Lost Chronicles

Normale Version: [Beendet] Get Out!
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Seiten: 1 2 3 4 5
”Bannzauber? Bannzauber bricht man mit Vim!” Kaum dass Malar den groben Sack von ihrem Gesicht gezogen und sie sich aufgerichtet hatte, um mit dieser Aussage heraus zu platzen, fragte Bran sich was ihr wohl zugestoßen war, bevor sie hier gelandet war. Schon mit dem Warlock war man nicht gerade zimperlich verfahren, um ihn herzubringen, aber anscheinend hatte sie schon erlebt, was Malar und ihn noch erwartete.
Er seufzte leise, während er ihrem Schwall an Worten zuhörte, welcher aus ihr heraus brach, scheinbar in dem Versuch sich von ihrer SItuation und wahrscheinlich auch von ihren Schmerzen abzulenken.
“Mein Name ist Bran.” stellte auch er sich noch einmal der Höflichkeit halber vor. Wäre die Situation eine andere gewesen, hätten ihre Ausführungen über Vim, diese Akademie und ihre AUsbildung, sowie die Tatsache dass sie aus einer anderen Welt kam, womöglich sein Interesse weitaus mehr geweckt. Aber jetzt war es bloß Zeit die ihm durch die Finger lief.
“Ja, ganz genau um die geht es…” antwortete er. Und mit jedem Wort das sie sprach, stiegen in ihm die Zweifel, dass sie derzeit wirklich in der Lage wäre eine solche magische Herausforderung erfolgreich zu lösen. Der Priester schien da schon eher die sicherer Option zu sein.
Obwohl er sich natürlich nicht wirklich in einer Lage befand, in welcher er es sich leisten konnte wählerisch zu sein.
“Im Grunde ist es mir egal, wie es passiert. Hauptsache es geht schnell.” normalerweise dauerte es sehr, sehr lange, falls er denn überhaupt jemals so weit kam, irgendjemanden die Wahrheit zu erzählen, dass er einen Schatten in sich trug, den er noch dazu nicht hundertprozentig kontrollieren konnte. Es machte ihn zu einem Ausgestoßenen, den die Menschen fürchteten und hassten. Aber wenn er das magische Siegel loswerden wollte, blieb ihm wohl auch hier kaum eine Wahl. Doch noch sperrte sich alles in ihm, zwei völlig Unbekannten diese Wahrheit auf die Nase zu binden. Wahrscheinlich war es zu großen Teilen auch der Schatten, welcher sich dagegen sperrte, er hatte es am liebsten unerkannt zu bleiben und die Schuld für all seine Taten Bran zu überlassen. Welche der Warlock auch nur allzu oft schluckte und ausbaden musste.

Malars Plan klang etwas... durchschlagend, aber solange Bran dieses Verfluchte Halsband trug, war er auf die Hilfe von anderen angewiesen, wenn er nicht riskieren wollte wieder Amok zu laufen wie schon lange nicht mehr. Zwar gab es hier unten nicht besonders viele potenzielle Opfer, allerdings bezweifelte er auch, dass der Schatten wirklich einen Weg hier hinaus finden würde.
“Soll mir recht sein, solange ihr mit Feuer und Wasser nicht die ganze Zelle über mir zum Einstürzen bringt.” Umständlicher ginge es wohl kaum, vor allem wenn er daran dachte, dass er sich einfach mit einem Schattenschritt, von einem Schatten zum nächsten bewegen konnte und somit einfach aus der Zelle hinaus schreiten. Wäre da nur dieses Halsband nicht.
Ein unwilliges Knurren entfuhr ihm, während er wieder an den eisernen Fesseln zerrte, welche ihn in seiner Bewegungsfreiheit zwar stark einschränkten, aber nicht so sehr, dass er Malars Anweisungen nicht nachkommen konnte.
“Ich bitte euch nur, beeilt euch!” warf er noch ein, in der Hoffnung eine vielleicht aufkommende theoretische und wahrscheinlich langwierige Diskussion zu unterbinden, als Malar sich noch einmal an die Magierin wandte und sie fragte, ob sie nicht noch eine bessere Idee hatte. Dass war nun wirklich das Letzte was er jetzt brauchen konnte, obwohl er den Schatten hämisch lachen hören konnte, während sich dessen Energie weiter anstaute.
Aber wie sollte er ihnen die Dringlichkeit seines Problems klar machen, ohne gleich mit der Türe ins Haus zu fallen und die Wahrheit zu erzählen? Und vielleicht würden sie ihm dann gar nicht mehr helfen wollen, sondern es für besser befinden, wenn er gefesselt und magisch versiegelt in seiner Zelle liegen blieb?

Atevora

Sich wieder zu begegnen erschien so absurd unwahrscheinlich, und dennoch war er hier. Eindeutig. Genau so wie er es sagte: In Lebensgröße. Die ramponierten Kleider, die er ansprach, sowie das verfilzte Haar störten die Magierin weit weniger als die Gesamtsituation an sich, die, nebenbei erwähnt, sogar noch unerfreulicher erschien als das letzte Mal. Und DAS wollte schon wirklich etwas bedeuten.
Es wirkte beinahe so als hätte Dessortes seine diebische Freude daran gefunden ausgerechnet diese zwei Personen in ausweglose Situationen zu stopfen. Doch womöglich war es nicht Dessortes, sondern Malars vieläugige Gottheit die diesen leichten Hang zur Bosheit und tragischen Gesamtsituationskonstrukten besaß, oder aber, was ihr prompt sehr einleuchtend und wahrscheinlich erschien, beide Götter hatten sich hier geschäftig die Hand gereicht in ihrer kleinen, perfiden Freude für Szenarien zu sorgen die eine Zusammenarbeit eines ansonst unmöglichen Personengespannes unabdingbar nötig scheinen ließ. Elende Götter. Wenn sie wieder klar denken konnte würde sie ihnen etwas erzählen! Warum konnte das hier nicht eine friedliche Landschaft an einem malerischem See bei Mondbeschienener Nacht sein, wo sie in Gesellschaft vorwitzig blinkender Glühwürmchen im weichen Gras lagen und bei knusprigem Süßgebäck in Griffweite gemeinsam Sterne zählten? Am besten noch mit einer auffrischenden kühlen Frühlingsbriese um eine Ausrede zu haben näher zu rücken und sich an den Kerl zu kuscheln? Wäre das denn zuviel verlangt? Atevora seufzte.
Naja. Positiv betrachtet kannten Alb und Magierin vom jeweils anderen die optisch ungeschönte Wahrheit, und hatten vor einander nicht schon längst bereits Reißaus genommen. Das könnte natürlich auch an den Gitterstäben liegen. Oder den Fesseln. Oder den Verletzungen. Oder dem lahmen Bein… Oder.. - Egal. Wer wollte schon so negativ denken? Auch die kleinen Dinge galt es zu honorieren, wie bespielsweise, dass sich ihr Mitgefangener ihr gegenüber nochmals vorstellte.
Bran. Kurz und Knackig, leicht zu merken. Etwas das sie in ihrem noch ein klein wenig rauschmittelbenebelten Zustand spontan als gut befand. Insgesamt wirkte Brans Art zu antworten aber etwas brummig. Nicht auf die staubige und trockene Weise wie Malar es präsentierte, sondern irgendwie.. beißender? Beide hatten sie in jedem Fall Recht. Sie hätte theoretisch vordringlichere Ziele anzustreben, als sich um magische Konstrukte zu scheren – allerdings war nichts davon wirklich greifbar oder machbar. Ein weiterer Fakt der nicht von der Hand zu weisen war: Sie sollten hier nicht herumbummeln und die Zeit mit Plauderei und Kaffeekränzchentratsch verschwenden – insbesondere nicht da sie eindeutig Tee(runden) bevorzugte, der übrigens ebenfalls nicht zur Hand war. Die Welt war wirklich ungerecht.


Bran stellte sein Wunschanliegen, dass es schnell gehen sollte, nicht nur einmal Fest, was ihm eine gewisse Eindringlichkeit verlieh, die Atevora jedoch völlig gleichgültig war. Die Dinge würden schließlich trotzdem so lange benötigen wie sie eben brauchten. Des Alben Plan indes weckte in ihr eine dezente Skepsis. Nicht, dass sie etwas gegen knusprige, gutaussehende Kämpfer hatte, die völlig Feuer und Flamme für sie wurden, in diesem Fall erschien ihr Möglichkeit auf verwässertes Grillfleisch in Malars Nebenzelle allerdings ein wenig uncharmant.
Aber nicht verzagen, Magierin Fragen! „Das habe ich in der Tat.“ Die Zauberin des hohen Hauses Diaspor schmunzelte vielsagend. „Ich bringe uns einfach zu Bran.“ Simpel, oder? Wobei der Zauber selbst weit weniger simpel war wie der Plan selbst. Und leicht würde er mit den in Watte gepackten und etwas trägen Gedankengängen erst recht nicht.
 
Wie schwer und kraftaufwändig würde der Zauber werden? Kritisch warf die Weißhaarige einen kurzen Blick auf Malars Kleidung. Sollte sie diese berücksichtigen? Wie übellaunig würde der Alb wohl, wenn zwar er, aber nicht seine Kleidung mit transportiert würde? „Wie wichtig ist es dir, dass die Kleidung an deinem Körper verbleibt?“ Vermutlich hätte sie sich diese Frage sparen können. Woraus mochte die Kleidung wohl hergestellt sein? „Hmm.“ Pflanzliche Faser? Tierische? Beides? Und vor allem: Was taugt hier als Fokus? Suchend strichen die dunkelblauen Augen über die Gitterstäbe und blieben just an einem verdächtig feinen Gespinnst zwischen zwei Stäben hängen. Spinnweben. Sie musste auch nur kurz die Hand ausstrecken und die Fäden vom Gitter zu pflücken. „Tierische Faser. Und jetzt noch...“
Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf die Stricke mit denen sie vorhin noch gefesselt gewesen war und griff danach. Damit hatte sie zusammen was sie benötigte. „Ich kann uns gemeinsam nur transportieren, wenn wir uns, während ich die Formel spreche, berühren.“
 
Soweit sogut. Nun schloss Atevora die Augen um sich zu sammeln, auf Malars Präsenz einzustimmen, und zu konzentrieren. Dann, begleitet vom melodiösen Singsang hob die Erbgräfin ihre Hände und intonierte die magische Formel. Just zerfiel das Gewebe das einmal die peinigenden Fesseln waren und die Spinnenseide zerfaserte zu zartem Rauch. Mit präzisen Bewegungen woben die Finger das magische Geflecht zuende, welches sich mit einem seltsamen Prickeln in der Luft um sie und Malar schlang und mit eindringlicher Kälte über der Beiden Körper floss.

Es war weder ein Plopp, noch ein spektakuläres Knistern zu vernehmen, allenfalls ein zartes Rieseln von Staub der zu Boden fiel als die Beiden mit einem Mal verschwanden und im Bruchteil eines Wimpernschlages später neben Bran in der Zelle erschienen.
Es war vollbracht. Atevora hatte sie beide heil und nicht nackt wie die Götter sie Schufen in Malars Nachbarzelle gebracht UND das auch noch deutlich sauberer als vorher. Jedenfalls befreit von allem das weder zum menschlichen Körper, oder der Kleidung gehörte noch tierischen oder Pflanzlichen Ursprunges war. Von der Magierin hatte der Zauber jedoch seinen Tribut gefordert. Ihr kleines Herz flatterte wie nach einem Dauerlauf, und die Erschöpfung riss grob an ihr. „Ich brauche einen kurzen Moment...Pause.“
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war Malar nicht gerade der Typ für Süßgebäck und Sterne zählen. So etwas kannte er nicht. Dort woher er stammte, machte man sich förmlich den Hof und äußerte seine Wertschätzung in kostbaren Geschenken, wovon man hoffte dass das Objekt der Verehrung sie gnädig annahm, und einem nicht naserümpfend unter die Nase rieb dass der Rivale bereits mit einem viel wertvolleren Kleinod zu beeindrucken gewußt hatte. Brautwertbung bei den Alben war anstrengend, wenn man das Pech hatte als männliches Exemplar geboren zu sein. 

Ganz erstaunt war er damals gewesen, als er gar nicht viel tun mußte um Atevora für sich zu gewinnen. Gut, er hatte sie mit einem Blutritual daran gehindert zu sterben und hätte es beinahe selbst nicht überlebt, aber das hatte er nicht getan weil er darum gebeten worden war, sondern um dem Schicksal seinen Willen aufzuzwingen. Für Alben ein ganz normales Verhalten. Dennoch hatte die Erfahrung, für bedeutungslose Dinge wertgeschätzt zu werden, ihn verändert. Es hatte ihm eine Welt eröffnet, die er zuvor nicht kannte. Als wäre er buchstäblich wachgeküßt worden. Nachdem er wieder zurück war, hatte er es in Vaîsílhar nicht mehr ertragen. Er hatte Abstand gebraucht von seiner launischen Ehefrau, mit der ihn schon seit Jahrzehnten nur noch Haß verband und der er das lahme Bein verdankte, sowie von der ganzen intriganten und ränkeschmiedenden Gesellschaft. Seine Kinder waren erwachsen und gingen eigene Wege. Also hatte Malar besschlossen das ebenfalls zu tun. 

Damit gerechnet die Magierin überhaupt wiederzusehen hatte er allerdings nicht,  geschweige denn unter diesen Umständen. Aber wer auch immer das eingefädelt hatte, schien tatsächlich einen gewissen Sinn für Ironie zu besitzen. Ob es noch andere Götter außer der Vieläugigen gab? Malar mochte es nicht ausschließen, aber das Meiste hielt er für Hirngespinste. Die Vieläugige indes war keines. Sie war höchst real und offenbarte sich bisweilen, um ihren Tribut zu fordern und besänftigt zu werden. Mit weniger als Blut gab sie sich nicht zufrieden. Im Moment war allerdings nicht die Zeit für philosophische Betrachtungen, obwohl sich der Alb diesen sonst gern hingab. Bran schien es eilig zu haben, und Malar wurde das Gefühl nicht los, dass dies nicht nur an seiner zugegeben misslichen Lage und der notorischen menschlichen Ungeduld lag. Möglicherweise hing es mit dem Halsband zusammen, welches sich der Alb gern näher ansehen wollte. 

Nun, sein Vorschlag besaß einige Schwachstellen, wie er selbst eingestehen mußte. Deshalb war es naheliegend zunächst einmal die fachkundige Ansicht der Magierin einzuholen, die - wie Malar wußte - zu sehr viel eleganteren Leistungen imstande war als eine Wand einzureißen oder Metall zu verflüssigen. Die Elementarmagie des Albenpriesters war kraftvoll, aber nicht besonders filigran. Und tatsächlich - Atevora Gräfin Wailamereis schien noch ein As in ihrem zerfetzten Ärmel zu verstecken, was den Priester die Brauen heben ließ. "Einfach?" echote er, beschloß aber dann den Mund zu halten. Sie würde schon wissen was sie tat, zumindest hoffte Malar das. Beim Mundhalten blieb es auch, als die Magierin eine Frage stellte, die nur rhetorischer Natur sein konnte. Dafür sprach der durchbohrende, rubinrote Blick des Alben wahre Bände, sodass sie die Antwort leicht auch ohne weiteres Zutun erraten konnte. In der Tat war es Spinnenseide, aus der die Kleidung hergestellt war. Dieses einzigartige Gewebe wurde nur in Vaîsílhar hergestellt, kein anderes Volk beherrschte diese Kunst. Was genau Atevora vorhatte wußte Malar immer noch nicht, legte jedoch interessiert den Kopf schief und folgte ohne launige Bemerkungen den Anweisungen. 

In Ermangelung einer anderen Idee streckte er die Hand durch das Gitter, da er nicht genau wußte was sie mit berühren meinte. An den Händen fassen vermutlich nicht, denn die wurden für Zaubergestiken benötigt. Also griff er kurzerhand nach ihrem Oberschenkel, der das Nächste in Reichweite war. Die Luft begann auf der Haut zu prickeln, ein Zeichen dass mächtige Magie gewirkt wurde. Ein wenig Rauch war zu riechen, dann wurde es mit einmal Mal eisig kalt, bevor sich die Umgebung buchstäblich schlagartig veränderte. Nun, nicht die ganze Umgebung, sondern lediglich die Perspektive hatte gewechselt, stellte Malar nach einem irritierten Blinzeln fest. Er betrachtete Bran nicht mehr nur durch Gitterstäbe, sondern lag vor ihm auf dem Boden. Aufrecht stehend wäre es ihm lieber gewesen, aber das konnte man sich angesichts der Umstände nicht aussuchen. "Ich muß schon zugeben, ich... bin beeindruckt", stellte der Alb murmelnd fest und blickte sich nach Atevora um, bevor er spürte dass seine Hand immer noch auf ihrem Oberschenkel lag. Er räusperte sich leicht und zog sie zurück. 

"Nun... seid nochmals gegrüßt", nickte er ihrem gefesselten Gastgeber zu und richtete sich in eine sitzende Position auf. Nanu? Was war das? Seine eben noch verdreckte Kleidung erschien plötzlich so... sauber? Nun, was auch immer, beschweren würde er sich darüber sicher nicht. "Ist alles in Ordnung, meine Liebe?" wandte er sich dann der Magierin zu, die einen ebenso sauberen, aber sehr viel mitgenommeneren Eindruck machte. "Habt Ihr vielleicht einen Schluck Wasser übrig, Bran? Es ist sicher nicht die Empfehlung des Hauses, aber Ihr solltet etwas trinken, Mylady."
Bran schwieg während Atevora und Malar über die Möglichkeiten sprachen zu ihm in die Zelle zu gelangen, denn die Magierin schien einen besseren Vorschlag zu haben, als sich den Weg mit elementarer Gewalt zu ihm zu bahnen. So wie sie es aussprach, klang es wirklich sehr einfach und weitaus ungefährlicher als der Vorschlag des Priesters, denn auch Bran hielt wenig von dem Gedanken, erst verbrannt und dann ertränkt zu werden. Obwohl er es für sehr wahrscheinlich hielt, ein solches Szenario sogar irgendwie zu überleben, denn dem Schatten in ihm war meistens sehr daran gelegen ihn vor dem schlimmsten zu schützen, damit sie beide überlebten. Natürlich war er dadurch weder unverwundbar noch unsterblich, aber weder Bran noch der Schatten waren dazu geneigt leicht aufzugeben.

Wenn sie sich doch nur beeilen würden!
Wie sollte er ihnen wirklich begreiflich machen, welcher Gefahr sie ausgesetzt waren, wenn sie noch länger hier herum trödelten, ohne sie gleich zu seinen Feinden zu machen?
Zumindest waren die bisherigen Reaktionen immer recht einseitig gewesen, wenn er sich mal dazu entschieden hatte jemandem die Wahrheit anzuvertrauen. Deswegen ließ er es mittlerweile meist bleiben und tat es nur noch, wenn es sein musste und keinen anderen Weg gab.
Das hier, sah schon stark nach einer solchen Situation aus…

Bist du dir sicher? Willst du ihnen wirklich so weit vertrauen?

Der Schatten säuselte die Worte in seinem Inneren, spielte mit seinen Unsicherheiten und nährte sein Misstrauen und seine Angst.

Vielleicht lassen sie dich auch einfach hier? Glaubst du wirklich, dass sie dir vertrauen werden? ~Nein, tut mir nichts ich kann ihn kontrollieren!~ Glaubst du, sie werden auf dein wimmern reinfallen? Du verfluchter Feigling! Wenn sie dich hier lassen kommst du noch gut weg, was wenn sie dich töten?

Bran hätte sich gern die Ohren zu gehalten und laut zu singen begonnen, um den Schatten aus seinem Kopf zu vertreiben. Aber es gab keine Möglichkeit diese Stimme auszublenden oder zum schweigen zu bringen. Der Schatten sägte an seinem Willen, drängte ihn dazu nachzugeben und einfach alles ihm zu überlassen. Versprach ihm seine Schmerzen zu lindern und ihn wieder zu befreien.

Vertrau mir! Du musst mich unterstützen. Hilf mir frei zu kommen und ich werde uns befreien! Verlass dich nicht auf sie! Sie werden dich verraten, kaum das sie wissen wer du bist und was du in dir trägst. Für sie ist es ein Makel, eine Gefahr, ein Fehler der ausgemerzt gehört!
Aber ich verstehe dich, ich kenne dich! Ich gehöre zu dir! Lass mich frei!


Er schloss die Augen und versuchte verzweifelt das letzte bisschen Wille und Standhaftigkeit zusammenzukratzen und dem Schatten entgegen zu stellen. Aber sein Widerstand schmolz mehr und mehr dahin, wie Schnee in der warmen Frühlingssonne, während die Zweifel an ihm nagten und Bran sich eine sehr gefährliche Frage stellte: Was, wenn der Schatten recht hatte?

Er spürte das leise prickeln von starker Magie, und noch während er die Augen hob und seine Konzentration dankbar wieder nach außen richtete, konnte er beobachten wie Atevora und Malar vor seinen Augen verschwanden, um dann nur einen Herzschlag später in seiner Zelle wieder aufzutauchen.
Endlich!
Bran gestattete sich ein leises, aber erleichtertes seufzen.
Zwar konnte auch er sehen, dass es der Magierin nach ihrem beeindruckenden Zauber alles andere als gut ging, aber bei Malars Worten kochte ein unbeschreiblicher Zorn in ihm hoch, während der Schatten ihn herzhaft auslachte.
„Sehe ich so aus als hätte ich Wasser bei mir?“ brauste er auf, während er sich mit einem Ruck wieder aufsetzte, weg von der Wand an welcher er noch gelehnt hatte. Die Fesseln klirrten laut, während er völlig unnützer Weise an ihnen riss und Malar anscheinend am liebsten an die Gurgel gesprungen wäre.
„Ihr werdet bald sehr viel größere Probleme haben wenn du mir nicht hilfst, Priester! Du kannst dich entweder mit mir herum schlagen, oder mit einem Schatten, der aus mir ausbrechen wird und auf seinem Weg nach draußen alles kurz und klein schlagen wird. Ich kann ihn kontrollieren, aber nur wenn du dieses verdammte Siegel von mir löst, bevor er zu viel Macht angesammelt hat. Du hast die Wahl!“
Er hatte Malar die Worte praktisch entgegen gespien, in einer Wut und Rage, von welcher nur der Schatten profitierte. Und im selben Moment wünschte er sich, das Gesagte wieder zurücknehmen zu können. Sein Herz hämmerte aus Angst wild gegen seinen Brustkorb, während er seine Mine jedoch stoisch nach außen hin verhärtete.
Er hätte es anders sagen sollen, gar nicht am besten. Stattdessen irgendetwas anderes ausdenken. Denn jetzt war er ihnen mehr oder weniger ausgeliefert. Bran zog an den Ketten, aber sie gaben nicht nach. Natürlich nicht…
Gespannt wartete er auf ihre Reaktionen.

Atevora

Dieser durchdringende Blick mit dem Malar die kleine Magierin auf ihre Frage hin bedachte, war wahrlich Antwort genug. Die Kleidung hatte also dort zu verbleiben wo sie war, und zwar an seinem Körper. Die Maga nahm die Bedingung schweigend zur Kenntnis und anstatt innerlich über den Mehraufwand zu maulen, setzte sie um was notwendig war.


In der Nebenzelle angekommen forderte der aufwendige Zauber seinen Tribut. Magie wirken sah so einfach aus. Ein paar Worte und Gesten, und schwupps, wurde ein Effekt ausgelöst. Das irrige dabei war, dass die Worte und Gesten noch nicht einmal zwingend notwendig waren, sondern lediglich ein dringend anzuratendes Hilfsmittel um die magische Energie in die gewünschte Bahn zu bewegen, doch Magie wurde zum überwiegenden Teil mit purer mentaler Geisteskraft geformt und feilich der eigenen Befähigung diese immense astrale Kraft zu kanalisieren. Magiewirken war vergleichbar mit, nun, einer Quizzbefragung bei Gewichteheben und Dauerlauf? Aber trotz der Erschöpfung die mental und körperlich an in biss, war Atevora zufrieden mit sich. Bran schnaufte erleichtert und es mochte höchst wahrscheinlich auch etwas Besonderes sein, einen erfahrenen Albenpriester wie Malar noch mit irgendetwas beeindrucken zu können.

Etwas bedeuten mochte sicherlich auch des Priesters Verhalten und Wortwahl ihr gegenüber (denn da war wieder diese spezielle Formulierung die einer diplomatisch Person von Stand sicherlich nicht entging), und der Umstand, dass sich Malar nicht gleich dem Mann mit den Ketten zuwandte sondern zuerst ihr und ihr Wohlergehen vorne an stellte. Gewiss, in ihrer Welt hätte man dieses neuerliche „Meine Liebe“ als schlichte Floskel eines Gentlemans gegenüber einer Dame abtun können. Aber das schien zu Malar nicht zu passen und hinsichtlich des gesellschaftlichen verbalen Gebaren, so wie der Alb es ihr gegenüber durchscheinen ließ damals, eher unüblich. Obendrein sagte und tat der Priester nie etwas ohne sich dabei etwas zu denken. Das war auch ein Punkt den sie miteinander teilten. Natürlich, somit konnte die Fürsorge, die der Mann gerade zeigte sehr leicht als pures berechnendes Gebaren gedeutet werden, was mit Sicherheit auch zu einem erheblichen Teil zutraf. Atevora hatte ihre Nützlichkeit bewiesen, die bei dem Geketteten noch nicht feststand. Auch die Magierin hätte ähnlich reagiert, aus ähnlichen Beweggründen. Allerdings war es die Kombination die ganz feinsinnig etwas zwischen die Zeilen schrieb. Nun. Vielleicht bildete sie es sich auch nur ein und sie nahm sich selbst viel zu wichtig?
 
„Ja, alles in Ordnung. Ich brauche nur einen kleinen Moment Rast, dann ist alles wieder gut.“ Gut? Hier?! Hier war gar nichts gut! Doch die bleiche Gräfin wollte abwinken und auf den Mann verweisen um dessen Ketten es sich zu kümmern galt, schließlich war er ein potentieller Kampfgefährte, oder zumindest ein lebendes Schild der einen Pfeil für sie abfangen konnte. Atevora kam nicht dazu. Rauh und ungezügelt warf sich Bran mit einem Mal wütend in die Ketten. Er wirkte geradewegs so als wollte er ihr und Malar die Nasen einschlagen!


Von dem plötzlichen barschen Ausbruch völlig überrumpelt wich Atevora instinktiv zurück. Soweit das sitzend und erschöpft überhaupt möglich war, und die Mauer in ihrem Rücken es zuließ. Das hieß sie kippte lediglich ein kleines Stück zurück. Die Augen waren jedoch groß und rund, und der Mund von Überraschung leicht geöffnet. Dieser Weise spiegelte ihre Miene zu deutlich wieder, dass der Mann sie überrumpelt hatte. Das Klirren der Ketten dröhnte dabei in ihren Ohren genau so unangenehm wie das wütende Bellen von Brans Worten, mit denen er Malar zornig anherrschte. Das was er sagte und die Weise wie er es tat waren schon allerhand. Man mochte auch gerne sagen: Unerfreulich.
Kaum hatte die Weißhaarige den Schrecken überwunden, was bei einer ehemaligen Magierin des Hauses Achat relativ schnell von statten ging, versteinerte ihre Miene und die Augen betrachteten den Mann nun abschätzig und kalt. Sie musste noch nicht einmal genau verbalisieren was sie von seinem Benehmen hielt. In einer anderen Situation hätte die sie Information mit dem Schatten wohl interessant gefunden und ihr wissenschaftliches Interesse, genau gleichermaßen wie ihren Gefahrensinn genährt. Im Moment überwog eindeutig das Letztere. „Fein. Das ist alles sehr hilfreich..“ Ganz und gar nicht. Sie waren hier in einem verfluchten Kerker, sie hatte weder vernünftige Kleidung noch Vis bei sich, dafür aber einen Schädel der ohne ende Dröhnte, einen Verbündeten mit lahmen Bein und ohne Stock, und einen schattenbesessenen Rohling als mögliche "Gruppenverstärkung". Wundervoll. Was konnte man sich schöneres wünschen? Die Gäfin überlegte ob es vielleicht besser war den Mann hier einfach an den Ketten hängen zu lassen, oder wie viel der Kerl als möglicher Verbündeter und Schutzschild generell taugte, und natürlich wie gefährlich es war wenn er starb. „Mein Liebster.. Albenpriester, beschäftigt ihr Euch mit der Kette um den Hals? Ich gönn mir einen Moment zum fokussieren und kümmere mich dann um Stock, Waffen und Schutz.“ Die ersten Worte waren mild gefärbt um so mehr fiel es auf, dass die Worte ins Brummige abdrifteten und das letzte davon eindeutig mit einer Beinote versehen war, die nicht von Freude sprach. Sie dachte nämlich daran, dass sie den Schutz womöglich nicht vor einer namenlosen Gefahr brauchen würden, sondern vor Bran, den sie vorher noch als potentiellen Kampfgefährten angesehen hatte. So ein Ärger. Wirklich gemein. „Noch eine Sache: Ihr könnt den Schatten kontrollieren, sagt ihr. Aber was wenn ihr von einer Waffe getötet werdet, ist der Schatten dann frei und stürzt sich auf uns?“
Natürlich war hier so ziemlich Alles weit von einem Zustand entfernt, den man als gut bezeichnen konnte. Das war auch Malar überdeutlich klar. Aber dennoch waren sie alle intelligente Wesen, deren Umgangsformen sie von Tieren unterschieden, die ihrem bloßen Instinkt folgten. Und der albische Priester legte sehr viel Wert auf Umgangsformen. Keine Situation war so ausweglos, als dass man sie nicht mit stoischer Geduld und einem eisernen Lächeln ertragen konnte. Soviel Disziplin hatte einfach zu sein! 

Allerdings hatte er da wohl seine Rechnung ohne die menschliche Natur gemacht. Kaum hatte er seinen Wunsch geäußert, als der muskelbepackte Krieger in seinen klirrenden Ketten auch schon aufbrauste und aussah als würde er im nächsten Moment auf sie zustürzen um ihnen den Schädel einzuschlagen. Nun... Malar revidierte sich. Es gab durchaus Situationen, in denen auch ein Alb instinktiv handelte. In diesem Fall flogen seine Arme zur Seite und bildeten eine schützende Schranke vor der Magierin. Ein paar dunkle Laute in einer kehligen, fremdartigen Sprache, und eine Feuerwand zuckte zwischen ihnen und Bran hoch, die jedem vernunftbegabten Wesen signalisieren mußte besser keinen Schritt weiter zu gehen. Sie fiel sofort wieder in sich zusammen, als der Krieger sich beruhigte und scheinbar von seinem Vorhaben abließ, aber es sollte gleichwohl eine Warnung sein. Man bedrohte einen Priester der Vieläugigen nicht ungestraft. 

"Ich habe Eure Worte wohl vernommen, Mensch!" donnerte die dunkle Stimme des Alben durch den Raum. "Aber alles zu seiner Zeit! Wenn Ihr es nicht schafft ein wenig Geduld aufzubringen, wird das Vorhaben scheitern, denn ich benötige dazu Konzentration!" Die glutroten Augen bohrten sich feurigen Pfeilen gleich ins Gesicht des Gebundenen. "Und meine Gefährtin benötigt Erholung, oder denkt Ihr Magie regnet vom Himmel?" Der ausgestreckte Finger des Alben wies in die Ecke der Zelle, wo neben einer Holzschale mit schimmligem Fraß ein ähnlicher Krug stand wie er ihn vorhin in seiner eigenen gesehen hatte. Vermutlich stand auch ein Solcher in der von Atevora. "Der Krug dort! Schiebt ihn mit dem Fuß herüber!" wies er den Menschen an. "Er mag von zweifelhaftem Inhalt sein, aber vermutlich bekommen wir hier nichts Anderes zu trinken. Und wagt Euch nicht noch einmal mir zu drohen!" 

Malar wirkte nicht einmal ärgerlich oder wütend, aber seine Stimme klang fest und bestimmt, wie die von jemandem der es gewohnt war zu befehlen, und nicht etwa Anweisungen entgegen zu nehmen. Obwohl er am Boden kauerte und anscheinend kaum in der Lage war sich zu bewegen, schaffte er es irgendwie doch, etwas Majestätisches auszustrahlen. Er war eindeutig jemand, oder zumindest einmal jemand gewesen, dessen Wort man sich nicht widersetzte. "Und dann setzt Euch her." Sein Finger wies nun auf den Platz neben sich. "Ich will mir Euer hübsches Schmuckstück ansehen, während Ihr die Fragen der Dame Wailamereis beantwortet." Die durchaus nicht ganz unberechtigt waren, wie Malar zugeben mußte. Denn wenn dieser Mann einen Schatten in sich trug, wie er gesagt hatte, war es besser auf alles vorbereitet zu sein. Auch darauf, dass dieser Schatten möglicherweise nichts Gutes im Schilde führte - was Schatten ohnedies überaus selten taten - und sie angreifen würde sobald er freikam. 

"Das Stock-Problem?" Da mußte er sich doch noch einmal Atevora zuwenden um sie fragend anzusehen. Der Unterton war ihm nicht entgangen, weshalb es kurz in seinen Mundwinkeln zuckte. Oh ja, er wußte sehr wohl, dass dieses zierliche Persönchen durchaus die Krallen ausfahren konnte. Das mußte aus seiner Sicht nicht weiter kommentiert werden. Aber wie in Orvins Namen wollte sie das Stock-Problem, wie sie es nannte, und was er sehr wohl verstand, denn lösen? Es war schließlich weit und breit kein Stock zu sehen, und auch nichts Anderes, was man ersatzweise nutzen konnte. Dieses tatsächlich vorhandene Problem hatte Malar jedoch an den Rand seines Bewußtseins verdrängt. Er konnte schließlich nicht mehrere Aufgaben auf einmal lösen, und die Befreiung Brans von seiner Fessel schien ihm die vordringliche zu sein. Umso erstaunter war er zu erfahren, dass Atevora scheinbar bereits an einer Lösung arbeitete.
Mehr aus Reflex, vor der plötzlichen und heftigen Hitze, als aus wirklicher Angst, zuckte der Warlock vor der plötzlich zwischen ihnen entstehenden Feuerwand zurück, drücke den Rücken gegen die kalten und feuchten Steine hinter ihm und wandte das Gesicht von der sengenden Gluthitze ab, die ihm entgegen strahlte.
Er hatte die Lippen aufeinander gepresst und hielt die Augen geschlossen, dieser Wut und dieser Zorn… gehörte der wirklich zu ihm? Tief durchatmen. Das war nicht das erste Mal, dass so etwas passierte, die Grenzen drohten immer wieder zu verschwimmen, die grenzen zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen dem Schatten und ihm. Er zwang sich zu einem tiefen Atemzug und einem weiteren. Leere deinen Geist! die Stimme schnitt wie ein Messer durch die kochenden und brodelnden Emotionen, er konnte das Gesicht vor seinem inneren Auge sehen, von Leben und Wetter gezeichnet und doch voller Liebe. Atmen! Tief und ruhig, atme die Emotionen aus und die Ruhe ein, bis nur mehr du selbst übrig bleibst. Mit jedem Atemzug trittst du einen Schritt weiter zurück, bis du in der Lage bist das große Ganze zu sehen.
Es war eine alte Meditationstechnik, die Sigyn ihm beigebracht hatte. Und wenn er ihre Stimme fand, dann funktionierte es, jedes Mal. Sigyn hatte ihn nie im Stich gelassen.
Atmen!
Dieser Zorn gehörte nicht zu ihm, es war der Zorn des Schattens. Bran konnte die heftige Reaktion des Priesters nur zu gut verstehen und nachvollziehen. Stolz wehrte sich in ihm, es war keine Drohung gewesen, es hätte keine sein sollen. Nur eine Warnung.
Vergiss nicht zu atmen!
Weg mit dem falschen Stolz, weg mit den falschen Rechtfertigungen hinter denen er sich verstecken wollte.
„Verzeiht mir, ihr habt recht!“ sagte er deswegen nur, seine Worte waren ruhig und klar und er erwiderte Malars eindringlichen Blick und neigte kurz den Kopf zum Zeichen der Reue.
Beuge dich nie dem Willen des Schattens, Bran. Und folge niemals seinem Weg, du musst derjenige sein, der den Weg angibt. Versprich mir das! vor Jahren schon hatte er seiner Mentorin dieses Versprechen gegeben und immer sein Bestes gegeben sich daran zu halten. Er würde jetzt nicht damit anfangen es zu brechen!

Der Schatten schwieg im Moment, denn er wusste, dass er gegen die Erinnerungen an Sigyn keine Chance hatte. Er würde auf die nächste Gelegenheit warten, wenn sich wieder eine bot.Er würde einfach nur warten. Der Schatten mochte sich zurückziehen und schweigen, aber er wäre bestimmt nicht weit um in Bran die nächsten Zweifel zu schüren.
Statt zu Antworten, rückte er wieder von der Wand weg, gegen welche er erst noch zurückgewichen war und streckte mit viel Geschick, die gefesselten Füße aus, um den schmutzigen Krug über den unebenen Boden zu ihm hin zu schieben, wie er es ihm geheißen hatte.
Der Warlock schien die kraftvolle Autorität, die der Priester ausstrahlte anzuerkennen, zumindest schien die unberechenbare Wildheit sich zurückgezogen zu haben und war ersetzt durch eine klare aber kühle Ruhe. Im Moment hielt Bran das Ruder in eiserner Hand.
An Händen und Füßen gefesselt, war es nicht unbedingt einfach Malars Forderung, sich neben ihn zu setzten, nachzukommen. Statt sich mühsam in kleinen Bewegungen über den Boden hinweg zu robben, ließ Bran sich auf den Boden sinken und rollte sich zu dem Priester hinüber, um sich dort mit einem kräftigen Ruck wieder aufzusetzen, mehr oder weniger in der Position, die Malar verlangt hatte.
“Ich danke euch.” antwortete er leise, während er den Kopf neigte um den Priester einen besseren Blick auf das elende Halsband zu ermöglichen.

Mit einer erstaunlichen Gelassenheit, welche in deutlichem Gegensatz zu seiner vorherigen Wut stand, erwiderte er Atevoras bohrenden Blick und zwang ein schwaches, aber bitteres Lächeln auf sein Gesicht.
Und wenn ihre Frage ihn bestürzte oder beunruhigte, dann ließ er es sich nicht mehr ansehen. Es war nicht zum ersten Mal, dass ihm diese Frage gestellt wurde und er beantwortete sie auch bestimmt nicht zum letzten Male. Es war eine der wenigen Fragen, welche den Schatten betrafen, die er auch beantworten konnte.
Der Warlock schüttelte den Kopf “Nein, der Schatten ist an meine Seele gebunden. Wenn ich sterbe, wird auch er vergehen. Tot, stellen weder er noch ich eine Gefahr dar, das könnt ihr euch als letzten Ausweg merken.” fügte er mit einer gewissen Note an Zynismus in der Stimme.
Der eigene Tod war eine Option, über die er schon öfter nachgedacht hatte, als er es sich eingestehen wollte, aber das war nichts was er zwei völlig Fremden jetzt eröffnen wollte, ganz zu schweigen davon, dass es hier nichts zur Sache tat.
“Was sagt ihr, Priester? Könnt ihr das Siegel brechen?” fragte er dann nach einer Weile, mit einem gewissen Drängen in der Stimme, aber deutlich darum bemüht Malar nicht nochmals zu reizen.
Noch hatte er die Sorge bei weitem nicht abgelegt, dass sie ihn hier vielleicht auch einfach zurück ließen.

Atevora

Unter den vielen Dingen, welche Atevora nicht schätzte, standen Respektlosigkeiten und aufbrausendes Gebaren sicherlich weit vorne auf der Liste. Entsprechend wenig Begeisterung entflammte als Bran derart Laut und „unkuschlig“ wurde. Die Magierin war keineswegs dumm und konnte sicherlich in diesem Fall ein Gebot zur Eile nachvollziehen, dennoch hatte sich Bran ihrer Ansicht nach soeben reichlich im Ton vergriffen. Eine Verfehlung in ihren Augen die für vieles sorgte, nur nicht zu einer Zeiteinsparung! Kein Wunder also, dass sie unerfreut reagierte, allerdings war sie niemand der dazu neigte verbal offen auf Konfrontationskurs zu gehen. Ein missbilligender Blick, ein unzufriedener Gesichtsausdruck, und im höchsten der Gefühle eine brummige oder zynische Beibemerkung, das waren die Mittel der Adeligen Aerias, derer sie sich auch bedient hatte. Alles andere wäre auch ihrem beruflichen Bestrebungen entgegen gestanden. Als Diplomat war ihr daran gelegen die Fronten nicht weiter zu Härten sondern ein Aufeinanderprallen von hitzigen Gemütern zu vermeiden. Folglich begnügte sich Atevora mit eben solch einem missbilligenden Gebaren und einem unzufriedenen Brummen in den nicht vorhandenen Bart.  
Gänzlich anders Malar. Seine kraftvolle Zaubergeste und der feurige Flammenwall der sich schützend aufbaute waren eindrucksvoll (und heiß), ebenso die Worte mit denen er dem geketteten die Leviten las. Ein gewagtes Unterfangen einem aufbrausenden Gemüt mit ähnlichem Feuer entgegen zu halten. Malar verstand es jedoch selbst mit donnernder Stimme nicht aufbrausend zu wirken, sondern eine gefasste Autorität zu vermitteln, jedenfalls in ihren Augen. Von dieser Erfahrung könnte sie sicherlich profitieren und lernen. Auch dem Nachwuchs im Hause Wailamereis würde es zu Gute kommen, dessen war sie sich eigentlich sehr gewiss, aber die Umstände formten dies alles zu einem unmöglichen Gebilde. Traurig, sie wollte schon wieder etwas das sie nicht haben konnte.

Die Zurechtweisung schien jedenfalls Früchte zu tragen. Bran rief sich selbst zur Ruhe und vermittelte einen wesentlich gefassteren Gesamteindruck. Er kam sogar der Aufforderung nach. Theoretisch hätte auch sie selbst nach einem kurzen Augenblick der Ruhe zu dem Krug krabbeln können. Praktisch fand sie es natürlich besser, dass sich anstatt ihr der Mann für sie abmühte. Erstens konnte er sich auf eine Aufgabe konzentrieren und das half bekannter Maßen dabei sich zu festigen, und zweitens.. war es für sie natürlich auf diese Weise wesentlich bequemer.
Sie saß also dort, schweigend und gönnte sich die Verschnaufpause. Völlig entspannt konnte man ihr Innenleben natürlich nicht bezeichnen. Brans Gefühlsausbruch kam heftig und plötzlich. So etwas konnte sich wiederholen, richtig? Der Gedanke daran behagte der in Lupen gewandeten Gräfin nicht besonders. Es war jedoch kein Grund seine Manieren zu vergessen. „Dankesehr“ Nuschelte sie beifällig, als der Wasserkrug durch des Geketteten Bemühungen in ihre Reichweite gerückt wurde. Sie musste nur noch danach greifen und ihn das letzte Stück an sich heranziehen, was sie auch tat.
Nun begann sie einen Fehler: Atevora blickte in den Krug. Ja, besonders schmackhaft wollte die Flüssigkeit nicht auf siewirken, insbesondere nicht, da auf dem Wasser eine tote Fliege schwamm. Oh, die verwöhnte kleine Gräfin konnte gar nicht anders als über die Getränkeeinlage nicht besonders glücklich zu sein, aber todesmutig fasste sie sich dennoch ein Herz, griff in die Krugöffnung, packte mit spitzen Fingernägeln das tote Ding am krüppeligen Beinchen und zog es aus dem Wasser. So. Die Frage stand nun natürlich offen ob das Ding lediglich ersoffen war, oder aufgrund von der Wasserqualität dahingerafft wurde. Als Angehörige der Spezies FRAU brachte sie es neben ihrem Tun, und den hochwissenschaftlichen Fragen die sie sich dabei stellte, sogar noch fertig Brans Ausführungen hinsichtlich des Schattens zu folgen. Tot, stellen weder er noch ich eine Gefahr dar, das könnt ihr euch als letzten Ausweg merken. Das klang gar nicht mal sooo schlecht, zumindest von ihrem Blickwinkel aus. „Die Chancen stehen gut, dass es nicht zu DIESEM letzten Ausweg kommen wird.“ Ein Schmunzeln beendete diesen Satz, und es war bitterkalt. "Es ist viel wahrscheinlicher, dass wir vorher von wer-auch-immer uns hier eingesperrt hat, ermordet werden." Da konnte sie eigentlich auch gut und gerne zweifelhaftes Wasser trinken. Es spielte ohnehin keine sonderliche Rolle ob sie sich damit den Magen verdarb. Dieser Logik folgend gönnte sie sich einen beherzten Schluck von dem Gesöff. Der Geschmack war.. furchtbar muffig, metallisch und abgestanden. „Vielen Dank für die ehrliche Antwort.“.

Malar bat nun Bran etwas näher zu kommen, um das Schmuckstück um den Hals näher zu begutachten, aber er selbst schien gedanklich noch ein wenig an der Magierin Worte zu hängen. Und schon folgte die Frage zu dem Stock-Problem. „Diese Elenden haben Euch eures Stockes beraubt.“ Atevora empfand es aus irgend einem Grund frevelhaft und ein wenig wie einen direkten Angriff auf sich selbst. „Als ob uns das aufhalten könnte. Ich werde Euch mittels Magie einen neuen formen. Und dann werde ich für jene die uns hier eingekerkert haben alle Gebote von Gande und Menschlichkeit vergessen. – DANACH wenn wir das überlebt haben! - .. Werde ich vermutlich an diesem madigen Wasser zu Grunde gehen.“ Damit schob sie den Krug demonstrativ ein Stück von sich weg und lehnte sich zurück an die Gitterstäbe.

Da Bran sehr nahe bei ihr und Malar saß, musterte sie einigermaßen bequem an der Zellenbegrenzung lehnend das „Gute Stück“ auch ein wenig eindringlicher. Der Ring selbst bestand aus zwei Hälften. An einem der Enden aufgebogen und mit einem Schloss versehen, auf der einen Seite mit einem derben Scharnier samt Eisenstift. Das Metall des Ringes war dunkel und konnte von der Entfernung für Gusseisen gehalten werden, doch aus der Nähe wurde der Irrglaube deutlich. Es handelte sich um ein weit kostbareres Metall, und  zwar jenes aus dem viele Relikten der Altvorderen bestanden. Der Stift um den sich das Scharnier und das Schloss wirkten dem entgegen eher wie gewöhnliches Eisen, der Umstand dass der Stift an einer Seite leicht rötlich vom Rost angegriffen verfärbt war, unterstrich dieses Urteil.
Durch wieviele Hände dieses Relicktbestandteil wohl inzwischen gegangen war? Schriftzeichen Alter Zeiten befanden sich auf dem Metall. Sie wirkten an vielen Stellen makellos und so selbstverständlich zum Metall gehörig, wie etwa auch das Grün eines Birkenblattes im Spätfrühling. Ein Teil des Ringes ließ den Eindruck zu als wäre es dort ursprünglich mit etwas anderem Verbunden gewesen, denn das glatte Metall sah dort aufgeraut und uneben aus und die Schriftzeichen darauf glichen eher einer hinzugefügten Ergänzung. Wurde das Metall dort vom einem ursprünglich viel größeren Relikt abgeschlagen?  Auch dürfte das Metall zuvor nicht aufgebogen gewesen sein, sondern erst nachträglich verändert um die Löcher mittels eines Schlosses verschließen zu können. Wozu diese Teile ursprünglich wohl dienten? Fest stand, dass die Schriftzeichen dort, wo das Metall gebogen wurde, etwas in Mitleidenschaft gezogen worden waren, und eindeutig nachträglich nachgebessert, oder wieder tiefer eingeätzt wurden. Das Schloss selbst war mit zarten magischen Symbolen versehen, die absolut an die Brillanz einer Qualitätsarbeit der Magier des Hauses Opal herankam. Womit wurden die Symbole so klein und fein ins Eisen eingebracht? Womöglich auch eingeätzt? Würde Atevora noch näher gehen und die Zeichen betasten, so würden sie ihr ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend verursachen. Ähnlich als würde man an einem Erzmagier vorbei gehen dessen Macht ihn umgab wie ein unsichtbares Energiefeld, derart wie man sich auf einem offenen Berggipfel vor einem Gewitter fühlte, wenn die Haare aufgrund der Spannung in der Luft sich aufstellten und es galt schleunigst das Weite zu suchen. Vermutlich konnte dieses Schloss eine Überraschung für jene Parat halten die sich daran zu schaffen machten. Ihr eigener Ansatz wäre also die Brachialmethode: Den Metallstift des Scharniers bearbeiten. Es wäre mit perdo Terram möglich, aber sie würde vermutlich Tage daran sitzen damit der Stift immer schlechter wurde und wegrostete. Es ginge aus ihrem Fähigkeitenhorizont aus gesehen sicherlich schneller als die Symbole am Schloss, oder den Bannzauber der Krause selbst zu entschlüsseln, doch selbst diese Zeit hatten sie hier ganz sicher nicht. Welch ein Glück, dass Malar zugegen war, der sich dieses Problems angenommen hatte. Falls er nicht weiter kam, blieben noch andere Möglichkeiten. Einen Schlüssel auftreiben womöglich? 
 
Während Malar das gute Schmuckstück analysierte schloss die Magierein für einen Moment die Augen und lauschte dem Umfeld. Das Rascheln von Malars Robe und das gelegentliche Geräusch von Brans Ketten klangen in der geräuscharmen Atmosphäre unglaublich Laut. Selbst die Atemzüge waren klar und deutlich zu vernehmen. Jene des Schattenhortes waren im Intervall kürzer als jene des Albenpriesters. Und ihre? Sie langen irgendwo dazwischen. Der Dunst des betäubenden Mittels war inzwischen beinahe gänzlich verschwunden, die Gedanken wurden greifbarer, ebenso wie das Schmerzen ihres Körpers eindringlicher wurde. Obendrein das ihr kalt war. Es wurde Zeit etwas dagegen zu unternehmen.
 
Mit neuem Tatendrang schlug sie die Augen auf.

Askalan

„Na? Wo wollen wir denn mein kleiner Leckerbissen. Wir sind nicht noch nicht fertig.“ Ein Quietschen war zu vernehmen als das große schwere, aber dennoch humanoide Wesen mit dem Körper eines ausgewachsenen Löwen und dem peitschenden Stachelschwanz nach unten zu seiner Beute blickte, die viel zu winzig war für seine Verhältnisse. Eine Ratte, die er sich vor kurzem erbeutet hatte. Glücklicherweise gab es hier viele von ihnen … wäre er doch ansonsten kläglich verhungert. Diesem Exemplar fehlte ein Ohr … der Rücken war auch schon durchlöchert und dennoch kroch dieses Tierchen immer noch munter weiter. Zwar verängstigt und zitternd mit rasendem Herzschlag, doch immer noch lebendig. „Noch lange nicht!“, fuhr er mit düsterer Stimme fort. Mit einem heftigen Prankenschlag klatschte er das Tier zu Boden und ergriff die Wurmschnur und hob das Tier nach oben. Die lüsternd blauen Augen des Mantikors trafen auf kleine glänzende Knopfaugen. „Das wars jetzt? Kein Quieken, kein Zappeln … kein gar nichts?“ Er seufzte. „Was bist du nur für ein bedauernswertes Geschöpf.“ Mit einem Happs hatte er das Tierchen auch schon den Weg in seinem Mund gefunden. Das Krachen von zermalmenden Rattenknochen war zu vernehmen. Reine Zeitverschwendung so viel Zeit zu vergeuten für eine Mahlzeit, die gerade eben etwas für den hohlen Zahn war. Doch mehr als ein paar lausige Ratten am Tag sprang für ihn im Moment nicht heraus. Abgesehen davon musste er doch irgendwie die lange Weile vertreiben.

Er sah sich um. Wände … überall wo er auch hin ging waren nur Wände. Sie versprerrten ihm die Sicht, den Weg ... das Licht. Feucht und muffig war die Luft hier drinnen, die Gänge waren schmal und boten wenig Platz. Her und da waren ein paar Fackeln, die dafür sorgten, dass es nicht ganz so dunkel war. Zwar konnte er sich auch im Dunkeln recht gut zurecht finden, doch ein bisschen mehr Sonnenlicht war doch wohl wirklich nicht zu viel verlangt. Schließlich bot das spärliche Fackellicht nicht sonderlich viel Wärme, wenn er nicht gerade vor hatte sich anzuzünden.

Gänge … überall waren nur schmale, lange Gänge, wohin er auch ging. Es sah alles gleich aus. Grob behauene Steine ... hier und da ein paar Stützpfeiler. Große hässliche Flecken zierten die Wände … wo er auch hin sah überall schimmelte und miefte es. Der Mantikor verzog angewidert das Gesicht. Hier gefiel es ihm ganz und gar nicht! Wie war er nur hier her gekommen? Wie umnachtet musste er gewesen sein? Und wer oder was hatte ihn bloß hier her gebracht? Es juckte an seinem Hals, sodass er sich kratzen musste, ganz unwillkürlich. Irgendein Vollidiot hatte ihm wohl allem Anschein nach mit einem Haustier verwechselt und ihm ein Halsband angelegt. Bereits mehrmals hatte er versucht es herunter zu bekommen … vergeblich. Doch das spielte keine allzu große Rolle. Es behinderte ihn nicht! Denn diese vertrottelten Zweibeiner hatten offensichtlich vergessen, eine Kette dran zu hängen. Was für ein dummes Pack. Er hätte es beinahe schon lustig finden können … wäre er nicht hier in dieser tristen und trostlosen Umgebung.

Askalan ging weiter, vorbei an vergitterten Zellen voller bedauernswerten Kreaturen. Wimmernd und winselnd in einer Ecke kauernd, stinkend nach Angstschweiß und ihrem eigenen Urin. Sie waren so furchtbar langweilig, interessierten den Mantikor schon lange nicht mehr. Ab und an wagte es doch noch der eine oder andere in seine Richtung zu blicken, nur um kurz daraufhin wieder verängstigt zusammen zu zucken, wenn er sich nach ihm umdrehte. So als wäre er derjenige gewesen, der ihm in den Zwinger gesteckt hatte. Manchmal hörte man sie auch Schreien … vor Angst ... vor Wahnsinn. Als ob das irgendetwas ändern würde. Es tangierte den Chimären nicht sonderlich, denn im Grunde genommen kam er ohnehin nicht an sie heran. Man hatte sie weg gesperrt. Das war in etwa so, als würde man vor einer vollen Vorratskammer verhungern.

Er ging weiter … langsam und bedacht, seine Umgebung genau beobachtend. Treppen waren zu sehen … sie führten hinauf und hinab. Bereits unzählige Male hatte er sie benutzt und keine von ihnen führte jemals nach draußen. Wie weit er auch gehen mochte und wohin er auch blickte … überall waren nur die kahlen Schimmelwände und verschlossene Türen, die ihn verhöhnten. Es war immer das Gleiche, er kannte die Wege in- und auswendig, benutzte sie lediglich, um nicht dem Wahnsinn zu verfallen. Tief in ihm drinnen war auch die leise Hoffnung, dass er eines Tages doch noch einen Ausweg aus diesem Dilemma finden würde.

Und tatsächlich … diesmal war etwas anders. Ein frischer Wind kam auf. Zumindest was man hier als solchen überhaupt bezeichnen konnte. Er konnte Schritte vernehmen … Schleifgeräusche scharrten auf den kalten und staubigen Boden. Wie aufregend! Er musste diesem Geräusch einfach folgen. Doch dann verstummte es… so als wäre nie etwas geschehen. Der Mantikor streckte seinen Kopf, sah sich um … suchte nach der vermeintlichen Ursache, nur um fest zu stellen, dass er wieder einmal im Kreis gelaufen war. Verflixt nochmal. Das darf doch nicht wahr sein! Askalan gähnte herzhaft. Auf diesen Schock hin brauchte er dringend ein Nickerchen.

Eine halbe Sonnenumrundung war vergangen. Zumindest glaubte er er es, denn ohne Tageslicht konnte man so etwas nie genau wissen. Ein lieblicher Klang hallte durch die Gänge. Der Klang von großen und saftigen Gaumenfreuden, die zudem auch noch so etwas wie Unterhaltung mit sich brachten. Zumindest wenn die Stimmen echt waren und nicht ein Echo seiner eigenen Phantasie waren. Und tatsächlich … dort hinten in der Zelle waren Zweibeiner. Saftige und leckere Zweibeiner … gleich drei Stück davon! Einer zum Frühstück … einer zum Mittagessen und einer zum Abendbrot. Herrlich! Ihm lief das Wasser im Munde zusammen. Das war so, als würden Hati und Domali zugleich gefeiert werden.

Etwas verwundert legte er seinen Kopf schief. Wer hatte die drei denn zusammen in eine Zelle gesteckt? Und vor allem warum? An Platzmangel konnte es nicht liegen … waren doch noch genug andere Käfige frei. Doch sei es darum. Ruhig legte sich der Mantikor in eine vollkommen unbeleuchtete Ecke und beobachtete das Schauspiel mit wachsamen Blick. In der Hoffnung, sie würden genug Kraft aufwenden können um ihren Bau zu verlassen oder als würden sich wie durch ein Wunder die Gitterstäbe in Luft auflösen.
Die nachdrücklich vorgetragene Bitte doch den Wasserkrug herüber zu schieben - es war tatsächlich eine Bitte und kein Befehl, auch wenn man das durchaus anders verstehen konnte - war nicht etwa dazu gedacht den Krieger zu erniedrigen, sondern dem reinen Pragmatismus geschuldet. Denn selbst mit gefesselten Händen und Füßen verfügte Bran immer noch über mehr Bewegungsfreiheit als Malar selbst. Atevora hingegen hatte bereits ihren Teil geleistet und sich somit das Recht verdient auf ihren vier Buchstaben hocken zu bleiben. Mit einiger Erleichterung registrierte der Priester dass Bran nicht etwa erneut aufbrauste, sondern im Gegenteil der Bitte nachkam und sich sogar entschuldigte. Obwohl Letzteres in den Augen des Rotgewandeten gar nicht erforderlich war, nickte er wohlwollend. Er hatte inzwischen gelernt, dass es unter Menschen als höflich galt um Verzeihung zu bitten. Alben taten das niemals. Alben leisteten sich aber auch keine Unbeherrschtheiten, außer sie waren in einer Position die derlei Luxus erlaubte. Jedes Kind in Vaîsílhar lernte das schon früh als wichtigste Überlebensstrategie. 

"Es ist schon gut. Dankt mir wenn ich weiß, wie ich Euch helfen kann." Die Stimme des Silberhaarigen klang nun wieder gleichmütig ruhig und kultiviert, so als hätte sie sich niemals erhoben. Während Atevora eine Fliege aus ihrem nassen Grab fischte und noch zu überlegen schien ob sie sich auf das Abenteuer einlassen sollte Näheres über den Inhalt des Kruges herauszufinden - es würde ihr wohl nichts Anderes übrig bleiben, und auch ihm selbst würde es früher oder später nicht erspart bleiben - strichen die Finger des Alben behutsam über das Metall des merkwürdigen Halsbands, welches er nun gut erreichen konnte. Die winzigen eingeätzten Symbole beachtete er nur für einen Moment, denn sie gaben nicht viel Aufschluß darüber wie dieses Ding funktionierte. Es war eine Bannformel, aber diese brachten selten Gebrauchsanleitungen mit sich, wie sie außer Kraft zu setzen waren. Sonst wäre es ja einfach. Nein, Malars tastende Finger suchten nach etwas Anderem. Jeder Schließmechanismus, auch wenn er mit einem Zauber belegt war, funktionierte letzten Endes mechanisch. Es mußte also etwas geben was ihn öffnete, denn damit würde auch der Zauber gebrochen - oder ausgelöst, je nachdem wie er beschaffen war. Außer dem Bannzauber konnte der Priester jedoch keine weiteren magischen Muster sehen, weshalb es unwahrscheinlich war dass eine Falle ausgelöst wurde. Dieses Ding erfüllte tatsächlich nur den Zweck etwas einzusperren. Und es war alt. Viel älter als der Zauber, der auf ihm lag. Es besaß kein Schloß, jedenfalls keins was mit einem Schlüssel zu öffnen war. Nur einen Mechanismus mit einem Stift, der jedoch bombenfest saß, als hielte er durch... Magie...?

Während Malar beschäftigt war, fühlte Atevora dem schattenbesessenen Krieger auf den Zahn. Ihre Fragen wurden auch sehr freimütig beantwortet, und nicht einmal der Alb, der ein höchst sensibles Gespür für Lüge und Verrat besaß, konnte darin einen Mißton von Verschlagenheit entdecken. Seine Stirn runzelte sich leicht. Wer verriet gegenüber Fremden freiwillig, dass die einzige Methode ihn unschädlich zu machen letzten Endes der Tod war? Allzu vertrauensseelig wirkte Bran nicht. War er möglicherweise... verzweifelt? "Dieser Schatten scheint kein Freund von Euch zu sein", stellte Malar nüchtern fest. "Keine Sorge. Hier wird niemand getötet. Sonst wäre die ganze Arbeit umsonst, und ich verschwende nicht gern meine Zeit. Also werdet Ihr wohl am Leben bleiben müssen. Auch wenn das bedeutet, dass Ihr dem Schatten keins auswischen könnt." 

Die Art wie Atevora sich über den Stock-Klau echauffierte, ließ ihn innerlich schmunzeln. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert und war immer noch ein leidenschaftlicher kleiner Sturkopf. Es war beruhigend, dass auch mal etwas - oder jemand - bleiben konnte wie es war. Natürlich empfand Malar die Tatsache, dass man ihn so entblößt hatte, ebenfalls als sehr unangenehm. Aber jedes Schicksal ertrug sich leichter wenn man Zuspruch bekam. Und nicht nur das, die Magierin hatte sogar bereits eine Lösung parat, die ihn erstaunt die Brauen heben ließ. "Dafür wäre ich Euch wirklich sehr verbunden", neigte er den Kopf und ließ die Andeutung eines Lächelns sehen. Für ihn ein schon fast unerhörter Ausbruch von Herzlichkeit. 

"Um Eure Frage zu beantworten, ich... Ah!" Reflexartig zog der Alb den Finger zurück, von dessen Spitze ein feiner Tropfen Blut perlte. Es tat nicht besonders weh, aber dennoch sollte man immer vorsichtig sein, wenn man sich an Dingen stach die man nicht kannte. Aber der Tropfen verfärbte sich nicht, es begann auch nichts anzuschwellen, der Finger wurde nicht blau oder zeigte irgendein anderes Zeichen von Gift. "Na, wer sagt's denn", murmelte der Priester und blickte zu Bran, um etwas verspätet die Frage zu beantworten. "Ich habe zumindest etwas entdeckt. Was ich jedoch noch verifizieren muss. Darf ich noch einmal?" Die Hand näherte sich und erneut und zögerte kurz, um das Einverständnis des stolzen Halsbandbesitzers abzuwarten. Dies war zwar im Grunde vorauszusetzen, aber dennoch gebot es die Höflichkeit. In der Tat war durch Druck auf irgendeinen Bestandteil der Konstruktion - Malar wußte nicht genau auf welchen, aber das Ergebnis zählte - eine Art Nadel herausgesprungen. Vielleicht war es auch ein sehr feines Röhrchen. Es hatte in seinen Finger gestochen und ein Tröpflein Blut aufgenommen, aber weiter geschehen war nichts. Nun, das war zu erwarten. Es war eine andere Substanz erforderlich. Mit etwas Pech die des Zauberwirkers, aber das ergab keinen Sinn. Schließlich benötigte man, wenn man etwas bannen wollte, immer einen Teil von dessen Essenz. Und wer war wohl die einzige Person im Raum, die einen Schatten beherbergte?

"Verzeihung, Bran." Es tat einen winzigen Stich am Hals des Gefesselten, und ebenso wie vorhin perlte ein kleiner Blutstopfen hervor. Wie gut, dass der Priester für solche Eventualitäten gewappnet war. Was sich an dessen Fingerspitzen befand und auf den ersten Blick aussah als hätte man die Nägel durch nadelspitze silberne Krallen ersetzt, war nicht nur als Waffe geeignet, sondern diente noch einem ganz anderen Zweck. Rasch wurde der Blutstropfen durch ein feines Kapillarröhrchen aufgesogen, und dann punktgenau auf das Röhrchen am Halsband gegeben, welches ihn seinerseits aufsog wie ein gieriger kleiner Strigoi. Es tat ein trockenes Klack! - dann löste sich der Stift aus der Halterung und das Halsband fiel, von keinem Schloß mehr gehalten, leise klirrend herab...
Seiten: 1 2 3 4 5