Lost Chronicles

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Atevora

Kriegsverletzung. Die Magierin erinnerte sich nur zu gut daran, als Malar ihr Stück für Stück seine Lebensumstände offenbart hatte. Die Frau war ein brennender Nagel in der Geschichte gewesen, der Atevora damals schon außerordentlich gestört hatte. Malar war also noch immer mit ihr liiert? Der Ehepartner verübte Mordanschläge auf Malar – nicht ganz zu unrecht, sie würde auch biestig wenn ihr Partner sie betrügen würde - und hatte ihn schon verkrüppelt.. Sie würde vermutlich nie verstehen, weshalb sich jemand solch einer Verbindung weiter freiwillig hin gab. Nungut, ihr Köpfchen musste das auch nicht verstehen sondern den Umstand lediglich zur Kenntnis nehmen, richtig? Normalerweise ließ sich Atevora übrigens nicht mit Männern ein die bereits an jemanden vergeben waren. Es gab wahrlich genug Junggesellen denen sie das Köpflein verdrehen konnte, ohne sich diesen Rattenschwanz an Ärger aufzuhalsen. Aber was hatte sie getan? Unmerklich biss sie mit den Zähnen aufeinander. Sie war auf sich selbst wütend. Das hatte sie nun von dieser einen Nacht. Man durfte sich nicht denken, dass sie die Verbindung bereute, nein keineswegs, denn Malar war trotz seiner Einschränkung ein hervorragender Liebhaber gewesen, und was der Verbindung entsprang bisher sehr wohl geraten. Trotz aller Widrigkeiten und der zweifelhaften Abstammung würde Atevora ihren Nachwuchs verteidigen, selbst gegen deren Vater von dem sie nicht wusste ob er die beiden Kinder nicht postum töten würde, sobald er von ihnen erfuhr. Umso mehr ärgerte es sie, dass sie gerne etwas wollte, dass sie vermutlich nicht haben konnte.

Mit der Wertung bezüglich Imponiergehabe hatte sie Malar hervorragend eingeschätzt. Sie konnte mit den 'ich bin eine große böse Miezekatze'-Allyren in diese Konstellation wirklich reichlich wenig anfangen. Sie waren ihrer Wertung nach vollkommen Unnütz und Sinnfrei. Schlichtweg eine reine Zeitverschwendung in diesem Umfeld. Wenn man gemeinsame Feinde und Interessen hatte konnte man das gerade heraus sagen, eine Kooperation bilden, die Gegner ausweiden und sich danach wieder gegenseitig die Köpfe einschlagen, aber dieses dämliche „wer weiß vielleicht fress ich euch“ war für sie absolut unverständlich. Und was sie nicht verstand, war für sie nicht berechenbar, und was nicht berechenbar war, das war gefährlich. Sie hatte den Mantikor als bedenklich eingestuft. Atevora würde sich hüten dem Wesen den Rücken zuzuwenden, das auf Brans Kontaktaufnahme abermals eine Reaktion zeigte die in Atevora keine Zuversicht schürte.

Wunderbar. Sie konnte sich aussuchen was sie schlimmer empfand. Diese drohende Gefahr, oder die andere in Brans Brust. Sie hätte zwar nicht gedacht, dass der Krieger sich in dieser in Gelerntenkreisen legendären Bibliothek aufgehalten hatte, aber selbst diese Information trug nur geringfügig etwas zur Vertrauensschöpfung bei der Magierin bei. Malar, der sie gerade mit einem mildem Schmunzeln bedachte, war nebenher erwähnt sicherlich auch kein edler Rittersmann und Recke. ABER er war ihr zumindest bekannt, nicht feindlich gesinnt und seine Vorgehensweise waren für sie verständlich gewesen und somit einigermaßen kalkulierbar. Gewiss waren seine körperlichen Gebrechen nicht nur lästig, sondern in diesem Gefahrenumfeld eine extrem große Last die sie aufhalten würde, aber der Mann war dennoch ihre erste Wahl. Er war der einzige von dem sie wusste, dass sie sich nicht gegenseitig anfallen, sondern den Rücken frei halten werden. Sie würde sich also den Hintern aufreißen und sich um sein Wohlergehen sorgen, denn er war die beste Option um sich gegen die Unbekannten Fädenzieher, Bran oder dem bösem Kätzchen zur Wehr zu setzen.
Also konzentrierte sie sich endlich auf den Stab den es zu schaffen galt.

Aufgrund ihrer körperlichen Verfassung, den schmerzenden Gliedmaßen und dem dröhnenden Kopf versuchte sie noch nicht einmal einen effektvolleren Zauber zu ersinnen der einfach einen Stock als Ganzes erschuf. Das Risiko, dass er fabelhaft fehlschlagen und sie noch ihre eigenen Körper verbiegen würde bei dem Versuch war viel zu hoch. Sie blieb also besser auf der Ebene kleiner Einzelkunststücke auf Lehrlingszauberniveau. Diesen Entschluss gefasst, atmete sie tief durch, und blendete die Gespräche rings aus um die nötige Konzentration zu finden. Vor ihrem geistigen Auge rief sie hervor was sie bewerkstelligen wollte und melodisch monoton rezitierte sie dazu Formel und Formel. Es waren immer wieder die Selben in kleinweise abgeänderter Form. Knochen schaffen, Knochen verformen, oder miteinander verschmelzen. Doch selbst diese Zauber kosteten ihren Tribut, sodass sich ein sachter Film aus kaltem Schweiß auf der Magierin Stirn bildete und ihre Hände beim Formen der Knochensubstanz langsam etwas zu zittern begangen. Die beleidigenden Worte des Mantikors und weiteren Gespräche gingen irgendwo in ihrem Unterbewusstsein unter während sie einen länglichen Stock mit zugespitzten Ende und angenehmen Halteknauf, völlig in elfenbeinfarbenem Material erschuf. Dazu zwei weitere kleine spitze Gebilde, und obwohl sie sich einen Moment unsicher war, ob sie den Schattenbesessenen ausrüsten sollte, formte sie noch einen weiteren Dolch und eine Art Rabenschnabel. Natürlich ebenfalls in dem bleichen geblichen Weiß, als wären sie aus menschlichen Knochenmaterial geschnitzt. Fertig. Nun war sie dran ihre Gaben zu verteilen. Den Stock mitsamt Knochendolch überreichte sie Malar und hätte gerne ein Küsschen dafür gefordert, wenn es nur die richtige Umgebung für solche Liebeleien gewesen wären. „Besser geht es derzeit leider nicht. Hier auch etwas zum Zustechen falls euch ein böser Wicht zu nahe kommt.“ Den Rabenschnabel mit der kleinen Stichwache überreichte sie Bran. „Das ist für euch Bran, Ich hoffe ihr könnt mit den Waffen etwas anfangen.“ Den letzten Dolch behielt sie für sich. Sie angelte in der Nebenzelle nach einem herumliegenden Seil, und band es sich um den Bauch damit ihr Unterkleidchen nicht so lose flatterte und unnötige Geräusche verursachte, und natürlich auch damit sie eine Möglichkeit hatte den Dolch weg zu stecken um die Hände frei zu haben. „Das magische Gewebe wird sich übrigens zur Dämmerung wieder auflösen, bis dahin haben wir vielleicht etwas Besseres als Stock und die improvisierten Waffen gefunden. Ach Übrigens, wie Malar noch weiß: Meine Zauber kann ich durch magische Essenz verstärken. Diese findet sich in magischen Substanzen, Pflanzen und Wesen. Vielleicht findet sich ja auf unserem Weg das eine oder andere das sich ausnehmen lässt.“ Womöglich wollte das Großmaulmantikorchen auch das erste davon sein?
Bran spürte, das Malar recht instinktiv nach ihm griff um sich festzuhalten und er gab ihm die Chance sich wieder zu fangen. Er hörte den leisen Ausruf des Erstaunens, aber auch wenn sein Gesicht recht unbewegt war, so war er innerlich doch nicht besonders begeistert davon. In seinen Ohren klang es weniger nach einem Lob, sondern mehr nach wissenschaftlicher Neugierde.
Allerdings schien er mit seinen Fragen nach Malars Beinen einen ebenfalls sehr unbeliebten Punkt erwischt zu haben. Auch wenn seine Antwort ruhig und sachlich ausfiel, so war Bran nicht unbedingt begeistert von dem was er hörte. Selbst mit Stock würde Malar sie aufhalten, er konnte keine längeren Strecken gehen und mit laufen wollte Bran erst gar nicht anfangen.
Aber das waren alles Faktoren, die man berücksichtigen musste.
„Danke für eure Ehrlichkeit..“ antwortete er, während er Malar erstmal weiterhin als Stütze diente, damit dieser seine „Kriegsverletzung“ nicht unnötig belasten musste. Auf seine Bitte hin nickte er kurz und brachte ihn die wenigen Schritte bis zum Zellengitter, damit er sich dort festhalten konnte.
Langsam, wirklich sehr gemessen…
Bran dachte schon daran dass es wahrscheinlich einfacher war, den Alben zu tragen, wenn sie wirklich Distanz hinter sich bringen wollten, aber noch hielt er diesen Gedanken für sich, denn er schätzte, dass Malar wohl zu stolz dafür war um sich tragen zu lassen.

Der Warlock ging erst mal nicht auf die Sticheleien des Mantikors ein, wobei er sich leider eingestehen musste, dass das Wesen recht hatte. Er wusste nicht viel über diese Art, denn er war nie nach Shkar‘a Ndanis gezogen um dort etwas über die Lebensformen der Welt zu lernen. Das waren immer nur Bruchstücke gewesen, über die er zufällig gestoßen war und nie wirklich weiter verfolgt hatte.
„Nun, es steht geschrieben dass Mantikore im allgemeinen stolz und eigensinnig sind. Aber… das scheint nicht zu stimmen. Schließlich sehe ich hier ein Exemplar, dem man die Flügel genommen und es in einen Keller gesperrt hat, wo es wie ein geprügelter Schoßhündchen lebt, statt nach einem Ausweg zu suchen!“
War es sinnvoll Askalan zu reizen? Vielleicht nicht, aber Bran war dieses elende Katz und Maus Spiel leid. Er wollte den Mantikor zu einer eindeutigen Reaktion reizen, wobei es ihm egal war ob Askalan ihnen letzten Endes feindlich oder freundlich gesinnt war, aber es brauchte eine Entscheidung. Schließlich konnten sie nicht noch länger Zeit damit verschwenden sich durch die Gitterstäbe hindurch zu unterhalten.

Bran musterte die Waffe, die Atevora ihm reichte, aus dem hellen und Knochengleichen Material gefertigt wirkte sie fast zerbrechlich, aber die lag seltsam gut in der Hand.
„Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Aber Danke für dein Vertrauen.“
Wahrscheinlich hätte er es auf eine Nachfrage verneint und von sich gewiesen, aber mit einer Waffe in der Hand fühlte er sich deutlich sicherer, nicht mehr ganz so nackt und hilflos…
Es wäre noch ganz praktisch gewesen wenn er die Waffe in einer Halterung hätte mittragen können, er konnte sie nicht mal in den nicht vorhandenen Gürtel stecken. So musste er den Rabenschnabel wohl in der Hand tragen.
Bran musterte seine Gefährten, die noch mit ihm in der Zelle waren nachdenklich. Es musste eine Entscheidung her. Er war immer noch der Meinung, dass endlich etwas geschehen musste, damit sie weiter kamen.
Ihm war auch bewusst, dass Einzelaktionen in ihrer Situation nicht unbedingt die beste Wahl waren. Aber immerhin würde es so nur einen erwischen und er hatte im Moment nicht den Kopf dafür seine Entscheidung auch noch vor Malar und Atevora zu rechtfertigen und darüber zu diskutieren.
„Ich muss etwas versuchen. Wenn das nicht funktioniert, müsst ihr beide einen anderen Weg finden.“
Bran atmete tief ein und stieß die Luft langsam und kontrolliert wieder aus. Dann machte er einen Schritt in die Schatten hinein.
Nichts kam ihm an diesem Ort des Zwielichts einfacher vor, noch dazu da der Schatten in ihm so sehr an die Oberfläche drängte.
Für einen Moment verschwand der Warlock, als wäre er in den Schatten hinein getreten, nur um Sekunden später auf der anderen Seite der Gitter wieder aufzutauchen, dem Mantikor gegenüber.
Langsam legte Bran die Waffe auf den Boden bevor er dem Mantikor gegenüber trat und das Wesen scheinbar ohne Furcht ansah.
„Also gut, Askalan!“ sagte er laut „Was willst du? Wenn du mich fressen willst und mich unbedingt zum Feind haben willst, dann versuche es!“ der Warlock hatte die Worte nicht als Drohung ausgesprochen, sondern so ruhig und gefasst wie es ihm möglich war.
„Oder wir versuchen gemeinsam einen Fluchtweg zu finden und jene zu bestrafen die uns hier eingesperrt haben.“ der Warlock breitete die Arme aus, als wolle er dem Mantikor die beiden Auswahlmöglichkeiten präsentieren, während er langsam auf den Mantikor zuschritt. „Ich kann dir dein Halsband abnehmen, wenn du uns dafür hilfst. Aber ich werde auch weitere kryptische Antworten und dergleichen als eine Antwort werten“ alles was keine eindeutige Zusage war, würde Askalan in diesem Falle zu seinem Feind machen. Aber wenn er Angst davor hatte, dass das große Wesen es sich plötzlich anders entscheiden und sich auf ihn stürzen könnte, dann war davon keine Spur in seinem Verhalten oder seiner Stimme zu hören.
Ob es wirklich Sinn machte, Askalan so vor die Wahl zu stellen würde sich erst zeigen. Aber immerhin gab es dann hoffentlich eine Entscheidung.
Natürlich beinhaltete der erstaunte Ausruf ebenfalls ein Lob, denn immerhin hatte man ihm auf die Beine geholfen und sorgte dafür dass es auch so blieb. Malar war dem kräftigen Krieger dankbar, da er ihm gleichzeitig seine Würde ließ, und das würde er nicht vergessen. Ein Alb vergaß niemals eine Schmach, die ihm angetan wurde, aber er vergaß auch niemals eine Gefälligkeit. Gerade wenn man an einem Ort aufgewachsen war, wo Verbündete so rar waren wie anderenorts Juwelen, merkte man sich jede Einzelne davon. Der Priester war stolz, aber er war nicht dumm. Niemand wusste besser als er, dass er eigentlich eine große Belastung für die Gruppe war, und er würde es ihnen nicht verübeln können wenn sie ihn einfach zurückließen. Wenn es stattdessen jemand auf sich nehmen würde dafür zu sorgen dass sie dennoch vom Fleck kamen, würde er sich bestimmt nicht aus kindischer Eitelkeit dagegen sträuben. Darum bitten würde er allerdings auch nicht. Ein Priester der Vieläugigen versuchte dem Schicksal seinen Willen aufzuzwingen, oder eben damit klarzukommen dass es nicht immer so lief wie gewünscht, aber niemals würde er betteln.

"Danke für Eure Sachlichkeit", erwiderte er und zog einen Mundwinkel hoch, bevor er von Bran zum Gitter gebracht wurde und dort erst einmal verschnaufen konnte. Niemand empfand es unangenehmer als er, einen Körperteil zu besitzen auf den man sich nicht verlassen konnte - und dazu auch noch sämtlicher Hilfsmittel beraubt worden zu sein. Das traf ihn viel härter als Nacktheit, weshalb man wohl auch darauf verzichtet hatte ihm wie Atevora die Kleider abzunehmen. Die ehrwürdigste Robe taugte nichts, wenn man damit im Schmutz kriechen musste. Er zog sein Bein unter sich, damit es zumindest einen Teil seines Gewichtes trug und einen halbwegs sicheren Stand ermöglichte. Es war ja nun nicht so, dass Muskeln, Knochen und Sehnen nicht vollkommen gesund waren. Es gehorchte nur nicht den Befehlen des Gehirns, was einen kontrollierten Bewegungsablauf unmöglich machte.

Während er Atevora beobachtete, lauschte er beiläufig dem Gespräch, welches der Warlock mit dem Wesen anzufangen suchte. Dieses schien jedoch wenig Interesse an einer ernsthaften Kommunikation zu haben, sondern lieber Katz' und Maus spielen zu wollen. Bei der Vieläugigen, hatte es nichts Besseres zu tun? Vor allem die letzte Provokation ließ den Priester die Stirn runzeln. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, wobei es ihm egal war dass er sich am Gitter festklammern musste, und schoss dem Mantikor einen vernichteten Blick aus rotglühenden Augen entgegen. "Hüte deine Zunge, Schandmaul!" donnerte er und streckte die Hand nach vorn, um sie zur Faust zu ballen und eine düstere Wortfolge auf Albisch zu intonieren. Der Boden begannn zu erzittern, Felsen knischten bedenklich, von der Höhlendecke rieselte Staub, und schließlich rauschte ein großer Gesteinsbrocken herab, der den Mantikor nur knapp verfehlte und dicht vor dessen Pranken auf dem Boden zerschellte. "Ich kann dich auch von hier drinnen rösten oder von einem Steinschlag begraben lassen! Wie mein Freund schon bemerkt hat, bist du auch nicht freiwillig hier! Also willst du nun weiter alberne Reden schwingen, oder bist du zu einem vernünftigen Gespräch in der Lage?"

Damit nahm er Bran die Entscheidung ob es klug war den Mantikor zu reizen einfach mal ab. Malar riss allmählich der Geduldsfaden mit diesem klugschwätzenden Möchtergern-Monster. Er war fest entschlossen hier raus zu kommen, und wenn das Biest meinte ihnen im Weg stehen zu müssen, dann musste es eben die Konsequenzen tragen. Nur sehr selten hielt irgendjemand - oder irgendetwas - einen zu allem entschlossenen Alben auf. Selbst wenn der nur ein zuverlässiges Bein besaß.

Inzwischen war Atevora herangetreten und verteilte ihre Gaben. "Ah! Ich danke Euch, meine Liebe!" In den glutroten Augen glomm es warm auf, ein Zeichen dass er seine Worte ernst meinte. In der Tat hatte er wahrscheinlich selten etwas in seinem Leben so ernst gemeint. Wieder einen Stock in der Hand zu wissen war eine Erleichterung, die wahrscheinlich kaum jemand nachempfinden mochte. Selbst wenn es gar kein richtiger Stock, sondern einer aus Knochen war, schien er stabil und trug ohne Probleme sein Gewicht. "Nun, dann dauert es hoffentlich noch bis zur Dämmerung", merkte er mit einem kleinen Schmunzeln an. "Aber diesen behaltet für Euch." Er spreizte die Finger der rechten Hand, anstatt zuzugreifen, und schob den Dolch stattdessen zurück in die Hand der Magierin, um dann für einen Moment leicht seine Finger darum zu legen. "Für alle Fälle." Die Anstrengung war der Magierin anzusehen, und wahrscheinlich würde sie nicht mehr sehr viele Zauber in der nächsten Zeit wirken können. Er dagegen war noch im vollen Besitz seiner Kraft, also oblag es ihm mögliche Angreifer auf Abstand zu halten. Wenn Atevora in seiner Nähe blieb, würde sie ebenfalls davon profitieren. Aber wenn nicht, brauchte sie die Waffe selbst.

Dann wandte er sich Bran zu und nickte. Egal was der Krieger versuchen wollte, es war besser als hier drinnen festzusitzen und sich das Geschwafel des unentschlossenen Mantikors anzuhören. Er stand definitiv zwischen ihnen und ihrem Ziel hier wegzukommen. Möglicherweise verfügte er über wertvolle Informationen, möglicherweise spielte er sich aber auch nur auf. Also erwies er sich nun entweder als nützlich, oder er würde als magische Kraftquelle für Atevora enden. Auf seinen Stock gestützt - bei der Vieläugigen, was für ein erhebendes Gefühl! - trat er wieder an das Gitter heran und beobachtete was Bran tat, nachdem er einfach so durch das Gitter geschlüpft war. Verwunderte Malar das? Vielleicht ein wenig, aber dass der Kerl voller Überraschungen steckte war ihm bereits zuvor bewusst gewesen. Er würde sich auch seiner Haut zu erwehren wissen. Da der Priester jedoch ungern etwas dem Zufall überließ, stand er bereit einzugreifen sobald die Sache aus drohte aus dem Ruder zu laufen.

Askalan

Aus den Augenwinkel heraus sah der Mantikor, wie das Püppchen etwas fabrizierte. Aus der Entfernung, den spärlichen Lichtverhältnissen und der Tatsache, dass sie sich abgewandt hatte, konnte er jedoch nicht erkennen was es war. Sie wirkte eigentlich ziemlich angespannt, eigentlich alle Gefangenen, was anhand der Umstände alles andere als ungewöhnlich war. Nichts desto trotz schienen die Gefangenen ganz schönen Ärger zu bereiten, denn sie ahnten nicht einmal ansatzweise, womit sie es zu tun hatten. Der einzige Grund, warum niemand etwas dagegen tat, dass sie sich befreiten war jener, dass sie es so wollten. Welche Rolle er selbst dabei spielen würde, nun ja, das konnte er nur ahnen, angesichts seiner bisherigen Erfahrungen mit jenen, die sie alle hier unten gefangen hielten.

Askalans Blick verfinsterte sich und er knurrte bedrohlich, als er die Aussage des Mannes vernahm. Mit den Pfoten scharrte er etwas Staub auf und ließ es zwischen die Gitterstäbe kommen. „Ihr wisst gar nichts! Nichts über meine Art und schon gar nichts über mich!“, brüllte er. Vielleicht war es an der Zeit diesen Leuten eine kleine Lektion zu erteilen? Doch noch hielt er sich zurück. Denn diese Leute schienen etwas zu haben, was die meisten Gefangenen nicht hatten. Hoffnung und den Willen diese ganze Tortour zu überleben. Welcher Preis dafür nötig wäre, das würden sie noch früh genug erfahren. Nun schien auch der andere Mann auf ihn aufmerksam geworden zu sein. Denn er schrie den Mantikor unentwegt an, als er auf die junge Dame in der Runde zu sprechen kam. Doch was dann folgte, damit hatte er nicht gerechnet. Staub rieselte von der Decke herab, nur knapp neben ihm und schellte zu Boden. Zunächst etwas verblüfft, fand der Mantikor recht schnell seine Fassung wieder, schleuderte jedoch einen Giftstachel quer durch die Gitterstäbe, der schließlich an der Wand stecken blieb. „Und ich kann euch ohne weiteres aufspießen und vergiften. Wollen wir es denn wirklich darauf ankommen lassen?“

Offensichtlich … denn als nächstes tat der andere Mann wiederum etwas verwunderliches und … stieg sofort aus dem Käfig, nur um kurz daraufhin vor Askalan zu stehen. Der Mantikor wich einen Schritt zurück und wackelte mit den Schwanz, während er sich bedrohlich duckte. „Einen Schritt näher und ich beiß´ dir die Kehle durch“, drohte er. Es gefiel ihm so ganz und gar nicht von diesen Leuten hier so derartig vorgeführt zu werden. Sein Halsband vibrierte. Askalan biss die Zähne zusammen und widerstand den unbändigen Drang, der sich nun in ihm auftat. Es war so, als würde irgendwas anderes nun die Kontrolle über seinen Körper erlangen. Sein Blick veränderte sich mit einem Mal … die Augen wurden trüb und mit einem Satz sprang er nun den Dunkelhaarigen an und warf ihn zu Boden. Doch bevor er weiter machen konnte, erhielten die Augen ihren Glanz wieder. Er hatte die Kontrolle wieder. Er beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte:„Was glaubt ihr, was das ist … ein Spiel? Ich hab schon einmal zusammen gearbeitet mit Leuten, die sind wie ihr. Sie wurden auf grausame Weise gefoltert … während sie mich so lange reizten, bis ich tat was sie sagen. Schreckliche ... unaussprechliche Dinge. Doch das ist nichts gegen dem, was sie mit ihr angestellt haben. Ich … ich kann nicht weg, nicht solange sie hier ist. Glaub mir … ich bin nicht das einzige Monster, das euren Weg kreuzt, doch ich bin das Einzige, das sie in den Griff kriegen kann. Also überlegt euch wirklich ganz genau, was ihr als nächstes tut.“ Mit jenen Worten stieg er wieder von ihm herunter ohne dabei einen Kratzer zu hinterlassen und drehte sich um. Er vertraute diesen Leuten, nach wie vor nicht, was eine mögliche Zusammenarbeit erschwerte. Auch brauchte er Zeit, um das zu verarbeiten, was soeben geschehen ist.
Das hier würde sie nicht weiter bringen, dieses ewige hin und her, dieses gegenseitige drohen und die kryptischen Redewendungen mit denen sie sich nur im Kreis drehten und dich an kein Ziel gelangten. Obwohl die Drohungen jetzt schon immer Handfester wurden und die Situation sich schon merklich zuspitzte.
Wenn irgendwer von jenen, die sie hier unten eingesperrt hatten, jetzt beobachten könnte, er würde sich in Erheiterung zurücklehnen und das Schauspiel genießen, welches sich ihm bot.
Sie mussten entweder eine Einigung mit dem Mantikor erzielen oder ihn als Feind ansehen, damit sie sich endlich in irgendeine Richtung bewegen konnten und Vorrang kamen. Vielleicht würden sie hier alle sterben, aber Bran würde nicht in einer Zelle darauf warten!
Außerdem war diese seltsame Patt-Situation doch nur entstanden, weil sich das trennende Gitter zwischen ihnen befand.
Alle anderen Gegebenheiten hätten sie dich schon von Anfang an dazu gezwungen sich schnell und klar zu entscheiden, statt in diesen seltsamen Wortklaubereien im Kreis zu laufen.

Deswegen war die Lösung für Bran auch sehr einfach: das trennende Gitter musste weg. Nun, er konnte nicht tatsächlich die schweren Eisenstäbe entfernen, mit etwas Mühe hätte er wohl das Schloss einfach mit purer Gewalt aufreißen können, aber so war die schnellste und einfachste Version einfach, dass er zu Askalan hinaus kam.
Denn mit Hilfe des Schattens in ihm konnte er das. Durch die Schatten zu reisen war einfach. Er musste nur sehen können wo er in ein paar Schritt Entfernung landen wollte, dann trat er einfach in die Dunkelheit hinein. Es war wie ein Tor, dass nur er sehen und benutzen konnte und es führte ihn durch völlige Schwärze, aber mit dem nächsten Schritt, kam er genau dort an wo er es gewollt hatte.
So auch jetzt, aber welchen Tribut es von seinem geschundenen Körper forderte, wurde ihm erst bewusst, als er auf der anderen Seite ankam.
Aber Schwäche, konnte er sich im Moment nicht leisten. Er durfte jetzt nicht nachlassen. Denn vor ihm stand Askalan, Auge in Auge, ohne das schützende Gitter aus schwerem Eisen zwischen ihnen. Und, wie er es erwartet hatte, änderte sich das Gehabe des Mantikors drastisch. Denn jetzt musste er reagieren.
Der Warlock wusste, dass es wahrscheinlich einfach keine gute Idee war einen Mantikor zu bedrängen und seine Lehrmeister hätten ihn wohl als irre und Lebensmüde bezeichnet. Aber, seine alten Meister hatten wahrscheinlich nie in einer solchen Situation gesteckt.
Da er Askalan jedoch nicht mehr als es vielleicht notwendig sein musste, reizen wollte, legte er betont langsam und ruhig die, von Atevora frisch erschaffene Waffe auf den Boden.
Der große Körper des Wesens war geduckt und gespannt zum Sprung, der Schwanz drohend erhoben. Aber der Warlock ließ sich davon scheinbar nicht aus der Ruhe bringen „Ich bin nicht dein Feind, Askalan! Es sei denn du machst mich dazu!“ sagte er ruhig.

Der Sprung des Mantikors traf ihn nicht gänzlich unerwartet, aber dann doch zu schnell. Während er noch versuchte zu erkennen, was sich in der Miene des Wesens verändert hatte, setzte es schon zum Sprung an. Sein Ausweichmanöver kam einen Herzschlag zu spät und das große Tier begrub ihn unter sich.
Er wurde zu Boden gedrückt und spürte Askalans heißen Atem auf seinem Gesicht. Er war bereit zu kämpfen und beinahe hätte er auch den antrainierten Instinkten und Reflexen des Warlocks nachgegeben. Aber aus dieser knappen Distanz konnte er sehen, dass Askalans Augen auf einmal trüb und leer waren, völlig ohne Glanz und ohne Willen. Es waren nicht die Augen, in die er vorhin noch geblickt hatte! Und… das Halsband, dass man dem eigentlich stolzen Tier umgelegt hatte, vibrierte.
Wurde er etwa davon beherrscht?
Was keine Rolle spielen würde, wenn er Bran jetzt der Länge nach aufschlitzte, aber da kehrte das Leben auch schon wieder in Askalans Seelenspiegel zurück.
Hätte er es nicht mit eigenen Augen gesehen, dann hätte er es wohl selbst für einen Irrtum gehalten!
Askalan ließ von ihm ab und Bran kehrte zurück in eine hockende Position, während er den Mantikor wachsam beobachte. „Wer ist sie?“ Er wollte sich nicht noch einmal so überraschen lassen.

„Das ändert nichts daran, dass wir es versuchen müssen. Ich kann weder versprechen noch vorhersehen, ob wir es schaffen, oder doch wie alle enden die es vor uns versucht haben, aber ich bin sicher kein Spielstein mit dem man beliebig verfahren kann.“ für einen Moment schwieg er und strich sich selbst fast unbewusst über den Hals, wo ihn das eiserne Band wundgescheuert hatte „Ich trug ein ähnliches Halsband, aber mit etwas Hilfe bin ich es losgeworden!“ langsam stand er wieder auf, während sein Blick weiterhin dem Mantikor galt. „Ich werde jetzt die Zellentür öffnen und die beiden heraus lassen.“ es war wohl mehr eine Feststellung, als eine Warnung, aber trotzdem wartete er kurz, bevor er sich abwandte und auf die verriegelte Türe zuging. Die Gitterstäbe waren dick, aber jede Zelle hatte ihre Schwachstelle, nämlich Türe, Schloss und Scharniere. Von draußen musste er nicht einmal den Aufwand betreiben, zu versuchen die Gitterstäbe aufzubiegen, er konnte den Rabenschnabel, welchen Atevora ihm geschaffen hatte einfach mit der spitzen Seite des Kopfs unter dem Schloss einhaken und dieses mit einem kräftigen Ruck aufbrechen. Es gab ein hässliches Knirschen von Metall gegen Metall und schließlich ein lautes knacken, als der Bolzen endlich nachgab.
Bran öffnete die Türe und steckte die Hand aus um den beiden hinaus zu helfen. „Könnt ihr dieses Halsband auch abnehmen?“ fragte er Malar, während sein Blick wieder zum Mantikor zurück wanderte.
Nun, dieser Bran war ein kräftiger Kerl, der zudem auf rätselhafte Weise mit einem Schatten verbunden war und seinem ganzen Habitus nach auch nicht gerade unerfahren. Er würde schon wissen was er tat. Auch Malar hätte Mittel und Wege gehabt die Gitterstäbe aus ihrer Verankerung zu lösen, sodass sie kein Hindernis mehr darstellten. Allerdings hatte auch diese Medaille zwei Seiten. Die Gitter konnten ein Hindernis sein, oder auch ein Schutz, je nachdem von welcher Seite man es betrachtete. Auch der Priester war nicht wehrlos, aber er verfügte nicht über Brans körperliche Widerstandskraft, und zudem war da noch Atevora. Deshalb verzichtete er vorerst darauf alles auf eine Karte zu setzen.

Als das Biest zum Sprung ansetzte und Bran unter sich begrub, schien das auch tatsächlich eine gute Idee gewesen zu sein. Die Hand des Priesters hob sich instinktiv, die Worte eines Zaubers formten sich auf seinen Lippen - da bemerkte er die Veränderung und hielt inne. Waren die Augen der Bestie zuvor merkwürdig glasig geworden - die Ursache dafür kannte Malar nicht, es hätte ebensogut ein natürlicher Vorgang sein können - wurden sie plötzlich wieder klar, und zeitgleich ließ der Chimär von Bran ab. Nein, das war definitiv nichts Natürliches. Der Alb vollendete den Zauber nicht und ließ stattdessen seine Augen über den Körper des Mantikors wandern, wo sie an dem Halsband hängen blieben. Kein Zweifel. Es war von derselben Machart wie das, was er vorhin vom Hals des Menschen entfernt hatte. Ob es auch ebenso funktionierte war schwer zu sagen, die Vermutung dass gewisse Ähnlichkeiten bestanden lag jedoch nah. Um einen Zusammenhang zwischen diesem Ding und der plötzlichen Veränderung herzustellen, musste man jedenfalls kein Genie sein. Möglicherweise unterlag also das Verhalten der Bestie nicht deren eigenem Willen, was sie ein Stückweit unberechenbarer machte.

Der Mantikor schien Bran etwas zuzuraunen, wovon Malar nur Bruchstücke verstand. Dafür jedoch vernahm er die Erwiderung des Warlocks, der wohl bereits auf dieselbe Vermutung gekommen war wie er selbst. Ob es nun klug war die Zellentür zu öffnen oder nicht, Malar war sich noch uneins, aber da war sie bereits offen. Nun, es war immerhin nur die Türe, der Rest der Zelle war noch intakt und dazu geeignet eine gewisse Sicherheit zu bieten. Bran hatte die Antwort des Wesens nicht abgewartet, was war wenn es - oder derjenige der es möglicherweise kontrollierte - genau auf diese Gelegenheit wartete? Deswegen sah der Priester auch davon ab Atevora höflich den Vortritt zu lassen, wie es sonst seine Art gewesen wäre, sondern blieb auf seinen Stock gestützt in der Tür stehen. Was immer hinein wollte, es musste zuerst an Bran, und dann an ihm vorbei.

"Das kann ich möglichweise", nickte er wahrheitsgemäß auf die Frage des Kriegers hin, und fasste dann den Mantikor ins Auge. "Aber bevor ich einen Versuch wage, hätte ich einige Fragen! Askalan ist dein Name, nicht wahr? Ich habe nicht verstanden was du meinem Freund hier vorhin zugeflüstert hast, magst du es näher erklären? Oder vielleicht lieber nicht, weil uns jemand belauscht oder beobachtet? Oder vielleicht beides? Wie funktioniert das alles hier überhaupt?" Er wies mit einer Handbewegung im Kreis, um anzudeuten dass er das gesamte Konstrukt meinte. Diese Informationen waren von immenser Wichtigkeit, denn wenn wer immer sie hier festhielt die Möglichkeit hatte jeden ihrer Schritte zu verfolgen, würde er mit Sicherheit alles tun um zu unterbinden dass das Halsband abgenommen wurde. Und Malar hatte nun wirklich keine Lust als Mantikorenfutter zu enden, auch wenn dieser möglicherweise nichts dafür konnte. Leise raunte er zu Bran und Atevora: "Wenn sich hier jemand als Voyeur betätigt, müssen wir zuerst eine Möglichkeit finden ihn taub und blind zu machen. Sonst wird er uns gegenüber immer im Vorteil sein."

Askalan

Was für ein kunterbuntes Pack, das unterschiedlicher nicht sein konnte. Da war dieses zierliche Weib, das wie aus dem Nichts so etwas, wie Waffen erschuf. Der Mann, der von einem Moment auf den anderen seinen Käfig verlassen konnte und der etwas älter aussehende Mann mit dem Spazierstock, der Gesteinsbrocken auf ihn herab regnen ließ. Zugegeben, er mochte sie alle drei eigentlich nicht sonderlich. Dennoch … dass sie sich aus eigenen Stücken aus dieser scheinbar auswegslosen Situation befreit haben. Das war schon eine herausragende Leistung.

Doch noch bevor der Mantikor noch einmal darüber nachdenken konnte, wurde alles Schwarz und er befand sich nun auf den einen Mann. Eine wirklich merkwürdige Situation. Trotz seines Hungers widerstand er der Versuchung ihm zu zerfleischen und flüsterte ihm stattdessen etwas ins Ohr, ehe er von ihm abstieg, sich auf den Boden hockte und ihn beobachtete. „Eine Freundin“, antwortete der Mantikor ruhig auf die Frage, wer sie war und senkte seinen Kopf, „Zumindest war sie das. Sie haben sie gezielt gequält bis sie nicht mehr da war und dann kam etwas Anderes. Etwas, das nur Leid und Schmerz kennt … kein Mitgefühl.“ Er hob seinen Kopf wieder und fuhr mit entschlossener Miene fort. „Ich werde nicht ohne sie gehen!“ So viel stand fest, er wollte sie retten, koste es was es wolle.

Nachdenklich blickte der Mantikor zu dem Mann hinüber, während er einen Monolog darüber hielt kein Spielstein zu sein. Was für ein Narr! Aber gut, er kannte seine Peiniger und ihre Methoden noch nicht. Askalan sagte nichts dazu, sondern wartete erst einmal ab, was als nächstes passieren würde. Jemand wollte ihm das Halsband abnehmen. Das war ihm nur recht, immerhin kratzte das Ding gewaltig. Und er wollte die beiden heraus lassen, was er schließlich nach wenigen Handgriffen auch geschafft hatte. Und das auch noch ohne Schlüssel. Askalan betrachtete die kleinen Leckerbissen, die sogleich den Käfig verließen. Er hatte Hunger … er hatte wahrlich großen Hunger. Doch möglicherweise konnte er ihm das Halsband entfernen. Jedoch nicht, ohne Fragen zu stellen.

„Ja, der bin ich … und wie darf ich euch nennen?“ Immerhin hatten sich zumindest die beiden Männer noch nicht bei ihm vorgestellt. Er wollte eine nähere Erklärung. Askalan verdrehte die Augen, denn er wollte ungern noch einmal mit der Sprache heraus rücken. Nichts desto trotz kam er etwas näher auf den Weißhaarigen zu. „Sie haben mich … aushungern lassen, gefoltert und getriezt … bis ich getan habe, was sie von mir verlangten. Glaubt mir … ich habe einen hohen Preis bezahlt um hier frei herum zu laufen. Und wenn sie wüssten, dass ich gerade jetzt mit euch rede, anstatt zu spielen … dann wäre das alles umsonst gewesen“, sprach er abermals leise, ehe er sich umsah, ob nicht doch jemand oder etwas ihn beobachtete. „Wände … hier sind überall nur muffige Wände, die sich verschieben, Gänge … und bedauernswerte Kreaturen hinter Gitter, Fallgruben mit gefährlichem Inhalt. Treppen, die hinauf und hinunter führen. Verschlossene Türen ...“

Er hielt inne, als er plötzlich ein Geräusch vernahm. Nicht sonderlich laut, aber dennoch laut genug um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er schlich sich davon. Ein Krachen war zu vernehmen, kurz daraufhin ein ersticktes Fiepsen. „Hab ich dich ...“ Kurz daraufhin kehrte er wieder zurück. In seinem Mund trug er eine der hiesigen Ratten, die er kurz daraufhin zu Boden warf und auseinander nahm. „Also … wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, ihr wolltet mir soeben das kratzige Ding da runter nehmen, damit ich euch nicht versehentlich doch noch fresse … nicht wahr?“ Er hielt inne ... ob das so eine gute Idee war? „Und keine faulen Tricks. Ich bin hier der Einzige, der die Tücken kennt, die euch das Leben kosten könnten.“ Immerhin hatte er bereits genug Erfahrungen damit andere Wesen durch die Gänge zu hetzen, nur um am Ende frustriert zuzusehen, wie sie in eine Falle liefen und gegrillt wurden.

Atevora

Vieles vermochte ein junger Geist von Malar zu lernen. Eines konnte Dankbarkeit für Kleinigkeiten sein die einem am Wegesrand erwarteten und einen schwierigen Pfad erleichterten. Oder aber auch für Handlungen die in der Gesellschaft ihrer Welt als selbstverständlich erachtet wurden, sei es Beispielsweise ein Stock den man einem Lahmen reichte. Für die Magierin war nichts davon selbsterklärend, oder gar selbstverständlich. Sie musste sich jede mitfühlend wirkende Tat mühsam antrainieren, oder sie setzten hoch komplexe Gedankengänge voraus die aus genauer Beobachtungs- und Kombinationsgabe resultierten, die ihrem prinzipiellen Willen entsprangen ihr Umfeld und darin agierenden Objekte zu warten. Oft könnte es vergessen werden, doch sie agierte in einer Welt die sie größtenteils nicht verstand. Eine Welt voller durchsichtiger Mauern aus vorausgesetzten und erwarteten Handlungsweisen die sie jederzeit mühsam abgleichen, kombinieren, in Kontext setzen und schließlich ausführen musste. Erfrischend anders war dem entgegen der Priester aus Xarvatmand. Er setzte nicht voraus was anderorts automatisch von ihr verlangt wurde, und war stattdessen Dankbar für die Kleinigkeiten auf die sie aufdachte. So auch jetzt. In dem Blick des Mannes, der nur kurz zuvor vehement der Magierin Ehre verteidigt hatte, lag eine Wärme in der sich die Magierin gerne verlor. Es klang wahrlich kurios, aber irgendwie verstanden sie in manchen Punkten einander. Auf diese Weise entging der Gräfin auch nicht die Bedeutung die hinter der Handlung stand die Malar soeben setzte. Dabei war es nur eine sehr kleine und subtile Geste, den Dolch abzulehnen. Sichtbar war nur die Berührung, die als zärtlich beschrieben werden konnte, aber es lagen viele unausgesprochene Worte darin, die sie doch tatsächlich verstand. Ohne darüber nachzudenken warum, legte sie selbst ihre freie kühle Hand auf Malars warmen Handrücken und zog seine Hand nahe an ihr Herz. „Für alle Fälle“ Wiederholte sie zur Bestätigung.

In dem unwirtlichen Umfeld, mit dem Warlock samt dem tobendem Schatten in dessen Brust, und dem unwilligen Mantikor boten die Beiden ein seltsames Bild der Idylle. Wenige kostbare Wimpernschläge dauerte der Moment an, den der Warlock nutzte um einen Entschluss zu fassen.
>„Ich muss etwas versuchen. Wenn das nicht funktioniert, müsst ihr beide einen anderen Weg finden.“> Sprach er lapidar und kryptisch zugleich und verschwand just im Schatten, wie durch ein Portal im Boden. Wunderte sich Atevora darüber? Nur teilweise. Aber es überraschte sie schon sehr als er vor dem Mantikor wieder aus den Schatten herausstieg, seine neue Waffe ablegte und das sprechende stachelschleudernde Monster (sie sollte diesen aus der Wand fischen, für irgendwas konnte man den Giftstachel sicherlich noch gebrauchen) vor eine Wahl stellte.

Des Mantikores Gestus veränderte sich schlagartig. Hinfort war die künstliche Gelassenheit und arrogante Überheblichkeit. Die spitzen Zähne blitzten, der giftstachelbestückte Schwanz richtete sich drohend dem Warlock entgegen, und doch wirkte er nicht offensiv Aggressiv sondern abwehrend, wie ein in die Ecke gedrängtes Tier, das bereit war sein Leben teuer zu verkaufen, ehe der Magierin Sinne etwas streifte. Ein Surren lag in der Luft dessen Ursprung im Halsband lag. Mit einem Mal änderte sich abermals die Haltung des Wesens. Wie aufgezogen sprang es den Warlock an und riss diesen von den Beinen.
Sofort reagierte sie. Sie sah, dass sich Malar ebenso wie sie wappnete dem Monster alles entgegen zu werfen was sie aufbieten konnten um den Warlock unter den Tanzen zu befreien, doch da endete dieses surrende Geräusch und der Mantikor stieg sofort von seinem „Opfer“ wieder herunter.

Die Magierin konnte nicht hören was das Wesen mit dem Löwenkörper dem Warlock zugeflüstert hatte, aber sie konnte sehen, dass sich der Mann wieder auf rappelte und allem Anschein nach unverletzt geblieben war. Welch ein Glück! Sofern in dieser Situation überhaupt von Glück gesprochen werden konnte. Schließlich waren sie allesamt wider Willen hier und zu dem Wall an Fragen der offen stand hatten sich nebst einer Gewissheit einige mehr hinzu gesellt: „Das Halsband muss fort.“ Raunte sie dem Alben die genannte Gewissheit zu. Malar als ausgezeichneter Beobachter, dessen Sinnesleistungen jenen der Magierin in dem mäßig vom zuckenden Licht entfernter Fackeln erleuchteten Raum deutlich überlegen waren, hatte die Veränderung sicherlich auch bemerkt. Allerdings bot sich nicht die Gelegenheit sich näher mit dem Alb darüber auszutauschen und zu fachsimpeln, denn Bran hatte beschlossen die Zellentür öffnen zu wollen. Man konnte Atevoras Blick zu diesem Vorhaben als durchaus skeptisch bezeichnen und innerlich wappnete sie sich bereits insgeheim sich ihres Lebens erwehren zu müssen. Wider erwarten setzte der Mantikor nicht sofort zum Sprung an, um Bran in den Rücken zu fallen und anschließend sie Beide zu reißen und auszuweiden.

Malar stellte sich völlig automatisch mit sicherer Anmut in den Zellenausgang, als wollte er Askalan den Durchgang versperren. Sie ahnte, nein, sie wusste dies war genau die Intention des dunkelhäutigen Strategen, denn in der Anderswelt hatte er ihr in vielen Situationen dem Gebot der Höflichkeit folgend, den Vortritt gelassen. Hier nicht. Hier stellte er sich wie ein Schild vor sie. Bevor Askalan seine Krallen an Atevora wetzen konnte, musste er also an dem Alb vorbei? Nachdenklich legte die Gräfin den Kopf schief und überlegte wieviel Kalkül, Erziehung oder Zuneigung hinter diesem Handlungsimpuls stehen mochte, und kam zu dem Schluss, dass sich hier keinesfalls Raum für tiefgehend berechnendes Gebaren oder umständliches Kalkül bot.
Noch während Atevora ihre Schlüsse zu Malars Beweggründen zog, erkundigte sich der Warlock bei dem Alben ob er den Manticor ebenfalls von dem ungemütlichen Halsschmuck befreien konnte.

>"Das kann ich möglicherweise"< Entgegnete dieser in Kombination mit einem durchaus zuversichtlich anmutendem Nicken. Wie es nicht anders zu erwarten war, stellte der Alb auch sofort die wichtigen und richtigen Fragen, die auch ihr außerordentlich auf der Zunge brannten und erhielten tatsächlich durchaus klare Antworten von dem Mischwesen.
Dadurch, dass Askalan antwortete ohne nebenher gierig über die raubtierhaften Zahnreihen zu lecken, oder sie anzusehen wie seine nächste Mahlzeit, trat die Magierin näher an die Gitterstäbe heran. Interessant.. Wie er gedruckt und jederzeit die üblen Peiniger erwartend flüsterte. In gewisser Weise war es eine Schande.. Solch ein stolzer Mantikor, und diese Leute hatten ihn gebrochen. Nebenher fragte sie sich, wie es zu Stande kam, dass sich das Artefakt aktiviert hatte.

Atevora sah sich nach Hinweisen um die darauf schließen könnten, dass sie beobachtet wurden. Langsam strichen die blauen Irden die groben Steinmauern entlang und lauschte nebenher Askalans Ausführungen. Erspähen konnte sie nichts entlang der Steine und ihren Rillen. Auch nicht rings um die Fackeln. Jäh Askalan stoppte seine Ausführungen mitten im Satz. Schlagartig huschten der Magierin Augen zurück zu dem Wesen und sah wie dessen Ohren zuckten. Ohne Vorwarnung drehte sich Askalan weg und.. sprang davon?
Irritiert blinzelte die Magierin dem Mischwesen hinterher.
Noch während ihre Gedanken im wilden Reigen tanzten, und ihr Fragen wie: Lag es am Halsband? Aber sie hatte doch dieses Mal gar kein seltsames Surren vernommen? - und ähnliches entgegen warfen, konnte sie im Zwielicht etwas huschen sehen auf das sich der Mantikor stürzte. Ein ersticktes Quieken war zu hören, ehe das Wesen mit einer riesigen Ratte im Maul zu ihnen zurückkehrte.
„Guten Appetit.“ Meinte Atevora nur und kam zu dem Schluss, dass sie selbst glücklicherweise noch nicht hungrig genug war, jedenfalls nicht ausgehungert genug damit Ratten auf sie schmackhaft wirken würden.

Indes der Manticor sich an der Ratte gütlich tat, überlegte Atevora wie sie einen möglichen Beobachter am Besten blind und Taub werden lassen konnten. Sie könnten die Fackeln löschen. Aber da diese bis auf einen möglichen Türschlitz von dem Licht her dringen könnte, die einzige Lichtquelle waren, empfand sie diese Option als gelinde suboptimal..
Der Mantikor wollte inzwischen zum verlorenen Faden zurückkehren und sprach die Aussicht an von seinem Halsschmuck befreit zu werden. „Ja, das wäre sehr betrüblich.“ Pflichtete die Magiern Askalan trocken bei als dieser meinte, dass es doch schade wäre wenn er sie doch noch fressen würde.
„Sorgt euch nicht, wir haben die selben Feinde. Ich zu meinem Teil unterstütze Euch gerne in jedweder erdenklichen Art diese auszuweiden. Mehr noch, ich filetiere sie euch gerne vor und biete euch das Gusterstück auf einem Silbertablett da, das heißt sobald ich eines finde und weiß welchen Teil ihr am liebsten fresst.“ Ja, ihr war es völlig einerlei wen der Mantikor zerfleischte und fraß, so lang es nicht sie oder Malar war. Nungut, und so lange sich Bran in griff hatte war dieser auch mit inbegriffen. Wenn der Schatten außer Kontrolle geriet, durfte der Mantikor ihm jedoch gerne Bran die Kehle durchbeißen.
„ Zu den Voyeuren. Die Fackeln könnten verlöschen. Aber ich selbst bin nicht gerne blind. Ich kann auch anders für“ Atevora legte die Hände vor die Augen um damit anzuedeuten, dass sie damit für die möglichen Beobachter verborgen würden. „oder..“ nun hielt sie sich kurz die Ohren zu. „sorgen, allerdings nicht für beides gleichzeitig.“
”Was hältst du dich mit ihnen auf? Wir könnten schon lange hier heraus sein!”
Der Schatten zehrte kontinuierlich an seinen Nerven, wechselte von honigsüßen Versprechungen zu rasenden Tobsuchtsanfällen und gab sein möglichstes Brans Willen in die Knie zu zwingen. aber Bran stemmte sich dagegen, jetzt noch mehr als vorher, wenn es denn möglich war. Denn der Mantikor war ein weiterer unsicherer Faktor in der ganzen Gleichung und so lange nicht klar war auf welcher Seite er wirklich stand, durfte Bran sich die Schwäche nicht erlauben auch nur einen Funken auf das zu geben, was der Schatten versuchte ihm einzureden.
Nach einem kurzen und dankbaren Nicken zu Malar, welcher bestätigte dass er das Halsband wahrscheinlich lösen konnte, konzentrierte Bran sich wieder auf den Mantikor, nicht nur dass seine Gesinnung ohnehin nicht ganz fest stand, trug er auch noch ein Halsband, welches dem seinen wahrscheinlich nicht ganz unähnlich war, und ihn anscheinend zu einer Marionette unbekannter Fädenzieher machte.
Und die Geschichte um seine Freundin die hier wohl auch zum Monster verkommen war, machte die ganze Situation nicht unbedingt besser.
Die ganze Situation schien konstant auf Messers Schneide zu balancieren, ein Gefühl dass er nicht besonders schätzte. Gerne hätte er sich einige Schritte von der Gruppe entfernt um zumindest einmal einen Blick in die dunklen Tunnel zu werfen, welche von ihren Zellen weg führten, aber solange es hier keine endgültige Einigung gab, wollte er es nicht wagen diese Gruppe alleine zu lassen. Wer wusste schon, welcher von ihnen, ihm dann in den Rücken fallen würde.
Bran biss die Zähne aufeinander. Dass waren nicht seine Gedanken, sondern die des Schattens! Und er durfte nicht zulassen, dass sich dieser so unbemerkt in seine Gedanken schlich.

Er lauschte dem Gespräch schweigend, während er sich hinten an einer der Kerkerwände hielt, eher abseits vom flackernden Licht der Fackeln, aber er hörte aufmerksam zu, was Askalan über diesen Ort und ihre Gegner zu sagen hatte. Alles was sie über diesen Ort wussten, bevor sie sich in die dunklen Gänge wagten, konnte ein Vorteil für sie sein. Wenn der Mantikor sich nur nicht dauernd so kryptisch in seinen Antworten geben würde…
Er merkte kurz auf, als der große Löwenkörper in die dunkelheit davon schnellte, aber Askalan kam nur wenige Herzschläge später mit einer toten Ratte zurück und der Warlock verharrte in wachsamen Schweigen.
Er schaltete sich erst wieder in das Gespräch ein, als es darum ging eventuelle Beobachter mit Taubheit und Blindheit zu schlagen, damit sie in Ruhe ihre nächsten Schritte planen konnten, ohne fürchten zu müssen dass der Mantikor durch das Halsband gegen sie eingesetzt werden konnte.
“Ich kann mich um die Sichtbehinderung kümmern.” sagte er leise aber deutlich, während er wieder näher an die Anderen heran trat. “Aber der Effekt ist räumlich stark begrenzt und auch wenn ich ihn beliebig lange aufrechterhalten kann, so muss ich mich die ganze Zeit darauf konzentrieren und kann nur wenig anderes tun. Alles was meine Konzentration stört, hebt den Effekt sofort auf.” erklärte er, bevor er sich mit einem fast entschuldigenden Lächeln an die Magierin wandte “Aber es ist und bleibt nichts anderes als Dunkelheit, in die ich uns hüllen kann.”
Er selbst konnte in der Dunkelheit weitaus besser sehen und war nicht zwangsläufig auf eine Lichtquelle angewiesen, aber er wusste, wie unangenehm es für jene sein konnte, die in der Dunkelheit mit Blindheit geschlagen waren.
Immerhin wäre es sofort wieder so hell wie vorher, sobald er sich nicht mehr auf die Aura konzentrierte, man musste sich also nachher keine Gedanken mehr um eine Lichtquelle machen.

Bran trat in die Mitte der kleinen Gruppe “Ihr müsst etwas näher kommen, ich kann nicht mehr als einen Umkreis von 6 Schritt abdecken.” Dann konzentrierte er sich auf den Schatten in seinem Inneren. Es war heute ein besonders heikles Spiel, die Fähigkeiten des Schattens einzusetzen, musste er doch genau abwägen, wieviel Raum und wieviel Macht er diesem Wesen gab. Der Warlock tat einige kurze Atemzüge, bevor er zuließ dass die Kraft des Schattens durch ihn hindurch floss.
Schlagartig wurde das Licht in Brans umkreis dunkler und trüber, während sich Dunkelheit und Schatten um ihn herum bis zur völligen Schwärze verdichteten.
Nun, dort wo Malar aufgewachsen war, gab es nicht viel was man als selbstverständlich betrachten konnte. Schon gar keine Gefälligkeiten. Alles hatte seinen Preis, wenn nicht heute, dann morgen - oder in 100 Jahren. Dass Atevora den Stock für ihn herstellte, konnte wohl als Kalkül betrachtet werden. Denn mit einem Stock war er nützlicher als ohne einen Stock. Dass sie ihm allerdings auch die provisorische Waffe reichte, ging darüber hinaus. Sie wusste dass er sich wehren konnte und dazu keinen Dolch benötigte. Sie wusste um das Gift, welches in den feinen Kapillarröhrchen schlummerte, die unter seine Fingernägel gepflanzt waren. Ein gewisser Druck, wie beispielsweise ein Hieb durch's Gesicht, genügte um es freizusetzen. Die Dosis war zu gering um tödlich zu sein, aber es lähmte und löste eine bleierne Schläfrigkeit aus. Die Tatsache dass ihm die Magierin dennoch den Dolch reichte, war eine Geste. Deshalb war der sanfte Druck, mit dem er die Waffe zurück in ihre Hand legte, keine Zurückweisung, sondern eine ebensolche Geste. Sie bedeutete, dass er verstanden hatte.

Ungerührt sah der Alb für einen Moment zu wie der Mantikor die Ratte fing und fraß. Ob er das nun aus mangelnder Selbstbeherrschung oder als kindische Machtdemonstration tat - ernsthaft, sie hatten alle Hunger, aber deswegen wäre niemand auf die Idee gekommen sich den nächstbesten Käfer in den Mund zu stopfen und vor allen anderen darauf herum zu kauen - wusste er nicht zu sagen. "Dem schließe ich mich an", bekräftigte er die gunten Wünsche der Magierin. Ein Minimum an Höflichkeit machte jede Unterhaltung angenehmer. Selbst wenn man einen wichtigtuerischen Chimär ohne einen Hauch von Manieren vor sich hatte, musste man sich ja nicht gleich anmerken lassen wofür man ihn hielt. "In der Tat will ich das gern versuchen", nickte er geduldig und ließ die Drohgebärden unkommentiert. Möglicherweise hatte dieses Wesen ja eine ausgesprochen lange Leitung und begriff nicht, dass sie es mit vereinten Kräften längst hätten töten können, hätten sie dieses vorgehabt. Malar empfand es jedoch als zu banal darauf hinzuweisen, deshalb unterließ er es und wartete mit stoischer Ruhe, bis der örtliche Rattenfänger seine Zwischenmahlzeit beendet hatte.

Mit neu erwachtem Interesse wandte er sich Bran zu, der nun leise anbot sich um die Sichtbehinderung kümmern zu wollen. "Das ist Musik in meinen Ohren, mein Freund", lächelte er beinahe und lauschte der Erklärung, bevor er verstehend nickte. "Nun, ein räumlich begrenzter Effekt würde ausreichen. Und wenn Ihr, Lady Wailamereis, für das Verstummen der Geräusche sorgen könntet, wäre das ebenfalls ein unschätzbarer Beitrag. Wenn Ihr nicht blind sein möchtet, haltet Euch einfach aus dem verhüllten Bereich heraus. Ich selbst sehe auch im Finsteren genug. Und was Euch angeht, mein Herr..." wandte er sich nun an den Mantikor, "würde ich Euch bitten genau dort zu bleiben wo Ihr gerade steht. Vielen Dank. Einen Moment bitte..."

Der Priester stellte sich seitlich neben den Mantikor und begann eine düstere albische Wortfolge zu intonieren, die von einer Geste des Erhebens begleitet wurde. Und tatsächlich begann sich unter leichtem Beben, Knirschen und Bröckeln unter ihm eine Art Sockel aus dem Boden zu heben, der ihn selbst in die Höhe hob. Auf keinen Fall hatte Malar vor, direkt vor dem spitzzähnigen Maul zu arbeiten - er wusste ja schließlich nicht was dieses Halsband noch auslöste - und auch nicht in Reichweite des Skorpionschwanzes. Deswegen hatte er vor sich rittlings auf dem Rücken des Chimärs zu plazieren, denn dort konnten ihn weder Pranken noch Zähne erwischen, und auch nicht der Stachel ohne Gefahr, dass er sich selbst damit traf. Schließlich war der Sockel hoch genug, und Spruch und Geste endeten. "Ihr gestattet, dass ich Platz nehme?" fragte der Alb und würde natürlich die Antwort abwarten, bevor er dem Mantikor auf den Buckel stieg. Auf wildes Bocken und Auskeilen hatte er schließlich auch keine Lust, und überdies musste alles seine Ordnung haben.
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