kein Anzeichen eines plötzlich aufkommenden Sturmes abzeichnen sollte, wand sich Garald wieder in den Stall.



* Kleinstadt und Grafensitz in der Grafschaft Toscia
** Kuh
*** Marjas Bruder
**** Dorf nahe Schwarzvald in der Grafschaft Toscia
***** Nachbarsbauer, Vater von Marja und Fridel
nerion Ein Seil … Nerion zog die Augenbrauen hoch. Das einzige Seil, das er dabei hatte war jenes an dem er das Handpferd mitführte. Immerhin konnte es leicht sein dass sie den Rückweg in Begleitung antreten würden. Und er hielt nichts davon irgendeinen grünen Jungen zu Fuß neben her stolpern zu lassen, gleich ob er sich ihnen freiwillig anschloss oder nicht. „Im Normalfall unterhalte ich mich mit dem jungen Menschen, versuche im Gespräch herauszuhören, ob er die Gegenwart seines Seelengefährten spürt oder ob es nur ein vages Sehnen ist. Und versuche ihm zu erklären, dass es für Personen seiner Art normal ist, sich nur ‚halb‘ zu fühlen.“ Für einen Moment zog sich ein Schmunzeln über sein Gesicht. Er dachte an jenen Tag vor schon so vielen Jahren zurück, als er Luna gefunden hatte, wie er noch ein halbes Kind, hatte doch jeder gerade mal 10 Länze gezählt. War es nicht eher so, dass ich DICH gefunden habe? schaltete ich die Drachendame in diesem Moment in seine Gedanken. Du hast mir von Anfang an gefallen, ich war mir sicher dass du zu mir gehörst. Sie waren mehr oder weniger gemeinsam aufgewachsen und Nerion wollte keinen Tag missen. Aber nicht alle empfanden ihre Drachenaffinität als solch ein Geschenk.

„Wenn ich mir sicher bin, dass der Kandidat nicht schreiend reis aus nimmt, hol ich auch mal meinen Drachen dazu, die meisten haben noch nie einen aus der Nähe gesehen. Manche sprudeln dann schon über vor Fragen, andere sind zurückhaltender. Und je nach Alter verdeutliche ich den Uneinsichtigen auch schon mal, dass irgendwo dort draussen ein ziemlich verwirrter Drache herumstreift, der gegebenenfalls zu einem Problem werden könnte. Und das sie schon aus dem heraus eine gewisse Verantwortung tragen, eine Verantwortung, die die Gabe mit sich bringt.“ In seinem Kopf hörte er Lunas Schnauben. Dieser Teil seiner Rede stieß ihr auch nach Jahren immer noch sauer auf, war sie doch in ihrem grenzenlosen Drachenselbstvertrauen der Meinung, dass sie es war, die für ihn die Verantwortung trug. „Aber …“ schloss Nerion schließlich, „… in all den Jahren hab ich noch nie einen Wildling in Fesseln zum Drachenfelsen gebracht Und ich bitte die Altvorderen dass es so bleiben möge.

In einiger Entfernung, hinter der sanften Biegung des Weges waren die Dächer einiger Gehöfte zu erkennen. Allem Anschein nach hatten sie ihr Ziel, das Dörfchen Dreieichen, beinahe erreicht. „Und um auf euren ersten Gedanken zurück zu kommen: Ich denke auch, dass wir mit Drohungen nicht wirklich weiter kommen werden. Und mit Gewalt wohl schon gar nicht.“ Vielsagend heftete sich sein Blick auf das Stilett an ihrem Gürtel, dass er keineswegs übersehen hatte. „Doch sagt mir, falls es sich um einen Magier handelt und um keinen Wildling, wie gedenkt ihr dann vorzugehen? Damit ich mich einstellen kann, welche Art von Unterstützung in so einem Fall eventuell von mir erwartet wird.“

Irene

“Natürlich reden wir zuerst… ich bin nur lieber auf den Extremfall vorbereitet bevor er eintritt.” Meinte sie etwas missmutig und rutschte ein wenig im Sattel hin und her. Länger zu Reiten war sie nicht unbedingt gewohnt, ihre Tarnung in Ingland ordnete sie meist eher im unteren Fußvolk ein dass sich keine Pferde leisten konnte, so war sie es zwar gewohnt lange Wege zu Fuß zurück zu legen, aber länger in einem Sattel zu sitzen machte nach und nach ihrem Hintern zu schaffen.
Natürlich bemerkte sie die skeptischen Blicke des Drachenreiters. Der schien fast zu denken sie wollte das ganze nur möglichst schnell und zur Not auch Gewaltsam über die Bühne bringen. Den Blick auf ihr Stilett fand sie dann allerdings auch wieder ein klein wenig heuchlerisch, vor allem nachdem er erörtert hatte wie er dem Ziel einen Drachen vor die Nase setzen wollte. Das war ja nun weitaus bedrohlicher als ein langer spitzer Dolch oder nicht? So dachte sie zumindest.. schließlich hatte sie selbst auch noch nie einen Drachen so richtig aus nächster Nähe gesehen. Trotz allem aber musste sie Nerions ruhige Art respektieren. Sie erinnerte Irene ein wenig an ihren verstorbenen Mentor, genug um nur ein paar der stets deutlichen Erinnerungen ans Tageslicht zu bringen. ‘Wenn jemand nicht in ein fremdes Land will, weg von allem was er kennt um Magier an einer Akademie zu werden von der er noch nie gehört hat, überredet von ein paar völlig Fremden, dann ist das ganz normal. Wir müssen dennoch alles daran setzen sie zu überzeugen…’ hallten seine Worte klar in ihren Gedanken wieder, nur das Ende sprach sie laut aus: “...wenn den Leuten erstmal klar wird dass eine Wahl fallen muss… und dass auf einer Seite der Waage das Ungewisse steht und auf der anderen ein Leben voller Gefahr für den eigenen Leib und alle die man kennt, dann stellt sich doch meist die Vernunft ein.” Sie musste sich kurz räuspern um die Erinnerung beiseite zu wischen und die Worte mit eigenen zu ergänzen. “Bei Magiern ist es nicht anders… wenn er wirklich schon erwachsen ist, dann hatte er mit ziemlicher Sicherheit schon etwas das wir Ausbruch nennen… wenn die Magie nicht ordentlich gelenkt werden kann sucht sie sich eben einen Weg und tritt unkontrolliert hervor.. das kann alle Möglichen Formen haben, aber selten sind sie angenehm. Manche lernen zwar mit den Jahren ein paar Mittel und Wege um das alles irgendwie in Gewisse Bahnen zu führen, aber ohne Hilfe ist es eigentlich völlig unmöglich solch eine Gabe völlig zu kontrollieren und ein Unglück ist quasi vorherbestimmt. Wenn er also so einen Ausbruch, oder gar mehrere schon durchgemacht hat, dann sollte es nicht unbedingt schwer sein ihm klar zu machen was es für Folgen haben kann wenn das so weitergeht und dass er die Akademie braucht um nicht sich und die die ihm wichtig sind in Gefahr zu bringen. Natürlich ist nie völlig ausgeschlossen dass jemand sich quer stellt oder sogar seine ungezügelte Magie zur Anwendung bringt.. dafür haben wir einen magischen Schild, also wenn es hart auf hart kommt bleibt hinter mir… oder eurem Drachen. Ich bin zwar keine Kampfmagierin, aber ich kann mich zumindest vor einfachen Zaubern schützen und ihn wie gesagt auch mit Magie beruhigen. Aber ja. Zu allererst reden wir mal mit ihm… also wo ist dieser Hof?”

Athios

Mit einer großen Emailleschüssel, einem Stück Seife, einer Bürste und zwei kleinen Linnentüchern bewaffnet, kam Hermija aus dem Wohnhaus, damit sich ihre Mannsbilder gründlich die Hände am Brunnen inmitten des Innenhofes waschen konnten, bevor sie sich an den Mittagstisch setzten. Doch allem Anschein nach war ihr Junge noch nicht vom Böttcherhof zurück. Ihr Mann stand da allein an der Wand der Stallungen und strich diese noch ohne sie bemerkt zu haben. Das ließ sich ändern. „Garald, Essen ist fertig. Wasch dir die Hände und komm!“
Das ließ sich Garald natürlich nicht zweimal sagen. „Komme!“ Mit zufriedenem Blick begutachtete er die dunkel glänzende Fläche, die er alleine schon geschafft hatte. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Athios zurück kehrte und der alte Herr hatte einen guten Vorsprung erarbeitet, dass sich sein Ziehsohn dann die Leiter schnappen und die hohe Wandfläche darüber streichen konnte, ohne dass sie sich einander in die Quere kamen. Jetzt aber war es Zeit für das wohlverdiente Mittagessen. Wenn er das heute Morgen richtig gesehen hatte, gab es heute leckere, grüne Bohnensuppe mit Tüften und Speck. Gut gelaunt legte er den Pinsel auf dem Leinölfäßchen ab und marschierte schnurstracks zum Brunnen, um sich die öligen Hände zu schrubben.

'Ja wen haben wir denn da?' Noch beim Abtrocknen seiner Hände hatte Garald die Fremden entdeckt, die da die Straße heran geritten kamen. Das waren eindeutig keine Landeier, so wie sie gekleidet waren. Und Garald konnte sich denken, was diese Leute hier her verschlagen haben mochte. Hier, am Arsch der Welt, gab es nur eines, dass Abenteurer, Weltenwanderer und weiß Eyva welches Volk anlockte, denn hinter den Äckern, gab es nur noch Wald und schroffen Fels vor der Leere – nichts, dass Leute wie die da interessieren könnte. Garald rieb sich schon geschäftstüchtig die Hände und ließ es sich nicht nehmen, den Reitern über den Innenhof entgegen zu gehen. „Lasst mich raten, ihr kommt wegen Fluuffilz. Da seid ihr hier genau richtig, beste Qualität und ich mach euch einen guten Preis. Für die Dame vielleicht auch noch ein, zwei Fläschchen guten Apfelwein gefällig?“ Jedenfalls schaute besagtes Frauenzimmer so spröde, als könnte sie dergleichen gut vertragen. Das jedoch sprach der Bauer natürlich nicht laut aus und grinste stattdessen sein nettetes Schönwetterlächeln, derweil er nach den Zügeln der beiden Reitpferde griff, damit die Herrschaften absteigen konnten.
nerionGleich bei einem der ersten Gehöfte wurden sie von einem Bauern – jedenfalls ließen seine Kleidung und sein wettergegerbtes Gesicht auf diesen Berufsstand schließen – in Empfang genommen. Mit der sprichwörtlichen Bauernschläue erkannte der Alte sie als Stadtbewohner oder zumindest nicht in diesem Altvorderenverlassenen Winkel Aerias beheimatet. Und er schien gleich ein Geschäft zu wittern. Fluuffilz … Nerion hatte schon einiges in seinem langen Leben kennengelernt aber sowas war ihm noch nie angeboten worden. An Fluufs ist nichts dran! meldete sich Luna promt in Nerions Kopf zu Wort. Sind nicht einmal ein Imbiss, die Wolle kratzt im Rachen und obendrein ist es anstrengend, die kleinen Biester zu erwischen. Und die blöden Winde, die sie fabrizieren stören beim Fliegen. Also zu nichts Nutze. Bring sowas bloß nicht mit nach Hause! Der Drachenreiter konnte sich nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen. Seine Drachendame war ja eine friedliche Natur aber ein Laster musste jeder haben und bei seiner Seelengefährtin war es ihre Verfressenheit. Mehr als einmal hatte er sich schon gefragt wie bei den Altvorderen sie es schaffte dennoch ihren schlanken, den Luftdrachen so eigenen Körperbau zu halten. Eigentlich müsste sie schon kugelrund sein. Doch wohlweislich verschloss er solche Gedanken vor ihr, wollte er sich eine schmollende Luna doch nur zu gerne ersparen. Versprochen, kein neues Haustier! versprach er ihr im Geiste und wies sie gleich noch einmal darauf hin die Augen nach einem eventuell verwirrt herum flatternden Jungdrachen offen zu lassen. Das war gegenüber Fluufs nämlich im Augenblick prioritär.

Einem Aussenstehenden wäre im Zuge dieses stummen Dialogs vielleicht nur der etwas abwesend wirkende Blick Nerions aufgefallen, seine Bewegungen hatten nichts von seiner Geschmeidigkeit eingebüßt, als er von seinem Pferd stieg und dem Bauern zum Dank zunickte. Schon zu lang war er mit seinem Drachen verbunden, die Stimme in seinem Kopf war ein – geliebter – Teil seiner Natur geworden. Nun aber wandte er seine volle Aufmerksamkeit wieder seinem menschlichen Gegenüber zu. Für ihn war es eine Frage des Respekts und des guten Benehmens seinem Gesprächspartner seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, sofern das irgend möglich war.

„Dem Altvorderen zum Gruße guter Mann. Mein Name ist Pares Nerion Berton und meine Begleiterin hier ist Magistra Irene Ashe. Euer Angebot ist verlockend und bestimmt habt ihr erlesene Ware anzubieten aber das ist nicht der Grund unseres Besuches. Dem Drachenfelsen und der Akademie der Magier zu Acceptris ist ein Schreiben eines gewissen Garald zugestellt worden, in dem er um einen Besuch bittet. Könnt ihr uns sagen, wo der gute Mann zu finden ist?“

Irene

Fluufs? Irene konnte nicht anders als die Augenbraue ein wenig anzuheben. Auf den angebotenen Wein kam von ihr nur ein typisch trockenes “Ich trinke nicht.” Begleitet vom selben eisigen Blick der ihr Blick schon die ganzen letzten Jahre prägte. Dann überließ sie einfach dem Drachenreiter das Reden während sie sich vom Pferd schwang und neben dem Mann platz nahm, auf die Vorstellung ihrerseits folgte nur ein Nicken. Es war etwas ungewohnt einem Fremden gegenüber mit ihrem richtigen Namen vorgestellt zu werden… und dazu noch als Magierin. In Ingland galt es immer eine falsche Identität zu wahren, und an der Akademie kannten sie die mit denen sie Regelmäßig zu tun hatte ohnehin schon, oder es war zumindest überflüssig zu betonen dass sie Magierin war.

Mit ihren 1,79 und der steifen Haltung war sie sicher keine kleine feine Dame, aber dennoch war sie es gewöhnt als Frau unterschätzt zu werden. Das hieß allerdings nicht dass es sie störte… in Ingland hatten Frauen eine recht untergeordnete Rolle, tatsächlich half es bei ihrer Arbeit sogar unterschätzt oder gar nicht erst wahrgenommen zu werden. Hier konnte es möglicherweise auch helfen, doch sie würde sich diesmal nicht die Mühe geben eine andere Rolle einzunehmen, den Kopf gesenkt zu halten, Blicken auszuweichen. Nein heute war sie eine Magierin der das “Ich wäre gerade lieber ganz woanders” nur all zu deutlich auf der Stirn geschrieben stand. So verschränkte sie weiter missmutig die Arme, überließ Nerion das Reden und nickte nur ab und an kaum merklich.

Athios

Sie trinkt nicht? Nie? Auch nicht an heißen Tagen? Nun gut! So verstörend sich das auch für Garald anhören mochte, wollte er sich davon doch nichts anmerken lassen, um nur ja keinen ungehobelten oder gar ungebildeten Eindruck auf die Fremden zu machen, ganz gleich wie ungehobelt und ungebildet er auch tatsächlich sein mochte, zumindest in außerdörflichen Belangen. „Im Lichte Eyvas“, erwiderte er also den Gruß des Mannes, der sich als Pares Nerion Berton und seine seltsame Begleiterin als Magistra Irene Ashe vorstellte und horchte neugierig auf, als jener auch gleich auf den Grund seines Besuches zu sprechen kam. Die Überraschung musste ihm ins Gesicht geschrieben sein, denn sein Schönwetterlächeln wich ihm von den Zügen wie der Tag der Nacht. So schnell hatte er nicht damit gerechnet, dass man sich ihrer Sorgen anzunehmen gedachte. Ob das nun ein gutes oder schlechtes Omen war, mochte er nicht beurteilen.
„Ihr habt ihn gefunden. Ich bin Garald und in dem Schreiben geht es um meinen Sohn. Aber kommt! Während wir eure Pferde versorgen, will ich euch alles erklären.“ Beherzt, wie Garald nun einmal war, griff er sich den Führstrick des mitgeführten Handpferdes und ging voran, die Besucher in die Stallungen zu führen, wo sie ihre Pferde in den hergerichteten Boxen, tränken und füttern konnten, während er dies für das Dritte im Bunde übernahm. Wozu sie es wohl mitführten, wenn sie doch gar kein Packpferd brauchten, kam ihm in den Sinn, denn wie sich heraus gestellt hatte, waren sie ja nun nicht wegen des Filzes gekommen. Aber es sollte nur bei diesem beiläufigen Gedanken bleiben, denn jetzt ging es schließlich um etwas ganz anderes als lukrative Geschäfte. „Sie müssen trinken“ drückte er dem Frauenzimmer mit einem erklärenden Kopfnicken zu den Pferden zwei leere Holzeimer in die Hände, damit sie Wasser aus dem Brunnen holte (ganz der Annahme verfallen, Magistra sei eine vornehmere Bezeichnung für eine Magd) und lud den Herren Pares Nerion Berton ein, ihm auf den Heuboden zu folgen, damit sie ungestört von Mann zu Mann reden konnten, während sie die Futterraufen füllten.
„Ihr müsst wissen, Athios ist nicht das Kind unserer Lenden. Wenn Ihr ihn seht, werdet Ihr es verstehen. Doch Eyva in ihrer Güte gab ihn zu uns und wir lieben ihn, wie unser eigen Fleisch und Blut. Unser Junge ist fleißig und eigentlich nicht schwer von Begriff, aber ...“ Ja wie sagte er das jetzt bloß, dass ihn der Andere recht verstand. „Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Anfangs haben wir uns nichts dabei gedacht, wäre nicht das erste Schreikind in Dreieichen gewesen und sicher auch nicht das Erste mit einer blühenden Phantasie. Aber es hört einfach nicht auf und verfolgt ihn sogar im Schlaf. Manchmal ist er gar nicht ansprechbar und starrt ins Leere, als wäre nur sein Leib auf dieser Welt und sein Geist ...“ Garald malte eine ausladende Geste ins nirgendwo, ratlos wie er das beschreiben sollte. „Oder er wirkt so gehetzt, als sei er in großer Eile. Und er kann einfach nicht stillsitzen. Wir fragen uns, ob er besessen sein könnte oder ob es von seiner Abstammung herrühren könnte und ob es nicht etwas gibt, dass ihm helfen würde. Ihr müsst Euch das einmal vorstellen, er muss nachts seine Kammer zusperren, damit er sie im Schlaf nicht verlässt. So findet er nie eine gescheite Frau, dabei hat er es doch schon schwer genug.“

Er merkte es schon, noch bevor er den elterlichen Hof erreichte, das Straßenpflaster aus flachen, runden Flusssteinen, dass vor seinen Augen verschwamm, sich zu kräuseln und zu leben begann. Fluchend rieb sich Athios die Stirn. Wenn er es doch wenigstens bis in die Scheune schaffte, bis ihn dieser Anfall übermannt. Dort könnte er sich wenigstens hinter dem Fuhrwerk verkriechen, bis es wieder vorbei war und er die Orientierung wieder fand und so Eyva mit ihm war, umgesehen bleiben. Aber selbst seine Schritte zu beschleunigen, sollte ihn dieses Mal nicht retten. Noch auf dem Hof packte ihn der Wahn, vom Himmel eingesaugt zu werden, sich immer höher und höher schrauben, dass es ihm den Atem raubte, immer schneller, dass ihm ganz schwindlig ward. Instinktiv riss er die Arme hoch, als könnte er irgendetwas finden, an dem er sich festklammern konnte und torkelt dabei so blindlings, als sei er sternhagelvoll im Kreis. Doch als er schon glaubte, sein Magen stülpe sich von innen nach außen, hörte es so abrupt auf, dass er mit dem Armen ruderte, um dem Gefühl zu entrinnen, elendiglich abzustürzen, wenigstens bis er den Luftstrom unter seinen Armen fühlte, der ihn trug, wenn er nur still hielt. Und wie still er hielt! Wie zur Salzsäule erstarrt mit weit von sich gestreckten Armen stand Athios mit weit aufgerissenen Augen auf dem Hof und doch in seiner ganz eignen Welt. Und wie sich sein Atem normalisierte und seine Sinne wieder zu ihm fanden, meinte er hoch droben über Wasser zu gleiten, wie über einen Spiegel , nein einen Spiegel mit Sprüngen. Waren das da Felsen? Er hatte es kaum gedacht, glaubt er zu kippen und kopfüber in die Tiefe zu stürzen. „Wohoho nein“, riss er sich die Arme vors Gesicht, so wie die Felsen, furchtbar schroffe Felsen wohlgemerkt, in rasender Geschwindigkeit größer wurden und bemerkte dabei nicht, wie er im Hier und Jetzt des Hofes in die Knie ging. "Nein, nein, NIIIIICHT!"
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